Kontrolleure unter Druck EU-Kommission will nach Wirecard-Skandal mehr Transparenz schaffen

Die Interimschefin der Finanzmarktaufsicht Esma kritisiert die Hängepartie um die Berufung eines neuen Esma-Vorsitzenden.
Brüssel Nach dem milliardenschweren Betrugsskandal rund um Wirecard will die EU-Kommission Konsequenzen aus der spektakulären Pleite des Zahlungsdienstleisters ziehen. In einem internen Diskussionspapier der Brüsseler Behörde, das dem Handelsblatt vorliegt, wird gefordert, die Berichtspflichten der Rechnungsprüfer zu verbessern, den Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden zu intensivieren und Informationen über die Überprüfung der Wirtschaftsprüfer öffentlich zu machen.
Die EU-Kommission werde alle notwendigen Lehren aus dem Versagen des früheren Dax-Konzerns Wirecard ziehen, um die Robustheit des EU-Rechts- und -Aufsichtsrahmens zu verbessern, heißt es.
Der Zusammenbruch von Wirecard hat europaweit hohe Wellen geschlagen. Im Sommer des vergangenen Jahres räumte der inzwischen insolvente Finanzdienstleister Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro ein. Laut Staatsanwaltschaft könnte es insgesamt um rund drei Milliarden Euro gehen.
In dem Arbeitspapier der EU wird nun vorgeschlagen, die europäische Transparenzrichtlinie zu ändern, um die jeweiligen Befugnisse der Finanzaufsichtsbehörden sowie das Verhältnis zwischen den einzelnen Behörden besser zu regeln.
Die Vorschläge aus Brüssel beginnen mit den Prüfungsausschüssen der Unternehmen. Die Autoren des Papiers schlagen vor, dass diese Ausschüsse künftig explizit auch die internen Kontrollen der Unternehmen zur Verhinderung von Betrug unter die Lupe nehmen. Außerdem sollten die Prüfungsausschüsse die Ergebnisse ihrer Arbeit öffentlich machen. Schließlich schlagen die Experten vor, dass nationale Behörden die Arbeit der Prüfungsausschüsse der Unternehmen überprüfen.
Finanzielle Haftung der Wirtschaftsprüfer soll verschärft werden
Auch für die Wirtschaftsprüfer sieht das Papier mehr Transparenzpflichten vor. Sie sollen künftig die Effizienz der internen Kontrollsysteme der geprüften Unternehmen öffentlich machen. Außerdem schlagen die Autoren vor, die finanzielle Haftung der Wirtschaftsprüfer für grob fahrlässige Fehler oder absichtliches Falschverhalten europaweit zu verschärfen.
Ein weiterer Vorschlag beschäftigt sich mit der Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer. Diese Aufseher könnten verpflichtet werden, ihre Ergebnisse bei der Überwachung der Prüfer in Kurzform zu veröffentlichen. Diese Praxis gebe es bereits in Irland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten.
Zuletzt hatte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (Esma) in einem Bericht Mängel an der deutschen Aufsichtspraxis und der Arbeit der Finanzaufsicht Bafin im Fall Wirecard festgesellt. Diese Kritik nimmt das EU-Papier auf: „Der Fall Wirecard hat gezeigt, dass das deutsche Aufsichtssystem in Bezug auf die Pflicht der Unternehmen, Finanzinformationen bereitzustellen, zwar EU-rechtskonform war, aber dazu beigetragen haben könnte, dass die Falschdarstellung der Unternehmensberichterstattung nicht rechtzeitig aufgedeckt wurde“, heißt es wörtlich.
Als einen Grund dafür nennt die Esma die deutschen Datenschutzbestimmungen. Deshalb schlagen die Autoren vor, die Transparenz innerhalb und zwischen den nationalen Behörden zu verbessern, sodass kritische Informationen weitergegeben werden können, ohne gegen Vertraulichkeitsverpflichtungen zu verstoßen.
Bereits im Herbst hatte das Europaparlament von der EU-Kommission und den zuständigen EU-Behörden gefordert, Konsequenzen aus den Mängeln in den EU-Rechtsrahmen für Rechnungsprüfung und Aufsicht zu ziehen. In der EVP, der größten Fraktion des Europäischen Parlaments, werden die Vorschläge des Arbeitspapiers zu den Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal vor allem als Kritik an der Bafin interpretiert. Die Kritik an der europäischen Finanzaufsicht hingegen fällt aus Sicht des wirtschaftspolitischen Sprechers der EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU), eher schwach aus.
„Die dünne Vorschlagsliste der Europäischen Kommission zeigt, dass wir keine systemischen Defizite bei der europäischen Finanzaufsicht haben“, ist Ferber überzeugt. „Im Wirecard-Fall hat die Bafin versagt, nicht die europäische Ebene. Wir sollten uns nichts vormachen: Auch das beste Aufsichtsrecht nützt nichts, wenn wie im Wirecard-Fall einerseits mit enormer krimineller Energie vorgegangen wird und andererseits so schludrig beaufsichtigt wird, wie das die Bafin gemacht hat.“
Punktuelle Verbesserungen bei der Corporate Governance, strengere Berichtspflichten der Rechnungsprüfer und ein besserer Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden könnten die Finanzaufsicht robuster machen, seien aber allein keine Wunderwaffe, warnte der Europapolitiker am Freitag.
„Die Probleme bei Wirecard hätte eine sauber arbeitende Finanzaufsicht schon deutlich früher aufdecken können. Für das Wirecard-Desaster tragen die BaFin-Spitze und das Bundesfinanzministerium die Verantwortung, nicht die europäische Ebene“, ist Ferber überzeugt.
Mehr: Inside Finanzaufsicht: Woran es bei der Bafin wirklich hapert
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