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Interview auf dem Banken-Gipfel Olaf Scholz verspricht „pragmatischen Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik“

Einen Linkrutsch werde es mit ihm als Kanzler nicht geben, sagt der Bundesfinanzminister. Im Finanzsektor will er für die Vollendung der europäischen Bankenunion kämpfen.
09.09.2021 - 10:51 Uhr 2 Kommentare
„Das Wichtigste ist, dass alle Banken ihre eigenen Hausaufgaben machen, dass sie, was die Digitalisierung betrifft, auf dem besten Niveau sind.“
Olaf Scholz im Interview

„Das Wichtigste ist, dass alle Banken ihre eigenen Hausaufgaben machen, dass sie, was die Digitalisierung betrifft, auf dem besten Niveau sind.“

Frankfurt, Berlin Kanzlerkandidat Olaf Scholz hält Sorgen der Wirtschaft vor einem Linksrutsch im Falle eines SPD-Wahlsiegs für unbegründet. „Jeder weiß, was er kriegt, wenn er SPD wählt, nämlich Olaf Scholz. Ich stehe für einen pragmatischen Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik“, sagte Scholz auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts im Gespräch mit Chefredakteur Sebastian Matthes.

Schon in der Vergangenheit habe er diesen Kurs in verschiedenen Ämtern unter Beweis gestellt. Wer „vielleicht zum ersten Mal SPD wählt, weil er Olaf Scholz als Kanzler will, muss sich deshalb keine Sorge machen“, erklärte der SPD-Politiker.

Derzeit liegt die SPD gut zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl in allen Umfragen vor der Union. Am Mittwoch hatten sich die Sozialdemokraten auch in einer Allensbach-Erhebung vor die Christdemokraten gesetzt. Die SPD käme demnach auf 27 Prozent der Stimmen, die Union auf 25 Prozent.

Allensbach war bis dahin die letzte Umfrage, bei der die Union noch vor der SPD lag. Dass den Sozialdemokraten die nicht für möglich gehaltene Wende im Wahlkampf gelingen kann, liegt maßgeblich an der Person Scholz. In Umfragen liegt er bei der Frage, wen die Deutschen sich im Kanzleramt wünschen, inzwischen weit vor seinen Kontrahenten Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne).

Die Wirtschaft fürchtet allerdings, die SPD könnte im Falle eines Wahlsiegs ein Linksbündnis mit den Grünen und der Linkspartei schmieden und die Steuern deutlich erhöhen. Scholz unterstrich auf dem Banken-Gipfel, „sehr klare Aussagen“ gemacht zu haben, unter welchen Bedingungen ein solches Bündnis zustande kommen könnte.

Dies sei nur möglich, wenn sich eine Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei entschieden zur Nato und zur transatlantischen Zusammenarbeit, zu einer souveränen EU und einer soliden Finanzpolitik bekenne. Bislang ist die Linkspartei dazu nicht bereit und fordert etwa den Austritt Deutschlands aus der Nato.

Scholz sagte, Deutschland stehe vor „einem großen Modernisierungsjahrzehnt“. Es beginne eine neue Zeit. Nach 250 Jahren, in denen die Energieerzeugung auf Kohle, Gas und Öl beruhte, müsse nun in nur 25 Jahren eine „industrielle Modernisierung“ gelingen, die ganz ohne fossile Brennstoffe auskomme, um den Klimawandel aufzuhalten. „Diese Aufgabe kann gar nicht überschätzt werden.“

Entscheidend sei deshalb, jetzt die richtigen Weichen dafür zu stellen. Davon hänge auch entscheidend ab, ob Deutschland 2050 in einer Welt mit zehn Milliarden Menschen noch wettbewerbsfähig sei.

„Deutschland wird führende Automobilnation bleiben“

Scholz sieht diese Modernisierung zuallererst als Aufgabe der Privatwirtschaft. Die Investitionen müssten von Stahl-, Zement-, Chemie- und den Automobilunternehmen selbst kommen. Und die Unternehmen hätten auch „sehr konkrete Pläne für den Weg in eine klimaneutrale Industrie“, so Scholz.

Der SPD-Politiker ist deshalb überzeugt: „Deutschland wird führende Automobilnation bleiben, nur eben mit anderen Antrieben.“ Aufgabe der Politik sei es dabei, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen. „Es kann nicht sein, dass wir so langsam sind wie heute, wenn es darum geht, Ladestationen aufzubauen“, sagte Scholz.

