Kapitalregeln für Banken EU-Aufsicht unterstützt Bankenreform „Basel IV“

Die Aufseher wollen Reformen ohne Abstriche.
Frankfurt Die EU-Bankenaufsichtsbehörde Eba hat sich für eine vollständige Umsetzung der internationalen Bankenreform ausgesprochen, die Ende 2017 international vereinbart wurde. Eine komplette Einführung „trägt zur Glaubwürdigkeit der EU-Bankenbranche bei und stellt einen gut funktionierenden globalen Bankenmarkt sicher“, begründete die Eba ihre Empfehlung.
Das Reformpaket gilt als Schlussstein der Reformmaßnahmen, die nach der Finanzkrise 2008 von den G20-Staaten in Auftrag gegeben wurden. Erarbeitet wurden die Vorschläge vom Baseler Bankenausschuss, einem Gremium aus den Bankenaufsehern aus 28 Staaten.
Die Reform, im Fachjargon oft „Basel IV“ genannt, ist in der Europäischen Union (EU) umstritten. Vor allem Vertreter der Banken bekämpfen sie. „Die neuen Kapitalanforderungen treffen die europäische Wirtschaft in einem Moment äußerster Unsicherheit. Wenn die Banken gezwungen werden, ihre Kreditvergabe einzuschränken, sind negative Folgen unausweichlich“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), Christian Ossig, dem Handelsblatt.
Viele Banken hoffen, dass die EU-Kommission wie früher auch schon in einzelnen Punkten abweichen wird. Denn die Reformen des Baseler Ausschusses, in dem neun EU-Staaten sowie die EU Mitglied sind, sind rechtlich nicht bindend. Der für Finanzmarktregulierung zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis hatte deshalb eine „gründliche und detaillierte Folgenabschätzung“ angekündigt und offengelassen, ob die EU allen Vorgaben folgen will.
Die Eba argumentiert, die neuen Standards würden Besonderheiten des europäischen Bankenmarkts stärker als früher berücksichtigen, und spricht sich deshalb für ihre Umsetzung ohne Abstriche aus. Deshalb stellt sich die Behörde auch gegen bestimmte Sonderregeln der EU.
Das gilt zum Beispiel für die Frage, wie viel Eigenkapital Banken einsetzen müssen, wenn sie Kredite an mittelständische Unternehmen vergeben. In der EU gilt für solche Darlehen eine Art „Rabatt“, der es Banken erlaubt, etwa 24 Prozent weniger Eigenkapital vorzuhalten, als international empfohlen wird. Die Basel-Vorgaben sehen nun einen Rabatt von 15 Prozent vor – das macht aus Eba-Sicht den EU-Sonderweg überflüssig. Auch Sonderregeln für Infrastrukturkredite solle die EU aufgeben.
Dass eine vollständige Umsetzung des Bankenreformpakets für einige Banken hart werden könnte, bestreitet die Eba dabei gar nicht. Ihre Auswirkungsstudie unter 189 Kreditinstituten aus 19 EU-Ländern kommt zu dem Schluss, dass der Branche hartes Kernkapital – also Aktienkapital und einbehaltene Gewinne – in Höhe von 91,1 Milliarden Euro fehlt. Die Kapitallücke fällt quasi nur bei großen Banken an, wobei 60 Prozent der Summe bei den global systemrelevanten Instituten anfallen, also bei den größten der großen Geldhäuser.
Selbst wenn man einkalkuliert, dass die Banken bis zur Einführung neuer Regeln im Jahr 2027 noch Geld verdienen und ihre Kapitaldecke aufbessern können, bleibt eine Lücke von 40,6 Milliarden Euro. „Es ist überraschend, dass die deutlich höheren Kapitalanforderungen als gewünschter Nebeneffekt verharmlost werden“, sagt BdB-Mann Ossig.
Bei Bankenaufsehern stößt er damit auf taube Ohren. „Veränderungen im individuellen Kapitalbedarf sind kein ärgerlicher Nebeneffekt der Reform, sondern gewünscht“, sagte der für Bankenaufsicht zuständige Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. „Die Reform muss spürbar sein, damit sie wirkt.“ Wuermeling hält auch die Warnungen vor einer schlechteren Kreditversorgung der Wirtschaft für übertrieben. „Solche Warnungen gibt es bei Regulierungsreformen regelmäßig; bewahrheitet haben sie sich nie“, sagte er.
Wuermeling verweist darauf, dass die Eba konservativ gerechnet hat. Der tatsächliche Anstieg des Kapitalbedarfs werde „voraussichtlich deutlich niedriger“ liegen. „Der deutsche Bankensektor wird durch die neuen Anforderungen nicht überfordert.“
Am härtesten ist für die großen europäischen Banken die Einführung des sogenannten „Output-Floors“. Laut Eba ist dieser Output-Floor der wichtigste Treiber für den höheren Kapitalbedarf der EU-Banken. Er schränkt deren Möglichkeiten ein, durch eigene Risikokalkulationen ihren Kapitalbedarf zu berechnen. Denn wie viel Eigenkapital eine Bank benötigt, hängt vom Risikogehalt ihrer Geschäfte ab. Je riskanter ein Geschäft, desto mehr Kapital ist nötig.
Untergrenze schmerzt
Für die Kalkulation dieses Risikos gibt es zwei Modelle: Vor allem kleinere Institute nutzen einfach Standardvorgaben der Bankenaufseher. Größere Banken kalkulieren diese Risiken aber oft selbst. Die Ergebnisse dieser internen Modellrechnungen fallen meist viel günstiger aus als die Resultate des Standardmodells. Mit internen Modellen konnten Banken also viel Kapital sparen. Die Modelle waren aber umstritten, weil Banken Risiken damit kleinrechnen konnten.
Der Output-Floor soll künftig die Vorteile begrenzen, die Banken aus eigenen Risikomodellen ziehen. Unterlässt man dies, „würde das die Glaubwürdigkeit der internen Modelle von EU-Instituten infrage stellen“, warnt die Eba. Künftig soll deshalb der intern errechnete Kapitalbedarf den durch das Standardmodell errechneten Wert nur um maximal 27,5 Prozent unterschreiten dürfen.
Alles in allem ist die Eba überzeugt, dass die Vorteile, die die EU-Banken aus einer höheren Glaubwürdigkeit ziehen, den „insgesamt begrenzten“ höheren Kapitalbedarf überwiegen, zu dem die härteren Vorschriften führen. Die Banken dürften das anders sehen.
Offen ist nun, wie die EU-Kommission damit umgeht. Ein EU-Sprecher sagte, für die Wettbewerbsgleichheit im globalen Bankenmarkt sei es wichtig, dass die „Schlüsselelemente“ der Baseler Vereinbarung in allen wichtigen Rechtsräumen eingeführt würden. Ob die EU diesem Ziel zuliebe auch bestehende Sonderregeln wie den Mittelstandsrabatt kippt, sagte er nicht.
Mehr: Lesen Sie im Gastkommentar, warum das Baseler Abkommen eine Gefahr für die Konjunktur sein könnte.
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