Kritik an Italien Zähe Chefsuche: Europäische Finanzmarktaufsicht Esma funkt SOS

Die Interimschefin der Finanzmarktaufsicht Esma kritisiert die Hängepartie um die Berufung eines neuen Esma-Vorsitzenden.
Frankfurt Steven Maijoor ist Ende März nach zehn Jahren an der Spitze der europäischen Finanzmarktaufsicht Esma abgetreten. Mehr als drei Monate später ist noch immer kein Nachfolger ernannt – und dies ausgerechnet in den turbulenten Zeiten von Corona und Brexit.
Die Interimschefin der Esma, Annelie Tuominen, hat deshalb einen Brandbrief an den zuständigen EU-Ratsvorsitzenden geschrieben, den slowenischen Finanzminister Andrej Sircelj. Tuominen, die als Chefin der finnischen Finanzaufsicht noch einen anderen Vollzeitjob hat, fordert darin eine schnelle Entscheidung über die Maijoor-Nachfolge.
Wegen der politischen Hängepartie habe die Esma aktuell keinen permanenten Chef, der strategisch die Richtung vorgebe, und es bestehe das Risiko, dass die Finanzmarktaufsicht ihre Aufgaben nicht effektiv erfüllen könne, warnt Tuominen.
Dies sei auch deshalb problematisch, weil es am europäische Kapitalmarkt große Herausforderungen gebe, auf die die Esma reagieren müsse. Dabei gehe es unter anderem darum, die Erholung der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie zu unterstützen und nachhaltige Finanzierungen voranzutreiben. „Hinzu kommt, dass die Risiken an den Märkten, für die die Esma zuständig ist, sehr hoch sind.“ Der Brief, über den auch mehrere andere Medien berichtet haben, liegt dem Handelsblatt vor.
Tuominen weist in dem Schreiben darauf hin, dass die Esma bereits im November 2020 eine Liste mit drei Kandidaten für den Chefposten vorgelegt hat. Darauf stehen die frühere portugiesische Finanzministerin Maria Luís Albuquerque, die langjährige Esma-Exekutivdirektorin Verena Ross und Carmine Di Noia von der italienischen Börsenaufsicht.
Deutsche Kandidatin gilt als Favoritin
Als Favoritin sehen viele in Brüssel die deutsche Verena Ross, die Ende Mai wie in den Regularien vorgesehen nach zehn Jahren als Esma-Exekutivdirektorin ausgeschieden war. Ross hat in Hamburg, Taiwan und London studiert und vor ihrer Zeit bei der Esma viele Jahre für britische Aufsichtsbehörden gearbeitet.
Manche Politiker hatten Ross nach dem Rückzug von Felix Hufeld auch als Kandidatin für den Chefposten bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin ins Spiel gebracht. Dieses Amt übernimmt im August nun jedoch Mark Branson, der bisherige Chef der Schweizer Finanzaufsicht Finma.
In Brüssel gibt es offensichtlich bei einigen südeuropäischen Staaten Widerstand gegen eine Berufung von Ross als neuer Esma-Chefin. Ihnen wäre der italienischen Finanzmarktaufseher Di Noia an der Spitze der Behörde lieber.
Der Europaparlamentarier Markus Ferber kritisiert die Blockade scharf. „Gerade von der italienischen Regierung unter Mario Draghi hätte ich mir ein bisschen mehr europäischen Geist und Kompromissbereitschaft gewünscht“, sagt der CSU-Politiker.
Dass der Europäische Rat die Berufung eines neuen Esma-Chefs seit Monaten auf die lange Bank schiebe, werfe ein schlechtes Licht auf die Handlungsfähigkeit der EU, kritisiert Ferber. „Die Europäische Union braucht eine handlungsfähige Finanzaufsicht.“ Seit dem Brexit sei im Finanzsektor viel in Bewegung gekommen. „Gerade jetzt können wir uns ein Führungsvakuum an der Esma-Spitze nicht erlauben.“
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