Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Klimawandel Banken ringen um mehr Nachhaltigkeit

Das französische Geldhaus Natixis hat einen radikalen Ansatz für grünere Finanzierungen entwickelt. Das Konzept ist in der Branche heftig umstritten.
02.03.2020 - 18:32 Uhr Kommentieren
Die französische Natixis-Bank hat einen sogenannten Greenweighting-Faktor entwickelt, den sie auf ihr gesamtes Portfolio anwendet. Quelle: Reuters
Photovoltaik-Park in Frankreich

Die französische Natixis-Bank hat einen sogenannten Greenweighting-Faktor entwickelt, den sie auf ihr gesamtes Portfolio anwendet.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Es war eine mutige, vielleicht sogar eine wegweisende Entscheidung. Im vergangenen Herbst beschloss die französische Bank Natixis, im Investmentbanking und im Unternehmensgeschäft alle Finanzierungen an den Konsequenzen für das Klima und die Umwelt auszurichten.

Dafür hat die Investmentbank der französischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken einen sogenannten Greenweighting-Faktor entwickelt, den sie auf ihr gesamtes Portfolio anwendet. Diese Methode sorgt dafür, dass die internen Berechnungen der Bank grüne Projekte belohnen und schmutzige Projekte bestrafen.

Es ist die bislang radikalste Lösung, die ein Geldhaus entwickelt hat, um sein Kreditportfolio und seine Finanzierungspolitik möglichst schnell und entschieden auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Ökologischer Wandel und grüne Investments sind seit vielen Monaten beherrschende Trends in der Branche.

Vor ein paar Tagen beschrieb Ex-Bundesbankvorstand Andreas Dombret das Thema Nachhaltigkeit in einem Gastkommentar für das Handelsblatt als „unausweichliche Priorität“. für Banken, Versicherer und Asset Manager. Auch die EU setzt bei ihren Anstrengungen, doch noch die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, massiv auf die Steuerungsfunktion der Finanzmärkte.

Die Aufseher machen ebenfalls Druck. Sie treibt die Sorge über die Klimarisiken um, die in den Bilanzen der Geldhäuser schlummern. Denn im Kreditgeschäft finanzieren immer noch viele Banken Klimasünder oder Kunden, denen Schäden durch den Klimawandel drohen. Diese Risiken sind schwer zu messen.

Aber sie sind so gefährlich, dass die Ratingagentur Standard & Poor’s im vergangenen Jahr sogar vor einer „Herausforderung für die Stabilität des Finanzsystems“ warnte. Deshalb haben die europäischen Aufseher die großen Geldhäuser in der Euro-Zone verpflichtet, ab dem Jahr 2022 ihre Umwelt- und Nachhaltigkeitsrisiken offenzulegen.

„Braune“ Deals kosten mehr

Mit dem Greenweighting-Faktor will Natixis beide Seiten des Problems angehen: Klimarisiken in der Bilanz realistisch bewerten und gleichzeitig grüne Finanzierungen fördern. Der Plan mag konsequent sein, aber er ist in der Branche auch heftig umstritten. Kritiker fürchten, dass vor allem der zweite Teil – die Belohnung grüner Investments – zu einer verzerrten Kapitalallokation führt. Im schlimmsten Fall könnten sich die Banken neue Klumpenrisiken in die Bilanzen holen. Die größten Skeptiker warnen gar vor einer grünen Blase in den Bankbüchern und an den Märkten.

Diese Bedenken will Orith Azoulay, verantwortlich für grüne und nachhaltige Finanzierungen im Bereich Corporate- und Investmentbanking, bei Natixis nicht gelten lassen. 18 Monate lang habe die Entwicklungsarbeit für den Greenweighting-Faktor gedauert. Jetzt seien Datenbasis und Methode so ausgereift, dass die Bank die Umwelt- und Klimarisiken in ihrem Portfolio wirklich verstehen und bewerten könne. „Wir kamen zu der Schlussfolgerung, dass die risikogewichteten Aktiva der beste Weg sind, um diese Risiken zu managen“, sagt die Expertin.