Ebenso brauche es eine viele höhere Stromerzeugung durch erneuerbare Energien und ein leistungsfähiges Stromnetz. „Der höhere Strombedarf ist von unserem Koalitionspartner lange bestritten worden, und das war nicht gut für Deutschland“, verpasste Scholz der Union einen Seitenhieb.

Mehr vom Banken-Gipfel 2021:

Zu der Frage, ob den Verbrauchern Belastungen durch seine Klimapolitik drohen, etwa in Form höherer Benzinpreise, sagte Scholz: „Ich bin dagegen, ein großes Industrieprojekt zu individualisieren und in moralischen Kategorien zu diskutieren, wie das einige versuchen. Wir sollten ein Industrieprojekt als Industrieprojekt beschreiben.“

Zudem gebe die Bundesregierung alle Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an Bürger und Unternehmen zurück. Und durch die Abschaffung der EEG-Umlage, die künftig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden solle, entlaste man Bürger und Unternehmen beim Strompreis.

Scholz will Bankenunion zur Chefsache machen

In der Diskussion über Finanzplatzthemen machte Scholz deutlich, dass er sich auch als Kanzler für eine Vollendung der Bankenunion einsetzen würde. „Das ist ein Thema, das nur dann erfolgreich gelingen kann, wenn es politische Priorität bekommt“, sagte Scholz. „Da werden am Ende auch die Staats- und Regierungschefs gefragt sein, um das hinzubekommen, denn das geschieht nicht von selbst, das muss gewollt werden.“

Der strittigste Punkt bei der Vollendung der Bankenunion ist eine gemeinsame europäische Einlagensicherung, die in Deutschland vor allem Sparkassen und Volksbanken entschieden ablehnen. Scholz plädierte dafür, die Diskussion über eine Bankenunion nicht auf das Thema Einlagensicherung zu reduzieren, sondern das große Ganze im Blick zu haben.

„Es ist ein zentrales Thema für die europäische Souveränität, dass wir den Banken möglich machen, Europa als Gesamtes in den Blick zu nehmen“, sagte Scholz „Das ist ökonomisch von allergrößter Bedeutung.“ Deshalb dürfe das Thema aus innenpolitischen Gründen nicht immer wieder auf die lange Bank geschoben werden.

Scholz hatte im Herbst 2019 mit einem Vorschlag Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen über eine europäische Einlagensicherung (EDIS) bringen wollen. Doch eine Einigung ist nach wie vor in weiter Ferne. Scholz will allerdings nicht lockerlassen und ist nach wie vor überzeugt, dass es am Ende eine Einigung geben wird. „Es wird politische Bewegung geben.“

Banken sollen ihre Hausaufgaben machen

Manche Banker sehen eine Vollendung der Bankenunion und auch eine Kapitalmarktunion als Voraussetzungen an für große grenzüberscheitende Bankfusionen in Europa. Scholz will sich bei dem Thema nach eigenem Bekunden nicht einmischen. „Das sind privatwirtschaftliche Entscheidungen“, sagte er. „Unsere Aufgabe besteht darin, den Rahmen zu schaffen für eine erfolgreiche Finanzwirtschaft aus Europa.“ In diesem Rahmen würden Banken sich dann sicher auch fragen, „wie sie neu aufgestellt sein können“.

2018 hatte Scholz auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts angekündigt, dass sich die Bundesregierung verstärkt um die Banken kümmern und auch im Finanzsektor Industriepolitik betreiben will. Zudem forderte er die Schaffung von großen und stabilen deutschen Banken, die im globalen Wettbewerb mithalten können. Doch der Versuch, einen deutschen Bankenchampion zu schaffen, scheiterte 2019, als Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und Commerzbank scheiterten.

Auch Scholz geriet damals in die Kritik – und hält sich mit Kommentaren zu Bankfusionen deshalb merklich zurück. „Das Wichtigste ist, dass alle Banken ihre eigenen Hausaufgaben machen, dass sie, was die Digitalisierung betrifft, auf dem besten Niveau sind“, sagte der SPD-Politiker. „Es geht darum, dass man wirtschaftlich erfolgreiche Modelle entwickelt.“

In der Coronakrise hatten Geldhäuser von staatlichen Hilfsprogrammen und regulatorischen Erleichterungen profitiert. Viele Banker fordern nun, dass das bestehende Regelwerk nach den Erfahrungen in der Pandemie grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt und dass die geplante Einführung der strengeren Basel-III-Kapitalregeln noch einmal überdacht wird.

