Marco Morelli Italienischer Bankchef bricht ein Tabu

Dem Chef der Bank Monte dei Paschi werden gute Verbindungen in die italienische Finanzwelt nachgesagt.
Frankfurt Wer wäre nicht gern Chef der ältesten Bank der Welt? Seit September kann Marco Morelli dieses Privileg für sich in Anspruch nehmen – doch seine Freude darüber dürfte begrenzt sein. Denn der Monte dei Paschi di Siena droht seit Jahren das Aus.
Morelli wollte die Bank aus eigener Kraft auf eine stabile Kapitalbasis stellen. Doch sein waghalsiger Rettungsplan scheiterte, nun muss er den Steuerzahler um Beistand bitten: Rund 6,6 Milliarden Euro soll der italienische Staat aufbringen. Genau das wollte der 55-Jährige eigentlich verhindern. Aber die Aufgabe war selbst für einen erfahrenen Banker wie ihn eine Nummer zu groß.
Italiens Banken haben faule Kredite im Volumen von vielen Hundert Milliarden Euro in den Büchern stehen. Aber nirgends sind die Probleme so groß wie bei Monte dei Paschi. Negativschlagzeilen von der toskanischen Traditionsbank gehörten zum Finanzteil der Zeitung wie das Glas Wasser zum Espresso. Im September reichte Fabrizio Viola, der die Bank seit 2012 geführt hatte, seinen Rücktritt ein. Marco Morelli übernahm die Nachfolge. Sein Plan: nachrangige Anleihen der Bank in Aktien umwandeln und zugleich bei Geldgebern rund fünf Milliarden Euro einsammeln. Doch die Kapitalerhöhung scheiterte. Morelli hatte auf den Staatsfonds von Katar gesetzt, konnte die Scheichs aber nicht überzeugen. Die Folge ist ein unrühmlicher Präzedenzfall.
Eigentlich waren sich Europas Staatschefs nach der Finanzkrise einig, dass für Banken dasselbe gelten muss wie für jede andere Firma auch: Bei einer Pleite sollen Eigentümer und Gläubiger haften, nicht der Staat. Nun soll Italien nicht nur 4,6 Milliarden Euro in die Bank einschießen, sondern mit weiteren zwei Milliarden Euro auch die rund 40 000 Kleinanleger entschädigen, die Anleihen der Bank halten. Die Sparer für die Verluste von Monte dei Paschi bluten zu lassen wäre Rom und Brüssel zu heikel. Wenn die guten Vorsätze zur Bankenrettung aber schon bei einer mittelgroßen Bank ignoriert werden, was soll dann erst geschehen, wenn einem Finanzriesen die Pleite droht?
Morelli war angetreten, diesen Tabubruch zu verhindern – vergeblich. Dabei kennt er die Bank wie wenige andere Manager. Er studierte an der Universität Luiss in Rom und begann seine Karriere bei der Beratungsfirma KPMG, bevor er in die Finanzbranche wechselte. Von der US-Bank JP Morgan kam er 2003 zu Monte dei Paschi, stieg zum Finanzdirektor auf. In jener Zeit nutzte die Bank komplizierte Derivatgeschäfte, um Millionenverluste zu kaschieren. Morelli war einer der wenigen Manager, die laut Staatsanwaltschaft nicht in die dubiosen Deals verwickelt waren.
Der gebürtige Römer gilt als Arbeitstier. In seiner Freizeit fährt er Rad, läuft Ski und begeistert sich für Fußball. Ihm werden beste Verbindungen in die italienische Finanzwelt nachgesagt. Er wurde sogar als potenzieller Nachfolger für die Chefposten bei Unicredit und Intesa Sanpaolo, den beiden größten Banken des Landes, gehandelt. Studenten seiner Universität riet er einst, sich auf die eigene Urteilskraft zu verlassen. „Man wird Sie nach Ihrer Meinung zu einer Reihe von Dingen fragen“, sagte er 2015 bei einem Gastvortrag an seiner Alma Mater. „Also nehmen Sie sich Zeit und denken Sie nach, denn das ist es, was Ihren Lebenslauf aufbauen wird.“
Auch Morelli wird an seinen Entscheidungen gemessen werden. In Italien wird erwartet, dass er trotz der Staatsrettung Chef von Monte dei Paschi bleibt. Schließlich wird er gebraucht. Im kommenden Jahr dürfte die Bank mindestens 15 Milliarden Euro an Fremdkapital benötigen. So gesehen hat Morellis neuer Job gerade erst begonnen.
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