Jeden Kredit, den Banken vergeben, müssen sie je nach Qualität und Art der Finanzierung mit Kapital unterlegen, die sogenannten risikogewichteten Aktiva. Je weniger eine Bank für einen Kredit zurücklegen muss, desto höher fallen die risikogewichteten Erträge für einen Kredit aus.

Der neue Greenweighting-Faktor von Natixis funktioniert folgendermaßen: In ihren internen Kalkulationen berechnet die Bank für „grüne“ Finanzierungen bis zu 50 Prozent weniger risikogewichtete Aktiva. „Braune“ Deals, die der Umwelt und dem Klima schaden, bekommen dagegen einen Aufschlag um bis zu 24 Prozent. Die Folge: Haben zwei Finanzierungen das gleiche Kreditrisiko, hätten die Natixis-Banker mit der neuen Methode einen starken Anreiz, sich für das grünere Projekt zu entscheiden.

Jede einzelne Finanzierung, die zur Entscheidung ansteht, bekommt einen Farbcode, der auf einer siebenstufigen Skala von dunkelbraun bis dunkelgrün reicht. Dieses Verfahren wendet die Bank aber nicht nur auf neue Deals an, sondern auch auf ihr bestehendes Portfolio. Bislang sind 70 Prozent erfasst. Gemessen an den risikogewichteten Aktiva fallen 51 Prozent aller risikogewichteten Aktiva von Natixis in die Kategorie braun, 26 Prozent sind neutral und 23 Prozent grün.

Nimmt man die Nominalwerte als Maßstab, dann liegt der Anteil brauner Engagements bei 38 Prozent, während die grünen Finanzierungsprojekte auf 43 Prozent kommen.

Mit seiner Initiative geht „Natixis über das Mindestmaß hinaus und übernimmt eine gewisse Vorreiterrolle“, meint Christoph Betz, Partner bei der Beratungsgesellschaft KPMG. Aber Betz sieht auch die Schattenseiten des Konzepts: „Kritiker befürchten, dass der Greenweighting-Faktor zu einer Fehlallokation von Kapital führen könnte, dass also mehr Kapital in grüne Projekte fließt, als wirtschaftlich sinnvoll wäre.“

Graham Clapp vom britischen Vermögensverwalter RWC Partners geht noch einen Schritt weiter. Er warnt vor einer Blase an den Kapital- und Finanzmärkten, ähnlich der, die sich Ende der 90er-Jahre im Technologiebereich aufblähte. „Wir glauben daran, Kapital in Unternehmen zu investieren, die sich an Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit und gutem Management orientieren. Aber das darf nicht dazu führen, dass fundamentale Kriterien vernachlässigt werden“, warnt Crapp.

Investoren würden derzeit Geld in Unternehmen pumpen, nur weil sie das Etikett Klimaschutz tragen, unabhängig davon, wie viel Substanz dahinterstecke. Als Beispiel nennt Crapp, dass Gewinnwarnungen des weltgrößten Herstellers von Offshore-Windturbinen dem Aktienkurs in keiner Weise geschadet hätten. Tatsächlich sorgte die Warnung des dänischen Konzerns Orsted, dass Windfarmen vor der Küste nicht so viel Strom produzieren werden wie ursprünglich geplant, nur für eine kurze Kurskorrektur, bevor die Aktie auf neue Höchststände kletterte.

Grafik

Die Furcht vor einer grünen Blase an den Börsen lässt sich auf die Bilanzen der Banken und ihre Kreditvergabe übertragen. Deshalb zögern viele Häuser, dem Beispiel von Natixis zu folgen.

„Es gibt eine ganze Menge, was die Branche im Kampf gegen den Klimawandel tun kann, jenseits der Bevorzugung grüner Projekte bei den internen Berechnungen“, meint Richard Burton, Chef des Corporate- und Investmentbankings der italienischen Großbank Unicredit. Er ist überzeugt davon, dass „die Kreditrisiken im Mittelpunkt stehen sollten, wenn es um die Entscheidung für oder gegen eine Finanzierung geht“. Das gelte selbstverständlich auch für ökologische Projekte.

