Londoner Börse LSE schafft mit Deal über 27 Milliarden Dollar einen Giganten an den Börsen

Mit dem Kauf von Refinitiv baut die Londoner Börse das lukrative Datengeschäft aus.
London, Frankfurt
Der Wettbewerb der internationalen Börsenbetreiber ist hart. „Fressen oder gefressen werden?“ Das ist die große Frage für viele Unternehmen – auch für die London Stock Exchange (LSE). Deren neuer Chef hat sich nun klar für „fressen“ entschieden. Nach einer ersten Ankündigung vor wenigen Tagen, dass die LSE die Übernahme des Finanzdatenanbieters Refinitiv prüfe, vermeldete Börsenchef David Schwimmer nun den entscheidenden Schritt: Beide Seiten haben sich offiziell auf die Details für die 27 Milliarden US-Dollar schwere Transaktion geeinigt.
Mit Refinitiv, der ehemaligen Finanzmarktsparte des kanadischen Medienkonzerns Thomson Reuters, die 2018 mehrheitlich vom US-Investor Blackstone übernommen worden war, stößt die LSE in neue Dimensionen vor. Es dürfte ein riesiger Konzern entstehen, wenn die beiden Unternehmen, wie von der LSE geplant, ihren Deal im zweiten Halbjahr 2020 abschließen. Zusammen hätten die beiden Unternehmen 2018 einen Jahresumsatz von umgerechnet rund 6,6 Milliarden Euro erzielt, mehr als doppelt so viel wie die Deutsche Börse.
Für die Frankfurter ist der geplante Deal ein Rückschlag – zumal die Deutsche Börse selbst ein Auge auf Teile des Refinitiv-Geschäfts geworfen hatte. Dieses Vorhaben wurde durch den Vorstoß der Londoner nun zunichtegemacht. Für die Briten hingegen ist der Zusammenschluss ein Erfolg.
Durch den Deal werde das Geschäft deutlich ausgebaut, frohlockte LSE-Chef Schwimmer bei der Ankündigung des Deals am Donnerstag. Die Kunden wollten immer mehr Asset-Klassen über mehr Märkte hinweg handeln. Dabei würden sie lieber mit wenigen Unternehmen arbeiten, die mehr Leistungen für sie übernehmen, erklärte er. Mit Refinitiv unter dem Dach der LSE sei das möglich.
Refinitiv unterhält mehrere Handelsplattformen wie FXAll und Matching, dazu einen Anteil an Tradeweb. Auf ihnen werden täglich Währungs- und Anleihetransaktionen im Volumen von mehreren Hundert Milliarden Dollar getätigt. Zudem gehören zu Refinitiv auch das in vielen Handelssälen zum Einsatz kommende Terminal Eikon und das Handelssystem Redi.
Refinitiv passe damit sehr gut zur LSE, meint Börsenexperte Russ Mould von der Investmentgesellschaft AJ Bell. Schon seit einiger Zeit habe der Konzern sein Analyse- und Datengeschäft ausgebaut, und nun werde die LSE zu einem noch härteren Konkurrenten von Bloomberg. Zugleich wird die LSE unabhängiger vom Aktiengeschäft, das seit Jahren an Bedeutung verliert. 2018 erwirtschaftete die LSE bereits fast 40 Prozent ihrer Konzernerlöse mit Informationsdienstleistungen.
Aufsicht muss zustimmen
Die bisherigen Eigentümer von Refinitiv lassen sich den Deal gut bezahlen. 27 Milliarden Dollar will die LSE über die Ausgabe neuer Aktien bezahlen. Die bisherigen Refinitiv-Eigentümer – der US-Investor Blackstone sowie der kanadische Informationskonzern Thomson Reuters – halten nach Abschluss der Transaktion noch einen Anteil von rund 37 Prozent und weniger als 30 Prozent der Stimmrechte an dem Unternehmen. Geführt wird der Konzern weiter vom derzeitigen LSE-Chef Schwimmer und dessen Finanzchef David Warren.
Noch ist nicht sicher, dass die Transaktion bei den Eigentümern und Wettbewerbshütern durchgeht. Eine Zustimmung der Investoren ist durchaus wahrscheinlich. In einer ersten Reaktion auf die Nachricht am Wochenende hatte die LSE-Aktie in London mit deutlichen Gewinnen reagiert. Aber an den Einwänden der Wettbewerbsbehörden war die LSE schon in der Vergangenheit gescheitert. 2017 musste deshalb die Fusion von LSE und Deutscher Börse endgültig abgesagt werden.
LSE-Manager Schwimmer gibt sich aber zuversichtlich, dass das dieses Mal nicht passieren wird: „Unsere Geschäfte ergänzen sich mehr, als dass sie sich überlappen“, sagte er. Mit dem Brexit habe der Vorstoß nichts zu tun, betonte Schwimmer. „Wir wollen globaler werden und diverser bei Asset-Klassen, und diese Transaktion hilft uns dabei“. Refinitiv ermögliche einen besseren Zugang zu den Märkten vor allem in Asien und Nordamerika. „Das war für uns ausschlaggebend, nicht der Brexit“.
Mehr: Die Londoner Börse plant, den Finanzdatenanbieter Refinitiv zu übernehmen. Die Prüfung der Wettbewerbsbehörden könnten über ein Jahr dauern.
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