KfW Kreditmarktausblick Konjunkturflaute lässt Kreditneugeschäft schrumpfen

Die KfW prognostiziert im Neugeschäft ein Minus von acht Prozent im ersten und von zehn Prozent im zweiten Quartal.
Frankfurt Die Corona-Pandemie und die damit verbundene Konjunkturflaute schlägt sich immer deutlicher auf den Kreditmarkt durch. Im vierten Quartal ist die Vergabe neuer Darlehen an Unternehmen und Selbstständige im Vergleich zum Vorjahr um 4,3 Prozent geschrumpft. Es ist der erste Rückgang seit dem Sommer 2016. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Kreditmarktausblick der KfW, der dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
Ein schrumpfendes Kreditneugeschäft ist für Banken und Unternehmen ein Warnsignal. Aus Sicht der Banken bedeutet ein Rückgang geringere Verdienstmöglichkeiten im für sie wichtigen Zinsgeschäft. Volkswirtschaftlich ist es ein Indikator dafür, dass Unternehmen weniger investieren – und damit auch weniger wachsen.
In der ersten Jahreshälfte war das Kreditgeschäft noch sprunghaft gestiegen, weil viele Unternehmen sich mit Liquidität vollgesogen hatten. Das ist nun vorbei. Und das Minus im Neugeschäft dürfte sich im ersten Quartal dieses Jahres noch verschärft haben. Die KfW prognostiziert ein Minus von acht Prozent im ersten und von zehn Prozent im zweiten Quartal.
Einen deutlicheren Rückgang gab es zuletzt während der Finanzkrise 2009. „Der Rückgang des Kreditvolumens ist aber, anders als während der Finanzkrise, vor allem durch die geringe Nachfrage seitens der Unternehmen getrieben“, sagt die KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Damals sei das Minus viel stärker ausgefallen, weil die Banken keine Kredite vergeben konnten oder wollten.
Dass sich weniger Unternehmen um Bankfinanzierungen bemüht haben, geht auch aus verschiedenen Untersuchungen wie der vierteljährlichen Bundesbank-Umfrage „Bank Lending Survey“ oder der KfW-ifo-Kredithürde hervor. Aus Sicht der KfW gibt es einen beruhigenden und einen beunruhigenden Grund für den gedämpften Kredithunger vieler Firmen und Selbstständigen.
Die volkswirtschaftlich negative Ursache für die Zurückhaltung: „Der Rückgang der Kreditnachfrage geht einher mit einem Rückgang der Investitionen“, erläutert Köhler-Geib. Das Minus bei den Investitionen ist ihrer Beobachtung nach zwar weniger stark ausgefallen als in der Finanzkrise. „Blickt man aber auf den Mittelstand, sieht man, dass die Investitionsneigung dort sehr viel stärker eingebrochen ist“, warnt die KfW-Chefvolkswirtin.
Weniger Investitionen, stabilere Liquiditätslage
Die harmlosere Erklärung ist, dass viele Unternehmen ihre Liquiditätslage stabilisieren konnten, dank staatlicher Finanzhilfen und durch entsprechende Anpassungen der Firmen selbst. Dafür sprechen unter anderem die Bankeinlagen von Unternehmen, die zuletzt gestiegen sind. Hinzu kommt, dass Unternehmen von den 47 Milliarden Euro, die die KfW im letzten Jahr an Corona-Hilfskrediten zugesagt hat, erst 70 Prozent abgerufen haben. „Das zeigt aus unserer Sicht, dass die Unternehmen auch noch Reserven haben“, kommentierte das KfW-Chef Günther Bräunig.
Die Situation der einzelnen Wirtschaftszweige am Kreditmarkt unterscheidet sich allerdings enorm: Im Bereich Verkehr, zu dem auch Reiseveranstalter zählen, ist der Darlehensstand innerhalb eines Jahres um 19 Prozent gewachsen, zeigt eine Auswertung der Unternehmensberatung Barkow Consulting. Im Bereich Gastronomie wuchs der Kreditbestand immerhin um zehn Prozent.
Die Deutsche Bank bezeichnet diesen enormen Sprung in einer aktuellen Analyse als ein „krisenhaftes, zweistelliges Wachstum“, ermöglicht „nicht zuletzt dank staatlicher Hilfskredite“ und verweist auf die Rettungspakete für „große Reiseveranstalter“ – also etwa Tui – und die „steigende Verschuldung von Eisenbahnunternehmen“ – also etwa die Deutsche Bahn -, „die beide unter geringen Einnahmen leiden“.
