Interview Creditshelf-Gründer: „Jetzt ist nicht die Zeit für Bürokratie, sondern für schnelles Handeln“

Daniel Bartsch (l.) und Tim Thabe wollen mittelfristig Kredite im Wert von 500 Millionen Euro pro Jahr vermitteln.
Frankfurt Als dieses Interview per Videochat entsteht, arbeitet der Vorstandsvorsitzende und Co-Gründer von Creditshelf, Tim Thabe, trotz Coronakrise noch im Frankfurter Büro der Firma. Allerdings „mit großem Abstand zu wenigen anderen Kollegen“, wie er sagt.
Einer müsse vor Ort weiterhin die Post öffnen – noch läuft auch bei einem Fintech nicht alles digital. Grundsätzlich könnten die Mitarbeiter aber komplett aus dem Homeoffice agieren, so Thabe. Da befindet sich gerade auch Co-Gründer und Vorstand Daniel Bartsch, der sich aus Freiburg im Breisgau zuschaltet.
Herr Bartsch, Herr Thabe, wegen der Coronakrise steigt der Liquiditätsbedarf vieler Firmen gerade stark an. Können Sie davon profitieren?
Bartsch: Momentan befinden wir uns durch die Corona-Epidemie in einer absoluten Sondersituation. Mittelständische Unternehmen sind stark verunsichert und wir bekommen gerade sehr viele Anfragen rein. Wir sehen darin grundsätzlich große Opportunitäten, insbesondere, weil wir unbesicherte Kredite anbieten und mit unserem digitalen Geschäftsmodell nicht von Filialen abhängig sind.
Die Firmen, die jetzt anfragen, dürften ein größeres Risiko darstellen. Wie wollen Sie das bewältigen?
Thabe: In der Regel fragen bei uns sehr etablierte, solide Unternehmen an. Wir sehen jetzt eine Chance, verstärkt solche Firmenkunden zu gewinnen, die in der Vergangenheit die traditionelle Hausbank gewählt haben. Unser Vorteil ist insbesondere die Schnelligkeit. Unsere Kunden bekommen in der Regel innerhalb von 48 Stunden eine Kreditzusage oder -absage und eine Indikation zu den Konditionen.
Die Bundesregierung und die KfW haben Förderkredite und Liquiditätshilfen zugesagt. Könnten diese auch über Ihre Plattform vermittelt werden?
T: Wir arbeiten sehr technologiegestützt und beurteilen die Bonität nicht hauptsächlich anhand von Jahres- oder Quartalsabschlüssen, sondern werten insbesondere die neuesten Buchungs- und Kontodaten der Firmen aus. So sind wir in der Lage, uns schnell ein aktuelles Bild von der Finanzsituation einer Firma zu machen. Das ist jetzt besonders wichtig, denn die Ausblicke, die Firmen Ende 2019 gegeben haben, sind nun hinfällig. Statt die Kreditanfragen selbst zu bearbeiten, könnten Banken unsere Plattform nutzen. Die finale Kreditentscheidung läge dann immer noch bei ihnen, aber wir nehmen ihnen einen Großteil des Prüfaufwands ab. Eine andere Möglichkeit wäre, dass unsere Abwicklerbank bei der KFW als Finanzierungspartner akkreditiert wird.
Wie realistisch sind solche Szenarien?
B: Jetzt ist nicht die Zeit für Bürokratie, sondern für schnelles Handeln, denn der Bedarf der Unternehmen ist sehr akut. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Politik schnell aufwachen muss. Neben dem Hilfspaket, bei dem die KfW 80 oder teilweise 90 Prozent der Haftungsrisiken für Kredite übernimmt, befinden sich weitere Sonderprogramme in der Planung. Eine Möglichkeit wäre auch, dass die KfW Geld über unseren Fonds bereitstellt, den wir im vergangenen Jahr gestartet haben und für den wir schon seit November 2019 eine Zusage in Höhe von 30 Millionen Euro vom Europäischen Investitionsfonds (EIF) haben.
Für Ihren Fonds haben Sie ein Volumen in Höhe von 150 Millionen Euro angepeilt. Wie weit sind Sie inzwischen?
