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Intesa Sanpaolo-Chef Carlo Messina „Ich glaube, die EZB wird noch tiefer gehen“

Der Chef der italienischen Großbank Sanpaolo Intesa, Carlo Messina, spricht über Niedrigzinsen, Europas Zukunft und den neuen Kurs in Rom. Und erklärt, warum er keine Angst vor einer neuen Bankenkrise in Italien oder Europa hat.
10.03.2016 - 06:00 Uhr
Der Chef der italienischen Bank Intesa Sanpaolo, Carlo Messina. findet, dass die EZB eine ausgezeichnete Arbeit macht, auch was die Überwachung des Bankensystems anbelangt. Quelle: Reuters
Carlo Messina

Der Chef der italienischen Bank Intesa Sanpaolo, Carlo Messina. findet, dass die EZB eine ausgezeichnete Arbeit macht, auch was die Überwachung des Bankensystems anbelangt.

(Foto: Reuters)

Im Zentrum von Mailand, zwei Schritte von der Scala entfernt, empfängt Carlo Messina in einem alten Palazzo, einer der vielen Liegenschaften von Intesa Sanpaolo. Seit 2013 steht der Römer unangefochten an der Spitze der Bank, die 2006 aus der Fusion von Sanpaolo IMI und Banca Intesa entstand und deren modernes Headquarter in Turin ist.

Herr Messina, Italiens Banken schieben einen Berg von 200 Milliarden Euro an faulen Krediten vor sich her, und die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt einige Institute genau unter die Lupe. Müssen wir uns Sorgen machen?
Es gibt zwei Probleme, die den Wert italienischer Banken beschädigt haben: die Zukunft von Monte dei Paschi di Siena und die notleidenden Kredite. Ich glaube, dass die Schwierigkeiten der toskanischen Bank übertrieben dargestellt worden sind. Und auch bei den faulen Krediten gibt es eine falsche Sicht auf das Problem. Der Markt schaut zu stark auf den Brutto- statt auf den Nettowert und berücksichtigt nicht die starken Sicherheiten, mit denen diese Kredite besichert sind.

Italien hat gerade beschlossen, eine Bad Bank zu kreieren, um der faulen Kredite Herr zu werden. Reicht das als Lösung?
Ich persönlich finde eine Bad Bank gar nicht so wichtig. Ich glaube, dass es wichtiger wäre, den Banken einen schnelleren Zugriff auf die Kreditsicherheiten zu ermöglichen. Daran sollte die Regierung arbeiten. Wenn wir diese Frist von sieben bis acht Jahren auf zwei bis drei Jahre verkürzen könnten, hätten wir einen funktionierenden Markt für notleidende Darlehen mit realistischen Preisen und bräuchten keine Bad Bank.

Haben Sie keine Angst vor einer neuen Bankenkrise in Italien oder Europa?
Überhaupt nicht. Die einzige Möglichkeit für eine neue Krise wäre ein Liquiditätsengpass. Aber in Zeiten wie diesen, wo derart reichlich Liquidität vorhanden ist, sehe ich keine reale Gefahr für eine Krise. Wenn man sich die Kapitalquoten und die Gesamtverschuldung der italienischen Banken anschaut, dann stehen sie besser da als die Banken in anderen europäischen Ländern. Wir selbst schneiden mit einer Kernkapitalquote von 13 Prozent und einer Verschuldungsquote von 6,8 Prozent sehr gut ab.

Beunruhigt Sie die Nachricht denn nicht, dass die EZB jetzt auch die aktuelle Liquiditätssituation bei einigen italienischen Banken analysiert?
Ich finde, dass die EZB eine ausgezeichnete Arbeit macht, auch was die Überwachung des Bankensystems anbelangt. Auch ist es korrekt, die Liquidität zu bewerten. Auf der anderen Seite können die italienischen Banken im Vergleich zu anderen Ländern auf eine privilegierte Verfügbarkeit der Einlagen zählen – dank der hohen Sparbereitschaft der Italiener.