Die Zuwächse im Kreditgeschäft mit dem Baugewerbe sowie bei Wohnungsunternehmen dürften dagegen eher dem fortgesetzten Wachstum im Immobilienbereich geschuldet sein. Auf Jahressicht rückläufig entwickelte sich vor allem das Kreditgeschäft mit Leasingfirmen oder Unternehmen aus der Metall- oder Glaserzeugung. Auch die Kreditvergabe an Handelsunternehmen schrumpfte der Analyse der Deutschen Bank zufolge.
Die geringere Nachfrage der Firmen nach Darlehen scheint jedoch nicht der einzige Grund für das schrumpfenden Kreditgeschäft zu sein. Auch die Gespräche der Unternehmen mit ihren Banken werden komplizierter, zeigt ein Blick auf die KfW-ifo-Kredithürde. Dieser Indikator gibt den Prozentanteil der Unternehmen an, die das Bankverhalten in Kreditverhandlungen als „restriktiv“ bezeichnen.
Firmen klagen über restriktivere Banken
Zuletzt klagte etwa jedes fünfte Unternehmen über restriktivere Banken. Am schwersten hatten es danach kleine Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich sowie Großunternehmen aus dem Bauhauptgewerbe, dem verarbeitenden Gewerbe und dem Einzelhandel. Daten der Unternehmensberatung Barkow Consulting zeigen zudem, dass Banken die Margen für Darlehen in der zweiten Jahreshälfte erhöht haben.
„Der Zugang der Unternehmen zu Krediten hat sich erschwert“, räumt Köhler-Geib ein. „Von einer Kreditklemme sind wir aber noch weit entfernt. Der Anteil der Unternehmen, die Schwierigkeiten hatten, an Darlehen zu kommen, war während der Finanzkrise 2009 etwa doppelt so hoch“, sagt sie.
Allerdings dürften die staatlichen Hilfskredite maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich viele Unternehmen ohne größere Probleme Geld leihen konnten. Immerhin machte allein die Förderbank im Jahr 2020 Kreditzusagen in Höhe von 47 Milliarden Euro. Damit ist das Corona-Hilfsprogramm bereits jetzt schon dreimal so groß wie das Hilfspaket der KfW während der Finanzkrise.
Zum Vergleich: Der Kreditbestand an Unternehmen und Selbstständigen wuchs 2020 – ohne Berücksichtigung von Baufinanzierungen – einer Analyse der Unternehmensberatung Barkow Consulting zufolge um 55 Milliarden Euro.
Wie es um die Kreditvergabebereitschaft der deutschen Banken wirklich bestellt ist, wird sich allerdings erst zeigen, wenn die Konjunktur wieder anspringt und die Unternehmen Finanzierungen benötigen, um ihre Produktion wieder hochzufahren und um zu investieren. In diesen Momenten steigt der Kreditbedarf sprunghaft an. Die KfW geht von einer konjunkturellen Erholung in der zweiten Jahreshälfte aus.
Verbesserte Stimmung im Mittelstand?
Erste Anzeichen für eine Erholung gibt es. So hat sich die Stimmung unter mittelständischen Unternehmen in Deutschland im März zum zweiten Mal in Folge aufgehellt, zeigt das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer. Zwar blieb das Urteil zur aktuellen Geschäftslage noch immer unter der Nulllinie, die für den langfristigen Durchschnitt steht. Doch die Geschäftserwartungen erreichten erstmals seit Ausbruch der Pandemie wieder einen leicht positiven Wert. Bei den Großunternehmen stieg die Stimmung noch deutlicher an.
Eine volkswirtschaftliche Erholung könne allerdings nur stattfinden, wenn die Kreditvergabe in Gang komme, sagt auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Christian Ossig. Die Hoffnung der Branche sei, „dass die Kreditnachfrage im Rahmen der wirtschaftlichen Erholung deutlich stärker ist, als das, was die Banken im vergangenen Frühjahr geleistet haben, als die Unternehmen ihre Liquiditätspuffer aufgefüllt haben“.
Mehr: Förderbank KfW rechnet mit Corona-Krediten in Höhe von zehn Milliarden Euro
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