B: Wir befinden uns in fortgeschrittenen Gesprächen. 150 Millionen Euro ist das Maximalvolumen, wir könnten auch schon mit einem deutlich niedrigeren Betrag starten und im Laufe der Zeit aufstocken. Die Tatsache, dass der EIF als größter supranationaler Investor in Europa an Bord ist, ist ein starkes Signal für andere Geldgeber.
Auch die Investoren werden vor dem Hintergrund der Coronakrise zurückhaltender. Droht Ihnen von dieser Seite ein Engpass?
B: Momentan gehen wir nicht davon aus. Es ist zwar so, dass die Investoren nun die Lage sondieren und ihre Risiken reduzieren, aber grundsätzlich gewinnt das mittelständische Kreditgeschäft als Asset-Klasse für institutionelle Investoren an Bedeutung. Seit Anfang des Jahres haben wir außerdem eine Kooperation mit dem Vermögensverwalter BNP Paribas Asset Management. Dank dieser Zusammenarbeit können wir Darlehen über 100.000 bis fünf Millionen Euro und Laufzeiten von nun bis zu acht Jahren vermitteln. Davon profitieren insbesondere jüngere Wachstumsunternehmen – wobei wir weiterhin ein Mindestalter von drei Jahren voraussetzen, damit wir die Firmen sinnvoll bewerten können.
Das Neugeschäft ist das eine, zugleich dürften auch die Kreditausfälle im Bestand zunehmen. Spüren Sie das schon?
T: Aktuell sieht es noch gut aus und es gibt noch keine Coronavirus-bedingten Ausfälle. Aber auch an unserem Kreditportfolio wird die Krise natürlich nicht spurlos vorübergehen. Wir kalkulieren über einen Kreditzyklus mit einer Verlustrate zwischen zwei und drei Prozent. Wir halten die Kredite zwar nicht selbst, aber wir arrangieren die Vergabe und sind natürlich unseren Investoren zu einer nachhaltigen Qualität verpflichtet.
Im vergangenen Jahr haben Sie Kredite in Höhe von 88,5 Millionen Euro vermittelt. Damit sind Sie noch weit weg von den angepeilten 500 Millionen. Woran liegt das?
T: Die 500 Millionen Euro pro Jahr sind weiterhin unser mittelfristiges Ziel. Zuletzt haben wir unser Kreditvolumen um 75 Prozent gesteigert. Damit sehen wir uns auf einem guten Weg. Etwas gebremst haben uns 2019 die schwächelnde Konjunktur und der Wettbewerbsdruck.
Entsteht dieser Druck auch durch andere Fintech-Plattformen?
T: Im vergangenen Jahr haben Banken dank einer aggressiven Preisstrategie deutlich mehr Kredite vergeben als in der Vergangenheit. Da wir unbesicherte Darlehen arrangieren und dafür höhere Zinsen verlangen müssen, konnten wir mit den Konditionen oft nicht mithalten. Durch die Coronakrise rechne ich damit, dass sich die Wettbewerbssituation – nach der Bewältigung der akuten Notlage – nochmals deutlich verändern wird, mit einer tendenziell höheren Bepreisung durch die Banken. Dass andere Plattformen uns Geschäft wegnehmen, sehe ich nicht. Wir entwickeln hier gemeinsam einen digitalen Markt und dabei sind andere professionelle Anbieter eher hilfreich.
Dass sich Funding Circle aus Deutschland weitgehend zurückzieht, freut Sie also nicht?
T: Nein, wir bedauern das. Zum einen, da wir die Leute persönlich kennen und schätzen und zum anderen, da sie mit ihrer langen Historie und professionellen Herangehensweise Standards gesetzt haben. In Großbritannien sind sie ja schon länger aktiv als wir in Deutschland.
Ist der deutsche Markt für alternative Finanzierer besonders schwierig? Planen Sie die Fokussierung auf andere Märkte?
T: Ich glaube nicht, dass der deutsche Markt schwieriger ist als andere. Aber die einzelnen Länder in Europa sind schon sehr unterschiedlich und die Geschäftsmodelle lassen sich nicht eins zu eins übertragen. Deshalb bleiben wir erst mal in Deutschland. Der Markt ist groß genug und wir haben hier noch ein großes Wachstumspotenzial.
In den vergangenen beiden Jahren haben Sie zwei Firmen übernommen. Was hat die Akquisition von MainFunders von der Commerzbank gebracht?
