Kommentar Schützt die Banken – nie waren sie so wertvoll wie heute

Dunkle Wolken über dem Frankfurter Bankenviertel. Der Coronavirus hinterlässt auch bei den Banken Spuren. Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Frankfurt Nie waren sie so wertvoll wie heute. Ob die Pläne der nationalen Regierungen, der EU und der Europäischen Zentralbank zur Immunisierung der Wirtschaft gegen das Coronavirus funktionieren werden, hängt ganz entscheidend von den Banken ab.
Die Institute sind die zentrale Verteilstelle für Liquidität in der Wirtschaftswelt: Stockt die Versorgung, gerät schnell das gesamte ökonomische System in Gefahr. Das macht die Banken so gefährlich, aber auch so wertvoll. Deshalb haben die Staaten die Geldhäuser in der von der Branche selbst verschuldeten Finanzkrise unter Schutz gestellt, und deshalb müssen sie sie auch jetzt vor Unheil bewahren – im absoluten Notfall auch wieder mit Kapitalbeteiligungen.
Im Unterschied zu damals dürfte es den Verantwortlichen heute deutlich leichter fallen, den Banken zu helfen. Denn dieses Mal sind die Institute nicht schuld an der Misere, sondern gehören selbst zu den Opfern. Anders als vor zwölf Jahren sind die Banken Teil der Lösung – und nicht Teil des Problems.
Bislang kann man Aufsehern, Notenbankern und Politikern keinen Vorwurf machen. Von kleineren Verzögerungen abgesehen, haben sie entschlossen gehandelt und die Banken konsequent unterstützt und entlastet. Anders als zu Zeiten der Lehman-Pleite wurde keine wertvolle Zeit damit vertan, darüber zu diskutieren, ob man sich von der reinen ordnungspolitischen Lehre verabschieden darf oder nicht.
Und doch: Die Gefahr, dass die schwere Wirtschaftskrise durch eine Finanzkrise verschärft wird, ist noch lange nicht abgewendet. Ob es gelingt, diese Doppelbedrohung zu verhindern, hängt entscheidend von zwei Parametern ab: Wie lange wird der Corona-Ausnahmezustand dauern? Und mit wie viel Widerstandskraft gehen die Banken in die Krise?
Die erste Frage kann derzeit niemand beantworten. Klar ist, je länger die Wirtschaft in einer Art Wachkoma gefangen bleibt, desto gefährlicher wird es für die Banken. Auf alle Institute kommen gewaltige Belastungen zu. Die Zahl der Firmenpleiten und Kreditausfälle dürfte – trotz aller Hilfsmaßnahmen – deutlich steigen. Und auch der Einbruch an den Märkten wird Spuren in den Bilanzen vieler Banken hinterlassen. Die Qualität der Bilanzen wird sich verschlechtern, die Einnahmen in vielen Geschäftsbereichen erodieren.
Deshalb ist die Antwort auf die zweite Frage so wichtig: Wie gut ist die Branche gegen solche massiven Rückschläge gewappnet? Generell gar nicht so schlecht. Schließlich haben die Aufseher ein Jahrzehnt damit verbracht, die Branche wetterfest für den nächsten Sturm zu machen.
Beim Ausbruch der Finanzkrise lag die Eigenkapitalquote der Deutschen Bank bei sieben Prozent, heute sind es 13,6 Prozent. Die Commerzbank füllte ihre Kapitalpuffer von 5,4 Prozent auf 13,4 Prozent auf. In Europa kommen die größten Banken im Schnitt auf eine Eigenkapitalquote von knapp 14 Prozent. Auch die Qualität der Kreditbücher hat sich deutlich verbessert. Das Verhältnis von faulen Darlehen zu allen Ausleihungen sank in der EU bis zum Herbst 2019 auf 2,9 Prozent, Ende 2018 lag die Kennzahl noch bei 3,2 Prozent.
Aber leider taugen diese pauschalen Zahlen nur bedingt als Beruhigungsmittel. Viele europäische Geldhäuser gehen geschwächt in die Coronakrise. Die Kapitalquoten mögen robust sein, die Gewinne sind es nicht. Besonders gefährdet sind Banken, die noch immer an ihrem Geschäftsmodell herumlaborieren und eigentlich vollauf mit Sanierungs- und Umbauarbeiten beschäftigt sind. Dazu zählen leider auch die Commerzbank und die Deutsche Bank.
Aber vielleicht kommt die größte Gefahr für das Finanzsystem dieses Mal gar nicht von den Großbanken, sondern aus einer ganz anderen Ecke, von den sogenannten Schattenbanken. Zu dieser Spezies gehören Hedgefonds, Kreditfonds, Leasinggesellschaften und andere Spieler, die bankähnliche Geschäfte betreiben, aber nicht den gleichen strengen Regeln unterliegen.
Je länger die Pandemie und der Lockdown dauern, desto stärker wächst die Gefahr, dass diese Firmen Probleme bei der Refinanzierung über den Kapitalmarkt bekommen. Gerade Kreditfonds, die ähnlich wie Banken Darlehen an Firmen vergeben, haben einen regelrechten Boom hinter sich. Jetzt könnte sich das rasante Wachstum der vergangenen Jahre rächen, denn diese Fonds gelten als besonders konjunktursensibel, und mittlerweile gilt es ja beinahe schon als ausgemacht, dass die Weltwirtschaft vor der „Mutter aller Rezessionen“ steht.
Es würde zu diesen seltsamen Zeiten passen, wenn die Bedrohung für das Finanzsystem aus einer unerwarteten Ecke käme. Schließlich bestätigt sich gerade wieder einmal die Weisheit, dass man sich immer gegen die letzte und damit gegen die falsche Krise wappnet. Aber die Vorbereitungen waren trotzdem nicht umsonst, sie haben die Widerstandskraft der Banken gegen exogene Schocks wie Corona gestärkt. Wie lange das reichen wird, werden die nächsten Monate zeigen.
Mehr: Der Corona-Schock: Wie gut gerüstet sind Deutschlands Konzerne?
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.