Investmentbanking Fusionen, Anleiheemissionen und Börsengänge: 2021 wird ein extrem gutes Jahr für Investmentbanken

Den deutschen Finanzstandort im Fokus.
Frankfurt Es lohnt sich wieder, das lange gescholtene Investmentbanking. Wie aus Daten des Analysehauses Refinitiv hervorgeht, entwickelt sich 2021 das Eventgeschäft kräftig – also das Geschäft mit Kapitalmarktmaßnahmen wie Fusionen und Übernahmen (M&A), Aktien- und Anleiheemissionen sowie Börsengängen (IPOs).
Von Jahresbeginn bis Mitte September nahmen die Investmentbanker in Deutschland demnach Gebühren von 2,5 Milliarden Dollar ein. Das ist zwar ein Minus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, 2020 stach jedoch auch mit 3,0 Milliarden Dollar als absolutes Rekordjahr heraus. Blickt man auf die langfristige Entwicklung, dann stellen die 2021er-Zahlen die zweitbesten seit Beginn der Analyse im Jahr 2000 dar.
Die Analyse von Refinitiv (ehemals Thomson Reuters) liegt dem Handelsblatt vor. Sie zeigt die Gewinntreiber im Investmentbanking und legt offen, welche Großbank besonders profitierte – und welche Federn lassen musste.
Ein Blick auf die Volumina bestätigt die trotz der Corona-Pandemie anhaltende Belebung der Kapitalmärkte im laufenden Jahr. So stieg das M&A-Volumen mit deutscher Beteiligung auf 169 Milliarden Dollar – ein Plus von 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und der höchste Wert seit 2018.
Das Volumen von Aktienemissionen (ECM), etwa im Zuge von Kapitalerhöhungen und Börsengängen, stieg um 14 Prozent auf 28 Milliarden Dollar, den höchsten Wert seit 2011. Nur das Volumen der Anleiheemissionen sank: Im sogenannten DCM-Bereich ging es um elf Prozent abwärts auf 330 Milliarden Dollar.
Übersetzt heißen die Zahlen: Die Unternehmen in Deutschland sind 2021 stark an den Kapitalmärkten aktiv. Sie stemmten deutlich mehr Fusionen und Übernahmen als im Vorjahr und gaben mehr Aktien aus. Nur im Bondbereich zeigten sie sich etwas zurückhaltender.
„Der globale M&A-Markt steuert auf ein Rekordjahr zu“, prognostiziert Jens Maurer, Co-Investmentbankchef bei Morgan Stanley. Der Aufschwung werde „über alle Regionen hinweg getragen“, insbesondere von den USA. „Der gute wirtschaftliche Ausblick, hochattraktive Finanzierungskonditionen, starke Kapitalmärkte und hohe Zuversicht in den Vorstandsetagen begünstigen das M&A-Klima.“
Deutsche Bank legt weiter zu
Für die hierzulande tätigen Investmentbanken ist die Belebung ein Segen, verdienen sie doch bei jedem Deal mit. Die höchsten Einnahmen erzielen die Banker traditionell im Anleihebereich: Die Gebühren aus DCM-Maßnahmen beliefen sich laut der Analyse 2021 auf eine Milliarde Dollar, ein Plus von acht Prozent. Im ECM-Bereich stiegen die Gebühreneinnahmen noch stärker: Hier ging es um satte 42 Prozent auf 486 Millionen Dollar nach oben.
Rückläufig waren die Gebühreneinnahmen im M&A-Geschäft: Sie sanken um 23 Prozent auf 639 Millionen Dollar. Offenbar lieferten sich die Banken angesichts des Wettlaufs der Unternehmen bei Fusionen und Übernahmen einen verschärften Preiskampf.
Für Freude dürfte die neue Erhebung in den Doppeltürmen der Deutschen Bank sorgen. Das Geldhaus war durch seine langjährige Krise im Investmentbanking abgerutscht. 2020 musste es sich bei den Gebühreneinnahmen aus dem Eventgeschäft mit einem zweiten Platz begnügen, im ersten Quartal 2021 sogar mit einem dritten: eine Schmach auf dem Heimatmarkt.
In den ersten neun Monaten dieses Jahres hat die Deutsche Bank den Spitzenplatz nun zurückerobert: Der Platzhirsch erzielte Gebühreneinnahmen von 219 Millionen Dollar. Auf Platz zwei bis vier folgen die US-Banken JP Morgan, Goldman Sachs und die Bank of America Securities. Mit Unicredit, BNP und Barclays finden sich neben Deutscher Bank und Commerzbank immerhin drei europäische Häuser in den Top Ten.
