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Künstliche Intelligenz „Kundenverluste durch mangelnde KI“: Deutsche Banken verlieren technologisch den Anschluss

Die Finanzwirtschaft setzt große Hoffnungen in den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Doch die europäischen Banken bearbeiten das Thema nicht intensiv genug.
15.08.2021 - 10:24 Uhr Kommentieren
Beim Einsatz künstlicher Intelligenz haben Banken aus den USA und China die Nase vorn. Quelle: dpa
Ein Hochleistungscomputer, mit dem neuronale Netze berechnet werden.

Beim Einsatz künstlicher Intelligenz haben Banken aus den USA und China die Nase vorn.

(Foto: dpa)

Frankfurt Mit langfristigen, technisch anspruchsvollen Aufgaben kennt sich Christian Westermann bestens aus. Bevor der Schweizer in die Beraterbranche wechselte, arbeitete er fünf Jahre in der Weltraumforschung. 1996 wirkte er beim Bau von Sensoren für die Rosetta-Mission der ESA zur Erforschung des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko mit. Es dauerte bis 2004, bis die Sonde startete, und erst 2014 kamen die Instrumente schließlich zum Einsatz. Die gleiche Entschlossenheit und einen ähnlich langen Atem brauchen die Banken nach Westermanns Meinung, wenn sie Künstliche Intelligenz (KI) in ihre Strategie integrieren.

Heute arbeitet Westermann als Partner für die Beratung Bain. Die hat gerade die KI-Kompetenz von mehr als 40 führenden Banken weltweit analysiert. Das Ergebnis: Europas Banken haben beim Einsatz Künstlicher Intelligenz erheblichen Nachholbedarf, vor allem gegenüber den großen US-Instituten. Auch in China finden sich Vorreiter bei der Nutzung von KI.

Die deutschen Banken tun sich dagegen bislang schwer. Ihnen „drohen durch mangelnde KI-Nutzung Wettbewerbsnachteile und damit Kundenverluste“, heißt es in der Studie, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.

Die Erwartungen an KI in der Finanzbranche sind enorm: Bis zu eine Billion Dollar an zusätzlicher Wertschöpfung können die globalen Banken durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz erreichen, sagen die Berater von McKinsey voraus.

Über 25 konkrete Einsatzgebiete für KI haben die Experten identifiziert. Von der Kundenidentifizierung via Gesichtserkennung über Chatbots, mit denen Kunden einfache Finanzgeschäfte ganz ohne menschliche Beteiligung abwickeln können, bis zur Bekämpfung von Finanzkriminalität und zu automatisierten Finanzierungskonzepten für Unternehmen.

„KI eine der effektivsten Antworten“

Westermann sieht KI als „eine der effektivsten Antworten auf die fundamentalen Herausforderungen der Banken in diesem Jahrzehnt“. Die Geldhäuser könnten nicht nur ihre Kosten drücken, sondern auch ihre Risiken senken und durch Personalisierung maßgeschneiderte Produkte für ihre Kunden entwickeln.

Im Prinzip sehen die Banken das ähnlich. In einer Umfrage im Auftrag des Technologiekonzerns Nvidia gaben 83 Prozent der befragten Finanzunternehmen an, dass KI wichtig für ihren künftigen Erfolg sei. Rund ein Drittel glauben, dass sie durch den Einsatz von Algorithmen und Maschinenlernen ihre Umsätze um 20 Prozent und mehr steigern können. Als häufigste Einsatzgebiete nannten die Banken die Betrugsbekämpfung, Produktempfehlungssysteme für ihre Kunden und die Optimierung von Marketing und Vertrieb.

Zögerliche Europäer

Doch die Kompetenzen bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI sind offenbar sehr ungleich verteilt: „Viele europäische Banken agieren noch sehr zögerlich und hinken damit den US-Instituten hinterher, die inzwischen zum Teil einen mehrjährigen Vorsprung haben“, meint Westermann.

In der Analyse von Bain schaffte es nur ein einziger Europäer unter die Top-Institute. In der Gruppe der Vorreiter dominieren die großen US-Häuser. Von den fünf untersuchten deutschen Instituten reicht es nur bei einem für die zweitbeste Kategorie „Verfolger“, drei stufen die Berater als „vorsichtig“ ein, und eines als „Nachzügler“.

„Banken in den USA und China sind besser darin, künftige Kundenerwartungen zu antizipieren und diese unmittelbar im Markt zu testen“, meint Westermann. Die führenden Institute hätten eine systematische, auf mehrere Jahre angelegte Strategie für die Implementierung von KI in ihr gesamtes Geschäftsmodell. Als Beispiel nennt der Ex-Weltraumforscher den chinesischen Versicherer und Finanzdienstleister Ping An, der Jahr für Jahr ein Prozent seiner Einnahmen in Forschung und Entwicklung investiere.

Software für automatisierte Kreditentscheidungen

Ein Ergebnis dieser Forschung: Oneconnect, eine Tochter des Versicherungsriesen, hat eine Software für automatisierte Kreditentscheidungen entwickelt. Dabei nutzt Oneconnect auch die Analyse kleinster Gesichtsbewegungen via Smartphone-Kameras, um herauszufinden, ob ein Kunde kreditwürdig ist oder nicht.

Bei vielen europäischen und deutschen Banken genieße KI dagegen nicht die nötige Priorität und sei bislang meist nicht systematisch über Geschäftsbereiche hinweg in der Strategie verankert, moniert Westermann. Daher seien die Budgets häufig zu klein angesetzt. Zu oft gehe es um Einzelprojekte und um punktuelle Verbesserungen in Teilbereichen.

Als größte Hindernisse für einen systematischeren Einsatz von KI nennen die Banken in der Nvidia-Umfrage an erster Stelle den Mangel an Datenexperten, gefolgt von fehlender technischer Infrastruktur und einer zu kleinen Datenbasis. Auf dem vierten Platz folgen zu kleine Budgets.

Gefahr für das Firmenkundengeschäft

Besondere Gefahren sehen Westermann und seine Kollegen für das Firmenkundengeschäft der europäischen Häuser, da hier die Banken im direkten globalen Wettbewerb stehen. Gerade in diesem hart umkämpften Markt wüssten die US-Banken durch den konsequenten Einsatz Künstlicher Intelligenz mehr über die Bedürfnisse ihrer Kundschaft und könnten so Angebote rascher unterbreiten und individueller gestalten. Zudem profitierten die US-Häusern von einem höheren Automatisierungsgrad ihrer Prozesse.

Mittelfristig wird eine mangelnde KI-Kompetenz aber nach Einschätzung von Bain auch zulasten des Retail-Geschäfts gehen. Auch weil die Coronakrise die Akzeptanz von KI-gestützten Instrumenten deutlich erhöht habe. Das höhere Anspruchsniveau reiche bis zu einem reibungslosen 24-Stunden-Service an sieben Tagen in der Woche.

Als Beispiel für ein gelungenes KI-Projekt nennt Westermann den virtuellen Assistenten Erica der Bank of America. Dieser Sprachroboter wurde 2018 eingeführt. Mittlerweile haben ihn nach Angaben des Instituts rund 21 Millionen Kunden genutzt, allein im ersten Halbjahr 2021 wurden damit über 200 Millionen Anfragen abgewickelt, mehr als doppelt so viele wie in den ersten 18 Monaten nach dem Start von Erica.

Mehr: Die Stunde der Frauen: Das sind die 50 einflussreichsten Frauen der deutschen Tech-Branche

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