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Hedgefonds Comeback der Aktivisten: Aggressive Investoren liegen auf der Lauer

Ab Herbst ist mit neuen Initiativen aktivistischer Investoren zu rechnen. Die Vorstände können davon profitieren – sofern sie bereit dazu sind.
03.08.2021 - 14:56 Uhr Kommentieren
Der Gründer des Elliott Hedgefonds attackiert derzeit den britischen Pharmakonzern Glaxo-Smithkline. Quelle: Reuters
Paul Singer

Der Gründer des Elliott Hedgefonds attackiert derzeit den britischen Pharmakonzern Glaxo-Smithkline.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Der Ölgigant Exxon hat es gerade erlebt, die Wiesbadener Aareal Bank steckt noch mitten drin und der britische Pharmakonzern Glaxo-Smithkline kann auch ein Lied davon singen: Aktivistische Investoren haben wieder begonnen, große und kleinere Adressen der Firmenwelt zu attackieren.

Auf dem Höhepunkt der Coronakrise war es zeitweise vergleichsweise still um die Finanzinvestoren geworden. Doch allmählich fangen die aktivistischen Hedgefonds wieder an, sich nach Firmen und Banken umzuschauen, die sie ins Visier nehmen können. So könnten Exxon, Glaxo (GSK) und Aareal nur ein Vorgeschmack dessen sein, was auf die Konzerne in diesem Jahr noch zukommt.

„Nach einer Beruhigung im vergangenen Jahr im Zuge der Coronakrise sehen wir nun im europäischen Umfeld wieder einen deutlichen Anstieg von aktivistischen Kampagnen“, sagt Patrik Czornik, Leiter M&A für Deutschland und Österreich bei der US-Großbank JP Morgan. Dies habe man zum Beispiel gerade gesehen beim Hedgefonds Elliott von Paul Singer und GSK. „Auch in Deutschland ist wieder vermehrt mit Kampagnen zu rechnen, Vorstände und Aufsichtsräte sollten sich des Risikos bewusst sein und sich mit dem Thema auseinandersetzen“, ergänzt er. Strategische Themen und vor allem M&A seien nach wie vor ganz oben auf der Agenda der Aktivisten, da diese Kampagnen im Schnitt die besten Renditen erzielten.

Zudem könnten wieder Unternehmen mit einer ineffizienten Kapitalstruktur in den Fokus von Aktivisten geraten. Aber auch das Thema ESG – das Kürzel steht für ökologische und soziale Kriterien sowie die Maßstäbe einer guten Unternehmensführung – werde immer wichtiger und werde in der Zukunft ein regelmäßiger Bestandteil von Aktivistenkampagnen sein.

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Im ersten Halbjahr 2021 gab es laut der Investmentbank Lazard weltweit bereits 94 neue größere Attacken, was ungefähr dem Vorjahresniveau entsprochen habe. Zu den prominenten Unternehmen zählten neben ExxonMobil auch Danone und Toshiba, was zeigt, dass Größe allein keinen Schutz gegen Aktivisten bietet. Mehr als die Hälfte der Kampagnen betraf demnach US-Unternehmen und 56 Prozent standen mit einem Übernahmeprozess in Verbindung, wie aus den Zahlen hervorgeht.

In Deutschland hatte zuletzt der erste, letztlich gescheiterte Anlauf für einen Zusammenschluss von Vonovia und Deutsche Wohnen den aggressiven Finanzinvestor Paul Singer angelockt, der auch bei der britischen Glaxo kräftig mitmischt.

Auch das neue Phänomen einer Flut von Börsenmänteln dürfte in den kommenden Monaten zu mehr Transaktionen unter Beteiligung von Hedgefonds führen. Bei den Börsenmänteln tauchen die Hedgefonds dabei an verschiedenen Stellen auf. Einmal bringen sie selbst solche Special Purpose Acquisition Companies (Spacs) an die Börse, wie zum Beispiel Elliott. Und zum anderen attackieren sie von Spacs übernommene Unternehmen mit sogenannten Short-Selling-Transaktionen, bei denen auf sinkende Aktienkurse gewettet wird.