An diesem Donnerstag wird die EZB voraussichtlich ihre Zinsen noch weiter ins Negative senken. Bringt das nicht neue Risiken und neue Unruhe für die Banken?
Meiner Meinung nach wird sich die EZB für noch negativere Zinssätze entscheiden. Das Hauptziel ist dabei der Wechselkurs. Ein schwächerer Euro gegenüber dem Yen und dem Dollar würde das Wachstum durch billigere Exporte anschieben. Wahrscheinlich gibt es ein Limit für negative Zinssätze. Aber ich glaube, dass die EZB noch tiefer gehen könnte.

Das würde die Margen der Banken noch stärker belasten.
Natürlich sind derart niedrige Leitsätze schlecht für die Zinsmarge, aber für Banken wie uns gibt es auch Vorteile. Wir haben uns in den Jahren 2011 oder 2012 mit erheblichen Risikoaufschlägen refinanziert. Heute liegen unsere Finanzierungskosten deutlich niedriger. Und das Niedrigzinsumfeld kann helfen, Kapital für unsere schnell wachsende Vermögensverwaltung anzulocken.

Das klingt, als wären Sie ein Fan der Politik von EZB-Präsident Mario Draghi.
Auf lange Sicht sind negative Zinsen sicher nicht haltbar. Aber ich denke, dass die Geldpolitik für Versicherungen und Pensionsfonds schädlicher ist als für Banken. Wenn Sie heute als Versicherer adäquate Renditen verdienen wollen, müssen Sie in riskantere Anlagen wie Private Equity oder Hedgefonds ausweichen. Also kann man derart niedrige Zinsen nicht für immer aufrechterhalten. Ansonsten drohen nicht nur im Banken-, sondern auch im Versicherungssektor Systemrisiken.

Viele Aufseher halten den europäischen Bankenmarkt noch immer für überbesetzt. Rechnen Sie mit großen Fusionen?
Wenn man über internationale Zusammenschlüsse nachdenkt, dann muss man wirklichen Wert für die Aktionäre schaffen. Meiner Meinung nach ist der Nutzen solcher Fusionen nicht klar.

Wie sieht es mit Zusammenschlüssen in Italien aus?
Das ist etwas anderes. Hier kann man Werte für die Eigentümer schaffen, zum Beispiel durch die Integration der italienischen Volksbanken.

Diese Banken sind groß – und daher gefährlich
Klasse 1
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Der Finanzstabilitätsrat teilt die Banken in fünf Klassen ein. In der ersten Klasse befinden sich laut der vorgesellten Liste 18 Banken, die nicht als besonders systemrelevant gelten – eine mehr als im Vorjahr. Sie müssen nur ein Prozent Kapitalzuschlag vorhalten. Unter diesen nicht besonders gefährlichen Banken befinden sich Geldhäuser wie die Schweizer Großbank UBS, die Société Générale, die Santander, Credit Agricole, die Royal Bank of Scotland und die Bank of China. Neu hinzugekommen in diese Gruppe ist die US-Bank Morgan Stanley, die im Vorjahr noch einen höheren Kapitalpuffer vorhalten musste.

(Foto: ap)
Klasse 2 – Morgan Stanley
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Die amerikanische Großbank Morgan Stanley landet auf Platz 11. Sie muss 1,5 Prozent Kapitalzuschlag vorhalten. Seit der weltweiten Finanzkrise konzentriert sich Morgan Stanley stärker auf die Vermögensverwaltung. Damit soll das Geschäft weniger schwankungsanfällig werden.

(Foto: Reuters)
Klasse 2 – Mitsubishi UFJ FG (MUFG)
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Die Mitsubishi UFJ FG (MUFG) muss ebenfalls 1,5 Prozent Kapital als Zuschlag vorhalten. Zu der japanischen Holdinggesellschaft gehört die Bank of Tokyo-Mitsubshi UFJ. Die Bankengruppe gehört im japanischen Leitindex Nikkei neben Toyota, Toshiba und Sony zu den Schwergewichten. Japanische Banken wie die MUFG profitieren derzeit von der extrem expansiven Geldpolitik der japanischen Notenbank. Sie erzielen bessere Ergebnisse als ihre schwächelnden Konkurrenten in Europa.

(Foto: AFP)
Klasse 2 – Goldman Sachs
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Auch die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs wird als „systemisch“ eingestuft, sie muss 1,5 Prozent Kapitalzuschlag vorhalten. Im Sommer litt die Bank unter der Flaute an den Märkten. Ein florierendes Beratungsgeschäft bei Fusionen und Übernahmen (M&A) konnte das dritte Quartal nicht retten: Der Nettogewinn brach um mehr als ein Drittel ein.

