Kreditmarktausblick der KfW Durststrecke für Banken – Unternehmen zögern bei Krediten

Die Zurückhaltung vieler Unternehmen bei Investitionen und die Lieferengpässe bremsen die Nachfrage nach Krediten deutlicher als gedacht. Banken rechnen aber schrittweise mit einer Erholung am Finanzierungsmarkt.
Frankfurt Die Flaute bei Krediten an Unternehmen und Selbstständige ist ausgeprägter als gedacht: Die Förderbank KfW hat ihre Prognosen im aktuellen KfW-Kreditmarktausblick gesenkt. Sie geht nun davon aus, dass das Kreditneugeschäft im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 12,7 Prozent und im dritten Quartal um bis zu acht Prozent geschrumpft ist.
„Damit hat sich das Tempo der Talfahrt am Kreditmarkt gegenüber dem Beginn des Jahres nahezu verdoppelt“, heißt es in dem Ausblick, der dem Handelsblatt exklusiv vorab vorliegt. Einen noch höheren prozentualen Rückgang habe es zuletzt nur während der globalen Finanzkrise gegeben. Bislang hatte die KfW im zweiten Quartal mit einem Rückgang von neun Prozent und im dritten Quartal mit einem Minus von vier Prozent gerechnet.
Für die Finanzbranche ist das keine schöne Nachricht: Weniger Kredite bedeuten für die Institute auch geringere Zinseinnahmen. Zurückhaltend scheinen im ersten Halbjahr 2021 vor allem Unternehmen und Selbstständige gewesen zu sein. „Der Anteil der Unternehmen in Kreditverhandlungen mit Banken ist im zweiten Quartal in allen Größenklassen auf ein neues Tief gefallen“, schreibt die KfW.
Die Zurückhaltung speist sich aus mehreren Quellen. „Die Unternehmen verfügten auch wegen der Coronakredite noch über relativ viel Liquidität, viele Unternehmen haben ihre Kosten angepasst und fixe in variable Kosten umgewandelt“, sagt Hauke Burkhard, Leiter Unternehmensfinanzierung der Deutschen Bank. Hinzu kommt, dass sich die Auszahlungen aus staatlichen Zuschussprogrammen zwischen April und Juni noch beschleunigt hatten.
Doch das Rekordvolumen an Coronadarlehen erklärt die Schwäche am Kreditmarkt nicht allein, die gehe über einen „technischen Effekt“ hinaus, betont die KfW: Die Ausleihungen der Unternehmen seien immerhin auf das durchschnittliche Niveau des Jahres 2008 zurückgefallen.
Für das verhaltene Neugeschäft ist nach Beobachtung von KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib vor allem der geringe Bedarf der Unternehmen an Finanzierungen verantwortlich. „Zum einen erholen sich in vielen Wirtschaftsbereichen wieder die Umsätze, insbesondere bei Dienstleistungsunternehmen. Zum anderen liegt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen noch unter dem Vorkrisenniveau“, sagt sie.
Mittelstand ist vorsichtig
Ähnliche Beobachtungen macht auch Christine Rademacher, Leiterin des Bereichs Financial Engineering Corporate Banking bei der Commerzbank. „In Teilen des Mittelstands spürt man eine gewisse Vorsicht“, sagt sie. „Es gibt Kunden, die bislang praktisch jedes Jahr Investitionsprogramme aufgenommen haben und die aktuell aber vieles, was nicht unbedingt notwendig ist, noch verschieben. Die Folgen der Pandemie sorgen also vielfach noch für Unsicherheit.“
Die Aussagen der Kunden darüber, wann sie wieder aktiver werden wollen, seien sehr unterschiedlich: „In einigen investitionsintensiven Branchen, etwa bei Automobilzulieferern, steigt der Finanzierungsbedarf bereits wieder, andere Kunden wollen bis weit ins nächste Jahr abwarten“, sagt sie.
Die Förderbank rechnet nun aber damit, dass sich der Kreditmarkt in der zweiten Jahreshälfte allmählich erholt. „Wir gehen davon aus, dass wir den Tiefpunkt hinter uns gelassen haben und dass wir nach der Jahreswende wieder positive Wachstumsraten sehen werden“, so Köhler-Geib.
Das liegt auch daran, dass ein wichtiger Bremsfaktor wegfallen dürfte: die Lieferengpässe, die aktuell viele Produktionsbetriebe hemmen. „Die Lieferengpässe halten sich hartnäckiger als gedacht, doch die Nachfrage geht nicht verloren“, so Köhler-Geib. Sie erwartet, dass „die Beschränkungen durch die Lieferprobleme 2022 wieder abebben dürften und der Finanzierungsbedarf aufgrund anziehender Investitionsausgaben ansteigen wird“. Das würde dem Markt einen Wachstumsimpuls geben.
Mit einem Minus von acht Prozent prognostiziert die KfW für das Neugeschäft im dritten Quartal immerhin nur noch einen Rückgang im einstelligen Prozentbereich. Im vierten Quartal soll sich der Rückgang auf minus zwei Prozent dann noch einmal vierteln.
Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Firmenkundenbanker gehen von einer ähnlichen Entwicklung aus. „Wir rechnen im kommenden Jahr mit einer anziehenden Investitionstätigkeit und dann auch wieder mit positiven Wachstumsraten am Markt für Unternehmenskredite“, sagt die Commerzbankerin Rademacher.
Neben dem Investitionsbedarf dürfte aber auch „der Bedarf an Betriebsmittelkrediten in absehbarer Zeit bei vielen Unternehmen steigen, denn fast jeder Mittelständler ist von dem breitflächigen Preisanstieg bei Rohstoffen betroffen“, ergänzt sie.
Aus dem gleichen Grund geht auch der Deutsche-Bank-Manager Burkhardt von einer wachsenden Nachfrage nach Working-Capital-Darlehen aus. Er rechnet außerdem „im dritten und vierten Quartal mit einer Zunahme der Investitionen und der Akquisitionsfinanzierungen“.
Burkhardt beobachtet: „Mittlerweile nimmt die Investitionstätigkeit wieder zu, zum einen weil Firmen aufgeschobene Investitionen nachholen, zum anderen weil die ersten Unternehmen große Projekte und Investitionen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung auf den Weg bringen.“
Dass Investitionen im Bereich der Nachhaltigkeit zu einem wachsenden Finanzierungsbedarf führen, erwarten derzeit viele Banken. Zumindest mittelfristig rollen auf die Unternehmen deshalb hohe Ausgabenprogramme zu.
Zum einen wächst der Druck seitens der Gesetzgeber und Kunden auf viele Unternehmen, klimaneutraler zu wirtschaften. Zum anderen ist absehbar, dass auch Banken ihre Finanzierungsbereitschaft und die -konditionen zunehmend von der Bereitschaft der Unternehmen abhängig machen, nachhaltiger zu wirtschaften.
Künftig werde es für Banken immer unrentabler, „braune“ Unternehmen zu finanzieren, sagte die Vorständin der Landesbank Baden-Württemberg, Stefanie Münz, vergangene Woche in einem Vortrag an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe. „Kein Unternehmen wird auf Dauer überleben können, ohne sich damit auseinanderzusetzen“, erklärte sie.
Keine Furcht vor Pleitewelle
Sollte die Nachfrage nach Finanzierungen wieder steigen, dann scheint die Kreditvergabebereitschaft der Banken und Sparkassen keine große Hürde zu sein: „Die Institute haben ihre Restriktionen im Kreditgeschäft mittlerweile wieder vorsichtig entschärft“, sagt KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib.
Das liegt auch daran, dass Banken zum Teil weniger Risiken befürchten. „Wir sehen weiterhin keine Anzeichen für eine breite Insolvenzwelle in Deutschland“, sagte der Chef der Unicredit-Tochter Hypo-Vereinsbank, Michael Diederich, dem Handelsblatt. „Der Großteil der deutschen Wirtschaft ist nach wie vor sehr gut aufgestellt und im internationalen Vergleich bisher relativ glimpflich durch die Krise gekommen.“
Auf eine gewisse Entspannung hatte im Juli bereits die Bank Lending Survey der Bundesbank hingedeutet, eine Umfrage, bei der die Notenbank mehrere Banken nach ihrer Kreditpolitik befragt. Danach hatten die befragten Institute im zweiten Quartal erstmals seit Beginn der Coronapandemie wieder ihre Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen im Firmenkreditgeschäft gelockert.
Begründet hatten die Institute diese Lockerungen vor allem mit dem nach ihrer Einschätzung gesunkenen Kreditrisiko und ihrer gestiegenen Risikotoleranz. In der zweiten Jahreshälfte könnten der Umfrage zufolge allerdings einige Banken die Zügel wieder etwas straffen.
Die Unternehmen spüren die leichten Lockerungstendenzen, wie etwa die KfW-Ifo-Kredithürde zeigt, die Unternehmen zur Kreditvergabebereitschaft der Banken befragt. Danach kam der Mittelstand, vor allem im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor, wieder deutlich leichter an Bankkredite. Bei Großkonzernen gab es zwar eine kleine Gegenbewegung, doch für Großfirmen hatten sich die Bedingungen bereits zu Jahresbeginn sehr deutlich verbessert.
Die Zeiten billigster Zinsen scheinen aber dennoch vorüber zu sein: Denn Kalkulationen der Unternehmensberatung Barkow Consulting zufolge sind die Zinskosten für Unternehmen mittlerweile wieder kräftig gestiegen. Die Zinskosten verteuerten sich danach in den vergangenen Wochen um 0,2 Prozentpunkte auf zuletzt etwa 1,6 Prozent. Sie liegen damit auf dem höchsten Stand seit Anfang 2019.
Das bedeutet nicht zwingend, dass Banken mehr an diesen Krediten verdient hätten: Von Dezember 2020 bis Juli 2021 sind ihre Nettomargen immerhin von 1,52 Prozent auf 1,4 Prozent gesunken. Jüngere Daten liegen noch nicht vor, allerdings weiten sich Margen in Zeiten steigender Zinsen selten aus.
Mitarbeit: Christian Schnell
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