Jamie Dimon Erst Krebs, jetzt das Herz: Warum der Chef von JP Morgan trotzdem weitermacht

Der JP-Morgan-Chef erwirtschaftete 2019 einen Gewinn von 36,4 Milliarden Dollar. Das hatte zuvor noch nie eine Bank geschafft.
New York Seit Jahren ist Jamie Dimon vorbereitet. Seine beiden operativen Vorstände sind ein eingespieltes Team und in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden. Vor zwei Jahren gab er ihnen den Titel „President“, was in Amerikas Unternehmenswelt signalisiert, dass sie Anwärter auf den Chefposten sind. Es war Teil eines Notfall-Nachfolgeplans, falls dem Chef von Amerikas größter Bank etwas zustoßen sollte. Am Donnerstag dann trat der Ernstfall ein.
Dimon hat sich laut Medienberichten selbst ins Krankenhaus eingewiesen, nachdem er Schmerzen in der Brust verspürt hatte – noch bis kurz vor der Notoperation am Herzen schrieb er E-Mails mit Anweisungen. Dann, nach der OP, die gute Nachricht der Klinikärzte: „Er ist bei Bewusstsein, munter und erholt sich gut.“
Dimon ist der am längsten amtierende Chef einer Wall-Street-Bank und der Einzige, der schon während der Finanzkrise als Vorstandschef agierte. Für einen CEO gibt es nie eine gute Zeit, um auszufallen. Doch gerade jetzt, wo es Panikverkäufe an den Aktienmärkten gibt und die Welt gegen das hochansteckende Coronavirus kämpft, wird Dimon besonders vermisst.
„Herr Dimon gilt in turbulenten Zeiten als Ruhepol in der Bankenwelt. Ihn nicht an der Spitze von JP Morgan zu haben sehen wir daher leicht negativ“, sagte Brian Kleinhanzl, Analyst der Investmentbank KBW. Immerhin habe Dimon eine ganze Reihe starker Topmanager aufgebaut, die seinen Posten übernehmen könnten.
Trainer, nicht Chef
Stärker als andere Bankenchefs hat Dimon ein starkes Team um sich geschart. Er sehe sich eher als Trainer denn als Chef, sagen Mitarbeiter. Seine operativen Vorstände, Daniel Pinto und Gordon Smith, sind in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden. Pinto führt die Unternehmens- und Investmentbank, Gordon das Verbrauchergeschäft. Damit decken sie 80 Prozent der Erlöse ab. Auch hat Dimon, der JP Morgan seit 2006 leitet, deutlich mehr weibliche Führungskräfte aufgebaut als andere Bankchefs.
Marianne Lake war lange Jahre Finanzchefin und leitet nun das milliardenschwere Geschäft mit Konsumentenkrediten. Ihre Nachfolgerin ist Jennifer Piepszak, die ebenfalls als aufstrebender Star der Bank gilt. Die Vermögensverwaltung wird von Mary Callahan Erdoes geleitet.
Beim Investorentag Ende Februar gab sich Dimon voller Tatendrang. Er sprach von „riesigen Chancen, in jedem Geschäftsbereich organisch zu wachsen.“ Auch für Zukäufe zeigte er sich offen, angetrieben von Konkurrent Morgan Stanley, der kurz vorher den Onlinebroker E-Trade für 13 Milliarden Dollar geschluckt und damit die größte Übernahme seit der Finanzkrise vollzogen hatte.
„Wir werden Konkurrenz von Apple, Amazon, Facebook, Google, WeChat und Alipay sehen“, sagte Dimon. Das betreffe Bezahldienste genauso wie digitale Banking-Angebote und andere Bereiche. „Wenn es um Übernahmen geht, dann sollten wir sehr, sehr kreativ sein.“
Dimon, der Mitte März 64 wird, war als klarer Sieger aus der Finanzkrise hervorgegangen. Er übernahm Teile der krisengeschüttelten Investmentbank Bear Stearns sowie den kleineren Konkurrenten Washington Mututal und machte im vergangenen Jahr 36,4 Milliarden Dollar Gewinn – mehr, als jemals eine Bank verbuchen konnte.
Der Vater dreier Kinder hat bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass er ein Kämpfer ist – beruflich wie privat. Nach der Finanzkrise kritisierte er immer wieder die Politik und Aufseher für zu komplizierte und aufwendige Vorschriften und rief Unternehmen 2017 dazu auf, sich mehr für die Gesellschaft zu engagieren.
„Unternehmen haben gute Voraussetzungen, dabei zu helfen, erschwinglichen Wohnraum zu schaffen und Städten zu zeigen, wie sie ihre Wirtschaft ausbauen können“, sagte er 2018 im Handelsblatt-Interview. 2014 wurde bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert, den er erfolgreich besiegte. „Seitdem lebe ich bewusster“, räumte er ein Jahr später ein. Doch einfach aufhören und in Rente gehen, das wollte er nie. Seine Vertragslaufzeit war Anfang des Jahres zum Gegenstand von Diskussionen geworden.
2018 sagte er, sein Vertrag laufe „noch ungefähr fünf Jahre“. Anfang 2020 sagte er genau das Gleiche: „Es sind noch fünf Jahre“, antwortete Dimon im Gespräch mit Journalisten – weiter wollte er das nicht kommentieren.
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