Besonders im Fokus der Aktivisten stand im ersten Quartal die Energiebranche, gefolgt von der Industrie und dem Einzelhandel. Technologiekonzerne waren dagegen seltener im Visier der Firmenjäger. Im deutschsprachigen Raum hatten in der Vergangenheit schon Großkonzerne wie SAP, Deutsche Bank, Commerzbank, Rocket Internet, Scout24 und Nestlé mit Aktivisten Bekanntschaft gemacht.

Studie empfiehlt, auf Dialog zu setzen

Die aktivistischen Hedgefonds werden gerne als Raubritter beschrieben, die plötzlich und unerwartet in ein Unternehmen einsteigen, um es zu einem Kurswechsel zu bewegen. Doch eine Studie vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zeichnet ein ganz anderes Bild. Danach sind die Vorstände gut beraten, wenn sie nicht auf Abwehr setzen, sondern den Dialog suchen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass weibliche CEOs aufgrund ihrer starken kommunikativen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten besonders von der Intervention von aktivistischen Hedgefonds profitieren“, erklärte Iftekhar Hasan von der Fordham University und dem IWH. Die Wahrscheinlichkeit, das Interesse eines aktivistischen Hedgefonds zu wecken, sei für ein Unternehmen mit einer Managerin an der Spitze um 52 Prozent höher. „Diese Studie zeigt nicht nur genderspezifische Unterschiede auf, sondern liefert auch einen Hinweis auf den Zusammenhang von Soft Skills und Wirtschaftlichkeit“, kommentiert IWH-Präsident Reint Gropp.

Weibliche CEOs kommunizieren und kooperieren laut dem IWH häufiger mit den Vertretern aktivistischer Hedgefonds, anstatt mit ihnen auf Konfrontation zu gehen. Dies senke die Implementierungskosten und erhöhe die Erfolgsquoten. Dadurch stiegen die erwarteten Renditen für den Hedgefonds.

Männer hingegen neigten dazu, aggressiver, egozentrischer und machtorientierter in Verhandlungen zu sein. Dementsprechend sei es wahrscheinlicher, dass sie die Vorschläge der Hedgefonds-Aktivisten abschmetterten. Dies führe zu für beide Seiten kostspieligen Machtkämpfen, die den Wert des Unternehmens eher reduzierten als erhöhten.

„Mein Rat ist immer: Aktivistische Investoren sollte man nicht einfach nur als Raubritter ansehen, vielmehr sind ihre Analysen nicht selten fundiert und daher diskussionswürdig“, sagt Birger Berendes, Co-Head M&A für Europa bei der Bank of America. Er ist sich sicher, dass aktivistische Investoren in den kommenden Monaten ein Thema in den Vorstandsetagen bleiben.

Zwar lasse die Häufigkeit der ganz großen Kampagnen seit 2018 tendenziell nach. Das habe jedoch zwei Gründe: Zum einen seien die offensichtlichen Ziele abgearbeitet. Zum anderen hätten die Konzerne dazugelernt, sowohl was den Umgang mit dieser Art von Investoren angeht, aber auch indem sie effizienter geworden seien und ihre Portfolios vielfach neu ausgerichtet hätten.

Drei Kriterien für gefährdete Unternehmen

Trotzdem bleiben die Aktivisten in Lauerstellung, ihre Computerprogramme klopfen die Konzerne täglich auf Schwachstellen ab. „Gefährdet ist ein Unternehmen dann, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: 1. die Performance ist schlechter als die der Wettbewerber, 2. die Gewinnmargen und Umsatzzuwächse bleiben hinter der Konkurrenz zurück und 3. die Konsensusschätzungen der Analysten wurden wiederholt nicht erreicht“, zählt Berendes auf.

Hinzu kämen qualitative Faktoren wie etwa die Diversität des Aufsichtsrats oder die Bilanz des Vorstands. Und wenn ein Konzern mehr als drei Segmente habe, schauten Hedgefonds prinzipiell genauer hin.