Natixis-Expertin Azoulay betont, dass der Greenweighting-Faktor nur einer von vielen Maßstäben sei, die in Finanzierungsentscheidungen einfließen. „Natürlich löscht er nicht all die anderen Faktoren aus, die in der Summe unser Risikomanagement ausmachen.“ Die Bankerin berichtet von ermutigendem Feedback auf die Ökoinitiative der Bank. „Kunden und Investoren schätzen es, dass wir ein robustes und einfaches Werkzeug für die Entscheidungsfindung entwickelt haben.“ Auch von den Aufsehern gebe es viel Interesse an der Idee der französischen Bank.

Misstrauische Aufseher

Allerdings ist dieses Interesse nicht immer wohlwollend. Das Thema Risiko sollte bei der Beurteilung von Finanzanlagen und Krediten immer die zentrale Rolle spielen – diese Herangehensweise habe sich in den zehn Jahren seit der Finanzkrise bewährt, betonte Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kürzlich. Leider würden Finanzrisiken immer häufiger zugunsten anderer Ziele in den Hintergrund geschoben, das gelte auch für die „nachhaltige Finanzwirtschaft“.

Unstrittig ist dagegen auch für Hufeld und andere Aufseher, dass die Finanzfirmen ihre Klimarisiken explizit erfassen und bewerten sollen. „Der Trend in der Branche geht eindeutig zu mehr Transparenz, das zeigen Beispiele wie der Terra-Ansatz von ING“, meint KMPG-Experte Betz.

Die niederländische Großbank hat für ihr 600 Milliarden Euro großes Kreditbuch neun Bereiche identifiziert, die zentral für den Klimaschutz sind, von der Energieerzeugung über die Automobilbranche bis hin zu Stahl- und Zementherstellern. In diesen Bereichen will die Bank ihr Engagement so steuern, dass es in Übereinstimmung mit den Pariser Klimazielen steht.

Im Herbst des vergangenen Jahres veröffentliche ING einen ersten Zwischenbericht zum Terra-Projekt. Das Ergebnis: Für fünf der neun Bereiche hat die Bank eine Messmethode entwickelt und Ziele für die CO2-Reduzierung festgelegt, die vier übrigen sollen in diesem Jahr folgen. In den Bereichen Energieerzeugung und Zement liegt die Bank mit ihren CO2-Abbauzielen im Plan, in der Automobilbranche und bei Wohnimmobilien darunter. Bei den gewerblichen Immobilien verfügt ING noch nicht über die nötige Datenbasis, um die Fortschritte präzise genug zu messen.

ING sieht vor allem zwei Ansätze, um die selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen. Zum einen will die Bank ihre bestehenden Kunden dabei unterstützen, ihren Kohlendioxid-Ausstoß zu verringern. Der zweite Weg ähnelt im Ansatz dem Natixis-Projekt: ING denkt darüber nach, die eigene Kapitalallokation in Richtung klimafreundlicherer Finanzierungen zu verschieben. „ING hat eine Verantwortung dafür, welche Wahl wir treffen, wen wir finanzieren und wen nicht“, heißt es in dem Fortschrittsbericht.

Trotz aller Kontroversen rund um den Greenweighting-Faktor will Natixis an seinem Konzept festhalten. Auch weil die Initiative einen wichtigen Vorteil biete: Die Vorgaben helfen nach Meinung von Azoulay, die Bank schnell und entschieden auf Nachhaltigkeit zu trimmen: „Der Greenweighting-Faktor ist ein sehr gutes Instrument, um echten Wandel innerhalb einer Organisation voranzutreiben“, meint die Expertin.

Mehr: Umstrittener Klimaschutz: Wie grün kann die EZB-Geldpolitik werden?

Startseite
Mehr zu: Klimawandel - Banken ringen um mehr Nachhaltigkeit
0 Kommentare zu "Klimawandel: Banken ringen um mehr Nachhaltigkeit"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%