Schmerzlich ist die Entwicklung für die Schweizer Credit Suisse. Die Züricher Investmentbanker waren 2020 noch auf Platz drei der Rangliste vertreten – 2021 sind sie ganz herausgefallen. Offenbar zu beschäftigt mit eigenen Skandalen, waren die Schweizer bei vielen großen Deals nicht vertreten.
Für den Rest des Jahres erwarten viele Branchenbeobachter eine weiterhin starke Entwicklung. So glaubt Tibor Kossa, Co-Chef M&A bei Goldman Sachs, an einen weiteren Aufschwung im Herbst und Winter. „Nach der Pandemie steht das Wachstum wieder klar im Vordergrund. Das wird auch über Zukäufe erfolgen“, etwa in Richtung USA, sagt er.
Trendthema Nachhaltigkeit
Überstrahlt wird das Geschehen am deutschen Kapitalmarkt von der geplanten 35-Milliarden-Dollar-Übernahme in der Immobilienbranche: Die hiesige Nummer eins, Vonovia, steht nach dem Scheitern im ersten Anlauf inzwischen kurz davor, sich die Mehrheit an der Nummer zwei, Deutsche Wohnen, zu sichern. Laut Refinitiv ist das die viertgrößte Übernahme eines deutschen Unternehmens seit Beginn der Aufzeichnungen 1980 und die neuntgrößte Firmentransaktion mit deutscher Beteiligung. Mehr wurde in Deutschland nur für den Telekommunikationsriesen Mannesmann gezahlt (ging 1999 für fast 203 Milliarden Dollar an Vodafone), für den Industriegaseproduzenten Linde (ging 2016 für knapp 40 Milliarden Dollar an Praxair) und für den Energieanbieter Innogy (ging 2018 für fast 39 Milliarden Dollar an Eon).
Als Treiber der Entwicklung am Kapitalmarkt gilt 2021 das Thema ESG, also die Berücksichtigung von Ökologie, Sozialem und der Unternehmensführung bei Investmententscheidungen. „Aktivistische Investoren setzen zunehmend auf ESG-Kampagnen, wie zuletzt etwa bei Exxon Mobil.
Viele Unternehmen stellen sich aktuell strategisch neu auf und versuchen, ihr Geschäftsmodell auch mit Zukäufen nachhaltiger zu gestalten“, erklärt Christopher Droege, Co-Chef M&A bei Goldman Sachs. Armin von Falkenhayn, Deutschlandchef der Bank of America, glaubt: „Die Berücksichtigung der ESG-Kriterien zieht sich mittlerweile durch alle Segmente des Investmentbankings. Das zeigt sich zum Beispiel im Emissionsgeschäft für Euro-Anleihen, wo schon mehr als 20 Prozent aller Emissionen auf Green Bonds entfallen.“ Die Investoren fragten heute aktiv nach und sähen „Greenwashing“, also das Vorspiegeln von Öko-Engagement, sehr kritisch.
Ende des Spac-Hypes
So schnell, wie es gekommen ist, so rasch ist ein anderes Trendthema auch schon wieder passé: Spacs, also Börsenmäntel, in die Investoren Geld stecken, bevor das Übernahmeziel, meist ein Start-up, gefunden ist. Der Hype um die neuartigen Finanzvehikel ist auch in Deutschland deutlich verblasst.
Zwar dürften insbesondere neue Sektoren, etwa der Technologiebereich, auch in Zukunft boomen, ist man bei JP Morgan überzeugt. Aber Spacs sind nicht unbedingt das Mittel der Wahl für junge Unternehmen, um an Investorengeld zu kommen.
„Eine erhebliche Anzahl an Spacs befindet sich auf der Suche nach geeigneten Zielunternehmen. Ob alle ein geeignetes finden werden, sei dahingestellt“, erklärt Tobias Heilmaier, Co-Chef Investmentbanking bei JP Morgan in Frankfurt. „Stark im Fokus von Investoren steht auch die Frage, ob im Anschluss an die Einigung mit einem Zielunternehmen die Finanzierung gelingt.“
Dennoch könnte das Zusammengehen mit einem Spac neben einer M&A- oder einer Aktienmarkttransaktion auch in Zukunft eine Strategieoption für junge Unternehmen sein – „trotz des abgeflauten Sentiments“, so Heilmaier. „Auch wenn zuletzt rund 80 Prozent der Spacs unter dem Wert von zehn Dollar notierten, stehen einige sehr gute Teams bereit.“ Ein geeignetes Marktfenster vorausgesetzt, sei eine „mittlere einstellige Zahl an Transaktionen im deutschen Markt durchaus noch möglich“.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.