Scholz sprach sich für eine Regulierung mit Augenmaß aus, jedoch gegen eine groß angelegte Deregulierung des Finanzsektors. „Die Regeln, die wir entwickelt haben, müssen immer überprüft werden, aber sie sind ein wichtiger Beitrag dazu, dass wir ein stabiles Finanzsystem haben“, sagte er. „Deshalb kann es keinen Rollback in dieser Frage geben.“

Scholz setzt sich für Euro-Clearing in Frankfurt ein

Viele Manager in Frankfurt beklagen sich seit Jahren über die unzureichende Unterstützung für den Finanzplatz durch die Bundesregierung – gerade im Vergleich zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der Spitzenbanker reihenweise persönlich umgarnt.

Scholz wies den Vorwurf zurück, sich nicht genug für den Finanzstandort zu engagieren. Dank gemeinsamer Bemühungen seien viele Finanzgeschäfte von Großbritannien nach Deutschland verlagert worden. So sei der Bankenstandort Frankfurt gestärkt worden. „Das Ziel ist nicht nur verfolgt worden, sondern es hat auch funktioniert.“

Zu den wichtigsten offenen Fragen zählt, wie es mit der Abwicklung von Derivategeschäften in Euro (Euro-Clearing) weitergeht. Diese laufen bisher noch überwiegend in London, weil für die dortigen Clearinghäuser noch bis Mitte 2022 eine Ausnahmegenehmigung gilt. Großbritannien hofft, dass das Geschäft auch darüber hinaus in London verbleiben kann. In der EU plädieren dagegen viele Akteure für eine Verlagerung auf den Kontinent, wovon vor allem die Deutsche Börse profitieren würde.

Scholz macht sich für eine weitere Verlagerung von Geschäften nach Frankfurt stark. „Das ist etwas, das mit gutem Erfolg vorankommt“, sagte der SPD-Politiker. „Wir haben uns immer für das Euro-Clearing hier vor Ort eingesetzt. Das wird auch in Zukunft so bleiben.“

Wenig erfreut wird die Deutsche Börse dagegen darüber sein, dass sich Scholz auch weiterhin für die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer einsetzen will. Er habe das Thema in den vergangenen Jahren vorangetrieben, obwohl sich dabei immer wieder Schwierigkeiten aufgetürmt hätten, sagte Scholz. Nun werde im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds darüber diskutiert, ob die Finanztransaktionssteuer eine neue Einnahmequelle der Europäischen Union sein könne. „Ich erwarte mir im europäischen Prozess der Gesetzgebung da die nächsten Fortschritte“, sagte Scholz. „Wir werden sehen, was die Europäische Union vorschlägt.“

Der Kanzlerkandidat betonte angesichts der steigenden Inflation, die Entwicklung „sehr genau zu beobachten“. Fast alle Fachleute gingen aber davon aus, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handele. Es sei wichtig, dies den Geldanlegern auch so zu sagen. „Wenn die Inflation wieder zurückgeht, ist das jedenfalls sicher eine Beruhigung für viele Sparer.“

Die Teuerungsrate ist im August in Deutschland auf den höchsten Stand seit fast 28 Jahren geklettert. Waren und Dienstleistungen kosteten im Schnitt 3,9 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Auch im Euro-Raum ist die Inflation mit 3,0 Prozent so hoch wie seit rund einem Jahrzehnt nicht mehr.

Mehr: Vermögensteuer, Klimainvestitionen, Aktienrente: Was von möglichen Koalitionen zu erwarten wäre.

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2 Kommentare zu "Interview auf dem Banken-Gipfel : Olaf Scholz verspricht „pragmatischen Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik“"

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  • Unsere 3 demokratischen BK- Kandidaten versprechen uns bei ihren Wahlkampfveranstaltungen bisher alles, nur noch nicht, daß sie uns das Blaue vom Himmel holen, wenn man aber mit geöffneten Augen durchs Land fährt, stellt man fest, daß fast alles marode ist, der Schuldenberg immer höher wird u. die Hilfsprogramme immer größer und oft die Sprache der Mitbürger, die tagsüber auf der Strasse sind, fremd klingt.

  • Also als Mittäter im CumEx Skandal, der sich an nichts erinnert, ist er für mich keine Wahl als Kanzler. Wer einmal lügt, den glaubt man nicht .... komisch dass dieser Betrug alle Medien auszublenden scheinen. Ich denke, lieber eine unerfahrene Annalena als ein kurrupter Olaf. Gute Alternative: BasisPartei - wie wäre es damit, als Bürger mehr Mitspracherecht für politische Entscheidungen zu haben? Ich vermute, es würde das Land endlich mal wieder einen und nicht mehr spalten. Schlechter kann jedenfalls nicht mehr werden.

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