Denn dann vermuten sie immer einen sogenannten Konglomeratsabschlag, also eine schlechtere Bewertung, weil sich das Management nicht auf einen Geschäftsbereich konzentriert. Siemens hat vor diesem Hintergrund in den vergangenen Jahren die Segmente Medizintechnik und Energie ausgegliedert und an die Börse gebracht, gleiches planen Continental und Daimler mit der Antriebstechnik und der Truck-Sparte. Hohe Bewertungen, vor allem im Vergleich zur Peergroup, vermindern mit Sicherheit das Risiko, Opfer einer aggressiven Aktivistenkampagne zu werden, meinen viele Experten.

Dax-Unternehmen haben Verteidigungsstrategien entwickelt

Praktisch alle Dax-Unternehmen haben mittlerweile Verteidigungs- oder Shareholder-Engagement-Mandate an Investmentbanken vergeben. Große amerikanische aktivistische Hedgefonds wie beispielsweise Elliott wollen laut Berendes generell mindestens 500 Millionen bis eine Milliarde Euro anlegen und eine Position von circa drei bis fünf Prozent an einem Unternehmen aufbauen. Es gebe allenfalls eine Hand voll aktivistischer Akteure, die in dieser Größenordnung in Europa mitspielten.

Wirklich Gewicht bekommen die Kampagnen meistens nur, wenn sie die Unterstützung einer breiteren Investorenbasis finden. ESG ist bei allen institutionellen Investoren ein Fokusthema, und Aktivisten stoßen daher auf offene Ohren, wenn es hier Defizite gibt.

Der Vermögensverwalter Blackrock hatte zuletzt beispielsweise klar gemacht, dass die Einhaltung von Klimazielen in den Unternehmen immer wichtiger wird. Da werde man ab Herbst mehr Kampagnen von Aktivisten in Europa sehen, meinte ein Investmentbanker.

USA: Aktivisten drängen auf Diversität

Die öffentlich geführte Kampagne von Engine 1 bei Exxon war mit Sicherheit ein Weckruf diesbezüglich. Unternehmen sind gut beraten, auch dieses Risiko permanent im Blick zu behalten“, sagt Czornik. Außerdem gibt es vor allem in den USA immer mehr Vorschläge von Aktivisten, die auf eine höhere Frauenquote und mehr Diversität in den Vorständen und Aufsichtsräten drängen. 2020 erhielten vier solcher Vorschläge Mehrheiten auf amerikanischen Aktionärstreffen.

Deutsche Vorstände und Aufsichtsräte sind nach Ansicht von Johann von Wersebe, dem Co-Leiter Investment Banking bei Morgan Stanley Deutschland/Österreich, auf Vorstöße von Aktivisten grundsätzlich gut vorbereitet.

Einer der wichtigsten Verteidigungsmechanismen hierzulande sei der weitgehende Einfluss von Familien oder Stiftungen bei deutschen Publikumsgesellschaften. „Aber dieser Umstand kann natürlich auch ein Angriffspunkt für Aktivisten darstellen, wenn zum Beispiel die Governance in den Augen des Kapitalmarktes nicht optimal funktioniert“, sagt von Wersebe.

Die Studie vom IWH zeigt, dass Aktivisten für Unternehmen nicht unbedingt schlecht sein müssen. Die Forscher haben die dynamischen Veränderungen von Zielunternehmen zwei Jahre vor und bis zu zwei Jahre nach dem Hedgefonds-Engagement analysiert. „Nach Bereinigung um Branchen- und Jahreseffekte erhöhen sowohl weiblich als auch männlich geführte Zielunternehmen ihre operative Profitabilität in den zwei Jahren nach dem Einstieg, aber der Anstieg ist bei weiblich geführten Zielunternehmen signifikant größer“, fasst IWH-Präsident Gropp zusammen.

Mehr: Im Machtkampf mit Elliot: Verwaltungsrat stärkt Chefin von Glaxo-Smithkline

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