(Foto: ap)
Klasse 2 – Credit Suisse
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Die zweitgrößte Schweizer Großbank Credit Suisse gilt als gefährlicher als ihr Konkurrent UBS. Der neue Chef der Bank, Tidjane Thiam, baut das angeschlagene Institut derzeit kräftig um. Er kündigte eine Kapitalerhöhung, einen Sparplan und einen Vorstandsumbau an. Aufschlag: 1,5 Prozent.

(Foto: ap)
Klasse 2 – Bank of America
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Das größte Kreditinstitut der USA, die Bank of America, landet auf Platz 7 (Aufschlag: 1,5 Prozent). Die Bank hat die Finanzkrise überstanden und schreibt inzwischen wieder schwarze Zahlen.

(Foto: Reuters)
Klasse 3 – Deutsche Bank
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Die Deutsche Bank ist das einzige deutsche Geldhaus, das vom Finanzstabilitätsrat als systemrelevant eingestuft wird. Sie muss zwei Prozent Kapital vorhalten. Der britische Neu-Chef John Cryan greift momentan durch und zeigt mit einem umfangreichen Stellenabbau und dem Streichen der Dividende Härte.

(Foto: Reuters)

Für Ihre Bank haben Sie Zusammenschlüsse in Italien ausgeschlossen. Sind Sie glücklich mit Ihrer aktuellen Position?
Ja. Ich kann nicht erkennen, wie wir durch eine Fusion Wert schaffen könnten. Wir sind in einer besonderen Position, weil wir zwar eine auf Italien konzentrierte Bank sind, aber gleichzeitig unter den wertvollsten europäischen Geldhäusern rangieren. International wollen wir vor allem in der Vermögensverwaltung wachsen. Vor kurzem haben wir unser Private Banking in London ausgebaut. Und wir werden unsere Präsenz in der Schweiz stärken.

Sie waren gerade auf Werbetour in London und New York. Haben die Investoren das Vertrauen in Europa und Italien zurückgewonnen?
In den vergangenen Monaten haben die Investoren ihre Erwartung an das Wachstum auf globaler Ebene nach unten angepasst. Aber für Europa sagen sie zumindest keine Rezession voraus, und für Italien ist die Stimmung sogar noch etwas positiver.

Aber ist Europa im Moment nicht ein gefährlicher Ort? Die Folgen der Finanzkrise sind noch immer spürbar, die Schuldenkrise ist lange nicht vorbei, dazu kommt die Flüchtlingskrise. Haben Sie Angst, dass die EU auseinanderbricht?
Nein, das glaube ich nicht, und auch die meisten Investoren sehen das nicht so. Aber wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die Grenzen in Europa offenzuhalten. Ein Abschotten wäre gefährlich – nicht nur mit Blick auf die Wirtschaft, sondern auch psychologisch.

Wäre eine Abkehr vom Schengen-Abkommen zum freizügigen Reisen ein Wendepunkt für die EU?
Ja, das wäre ein Fehler der Politiker in Europa. In dieser Phase brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Integration. Ein gemeinsamer Wirtschaftsminister könnte ein gutes Symbol sein für den Willen, die EU zu stärken. Die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland sind für den Erfolg Europas ein Schlüsselfaktor.

Mario Draghi hat immer gewarnt, dass die EZB mit ihrer Geldpolitik nur Zeit kauft für politische Reformen. Verschenken die Politiker diese Zeit?
Mario Draghi und der EZB-Rat haben ganz klar die Führungsrolle in Europa übernommen. Die Politiker tun ihren Job und arbeiten in die richtige Richtung, aber die Geschwindigkeit der EZB ist viel höher als die der Politik.

Was ist mit Premier Matteo Renzis Reformen in Italien?
Er tut das Richtige, auch für die Reputation Italiens. Der Leitstern der Regierung ist die Einhaltung der EU-Regeln. Aber es gibt natürlich Schwachstellen wie die öffentliche Verschuldung. Man darf diese Verschuldung nicht nur im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sehen, sondern auch zum Vermögensstand und zu den Spareinlagen in Italien, die unglaubliche neun Billionen Euro betragen.

Herr Messina, vielen Dank für das Interview.

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