T: Im Zuge der MainFunders-Übernahme haben wir auch eine Kooperation mit der Commerzbank geschlossen. Kunden, die sie selbst nicht bedienen kann, vermittelt sie an uns weiter. Wir können nichts zum Volumen sagen, aber klar ist: Würde es sich nicht signifikant auswirken, würden weder wir noch die Bank das machen. Solche Kooperationen haben wir auch schon mit Maklern und anderen Banken. Die machen wir aber nicht öffentlich.
2019 haben Sie Valendo von Finleap übernommen. Welchen Nutzen ziehen Sie daraus? Der Kundenstamm kann es nicht sein, denn im vergangenen Jahr hat Valendo im vierten Quartal nur einen Umsatz in Höhe von 22.000 Euro zu Ihrem Ergebnis beigesteuert.
T: Bei dieser Akquisition ging es uns vor allem um die Technologie – denn Valendo vergibt besicherte Kredite – und um das Team in Berlin. Momentan sind das vier Mitarbeiter, aber wir wollen den Standort noch weiter ausbauen. Auch das Office haben wir bewusst übernommen, denn das Team sitzt im selben Gebäude wie Finleap und in unmittelbarer Nähe zu deren Fintechs, die sich ebenfalls an kleine und mittelständische Firmen richten. Davon versprechen wir uns auch Kooperationen und sind dazu auch schon in Gesprächen.
Mit dem Finleap-Unternehmen Crosslend kooperieren Sie bereits. Dieses verbrieft Kredite und tritt damit als Geldgeber auf Ihrer Plattform auf. Bleibt also noch Penta als möglicher Partner?
B: Penta ist eines der Unternehmen, deren Mitarbeiter wir in unserem Berliner Büro am gemeinsamen Kaffeeautomaten treffen. Wir sprechen über viele Ideen mit dem Finleap-Management und zahlreichen anderen Fintechs mit Lösungsangeboten für den deutschen Mittelstand. Eine offizielle Partnerschaft besteht hier aber aktuell nicht.
Wieviel hat die Übernahme von Valendo gekostet?
T: Die Übernahme wurde komplett über Aktien gezahlt und Finleap hält jetzt einen Anteil von 0,8 Prozent an unserem Unternehmen.
In Ihrem Geschäftsbericht für 2019 steht unter dem Strich immer noch ein Verlust. Ist Profitabilität für Sie ein Ziel?
T: Bei unserem Ergebnis nach Steuern konnten wir den Fehlbetrag im vergangenen Jahr von 6,3 auf knapp fünf Millionen Euro reduzieren. Wir haben aber erneut stark in unser Wachstum investiert, insbesondere in neue Mitarbeiter, unsere Technologie, aber auch in Marketing. Solange wir Wachstumspotenziale für uns sehen, werden wir das auch weiter tun. Jetzt ist noch nicht die Zeit, um auf Profitabilität zu zielen.
Unerfreulich ist die Entwicklung Ihres Aktienkurses. Seit dem Börsengang im Juli 2018 ist der Kurs von 82 auf zuletzt 49 Euro eingebrochen – und das schon vor der Coronakrise. Was ist da schief gelaufen?
T: Wir können das nicht weiter kommentieren, außer, dass da Angebot und Nachfrage herrschen und wir der Meinung sind, dass wir mit unserem Geschäftsmodell gut für die Zukunft aufgestellt sind. Zu beachten ist auch, dass nur knapp 25 Prozent unserer Aktien frei gehandelt werden und dass wir als Management keine Anteile verkauft haben.
War es womöglich doch zu früh einen Börsengang?
T: Uns ging es mit dem Börsengang nicht nur um das neue Kapital, sondern auch darum, Transparenz und Glaubwürdigkeit für unser Geschäftsmodell zu schaffen. Ich bin fest davon überzeugt, dass genau das in Zukunft einen enormen Wert haben wird. Da wir dazu verpflichtet sind, unsere Zahlen offenzulegen, ist es insbesondere für öffentliche Investoren wie den European Investment Fund einfacher, mit uns zusammenzuarbeiten.
Vielen Dank für das Interview.
Mehr: Kredit-Fintechs wittern eine große Chance in der Coronakrise.
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