Minuszinsen Klage von Verbraucherschützern: Das Landgericht Berlin hält Negativzinsen der Sparda-Bank Berlin für unzulässig

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat gegen die Sparda-Bank Berlin geklagt und vor dem Landgericht Berlin recht bekommen. Das Verwahrentgelt für neue Konten ist demnach unzulässig. Die Bank geht in Berufung.
Frankfurt Der Streit um Negativzinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten geht in eine neue Runde – mit einem aktuellen Urteil. Demnach ist das Vorgehen der deutschen Geldhäuser unzulässig. Das Landgericht Berlin hat nach Handelsblatt-Informationen entschieden, dass die Sparda-Bank Berlin Minuszinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten nicht mehr erheben darf.
Das Gericht meint, die Berechnung eines Verwahrentgelts bei Girokonten sei „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren“ (Az. 16 O 43/21). „Die Klausel benachteiligt den Verbraucher daher unangemessen“, heißt es in dem Urteil. Auch Minuszinsen auf Tagesgeldkonten widersprächen den gesetzlichen Leitlinien. Die Bank soll daher das Verwahrentgelt „auf eigene Kosten zurückzahlen“.
Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). VZBV-Vorstand Klaus Müller zeigte sich erfreut über die Entscheidung: „Das Urteil ist der bislang weitreichendste Richterspruch zum Thema Verwahrentgelte.“ Das Gericht habe die Einführung von Verwahrentgelten für unzulässig erklärt und mache dies auch nicht davon abhängig, ob daneben ein Kontoführungsentgelt erhoben werde.
Müller zufolge sind inzwischen auch Sparerinnen und Sparer mit geringen bis mittleren Einkommen und Vermögen von Minuszinsen betroffen. „Wir wollen mit unseren Klagen für Rechtssicherheit sorgen und die Zulässigkeit von Verwahrentgelten im Interesse aller Verbraucherinnen und Verbraucher möglichst breitgefächert gerichtlich klären lassen.“ Wenn nötig, werde der VZBV bis vor den Bundesgerichtshof, das oberste deutsche Zivilgericht, ziehen.
Die Sparda-Bank Berlin, die zu den größeren Genossenschaftsbanken gehört, kündigte an, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. „Das Urteil des Landgerichts Berlin weicht von bisherigen Urteilen ab, welche Verwahrentgelte grundsätzlich zulassen“, erklärte sie auf Anfrage. Zudem halte sich die Bank an die seit 2019 mit der Finanzaufsicht Bafin abgestimmte Praxis, das Verwahrentgelt mit Bestandskunden ausdrücklich zu vereinbaren.
Klagen bringen Unsicherheit für die Finanzbranche
Die Sparda-Bank veranschlagt seit gut einem Jahr ein Verwahrentgelt für neue Girokonten. Es beträgt 0,5 Prozent pro Jahr bei einem Freibetrag von 25.000 Euro. Bei neuen Tagesgeldkonten fällt der Negativzins für Einlagen oberhalb von 50.000 Euro an – eine Praxis, die in der Kreditwirtschaft mittlerweile weitverbreitet ist.
Für die deutschen Banken und Sparkassen bedeutet das Urteil Unsicherheit. Sollten sich Minuszinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten letztlich als unrechtmäßig herausstellen, drohen der Branche hohe Rückzahlungen und ein Reputationsschaden.
Mittlerweile berechnen 413 Geldhäuser Negativzinsen auf Tagesgeld- und Girokonten, wie das Vergleichsportal Verivox mit Blick auf die Preisaushänge ermittelt hat. Das sind 130 Prozent mehr als Ende 2020 und entspricht einem Drittel der untersuchten Banken und Sparkassen – die selbst meist von „Verwahrentgelt“ sprechen.
Tatsächlich dürfte die Zahl laut Verivox noch höher sein, weil nicht alle Kreditinstitute die Konditionen frei zugänglich im Internet veröffentlichen. Mindestens 150 Kreditinstitute beschränken den Freibetrag für die Gesamteinlage pro Kunde auf 50.000 Euro oder weniger. Als Grund für die Einführung von Negativzinsen nennt die Branche den Strafzins, den sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für Kurzfristeinlagen berappen muss.
Die Geldhäuser gehen – wie die Sparda-Bank Berlin – davon aus, dass sie Verwahrentgelte bei neuen Giro- und Tagesgeldkonten erheben dürfen, wenn das per Preisaushang oder Preis- und Leistungsverzeichnis veröffentlicht wird. Mit Bestandskunden treffen sie individuelle Vereinbarungen dazu.
Streit um juristische Definition des Girokontos
Das sieht der VZBV anders. Er klagt gegen vier weitere Geldhäuser, deren Namen derzeit aber nicht bekannt sind. Die Verbraucherschützer meinen, dass Verwahrentgelte auf Giro- und Tagesgeldkonten grundsätzlich nicht erlaubt sind.
Laut ihrer Einschätzung ist das Verwahren von Einlagen auf dem Girokonto keine besondere Leistung, für die eine Bank ein Extra-Entgelt verlangen darf. Ohne eine Einlagenverwahrung sei die Erbringung von Zahlungsdiensten für das Girokonto zudem gar nicht möglich.
Im Fall von Tagesgeldkonten ist aus Sicht des VZBV die Bank der Darlehensnehmer und zur Zinszahlung verpflichtet. Ein Verwahrentgelt dürfe sie nicht verlangen. Die Kreditinstitute dagegen betrachten Girokonten in der Regel als „Typenmischvertrag“, bei denen sie ihrer Ansicht nach auch ein Verwahrentgelt veranschlagen können. Demnach dürften Geldhäuser beim Girokonto sowohl eine Gebühr als auch ein Extra-Verwahrentgelt verlangen. Ähnlich ist die Argumentation bei Tagesgeldkonten.
Auch ein ähnlicher Fall aus Sachsen könnte vor dem Bundesgerichtshof landen. Vor vier Monaten hatte das Landgericht Leipzig im Sinne der Sparkasse Vogtland geurteilt. Das Gericht hält ein Verwahrentgelt für neue Girokonten für zulässig (Az. 5 O 640/20). Es verwies unter anderem auf den unternehmerischen Aspekt: Zwar seien die Sparkassen gemeinwohlorientiert, sie müssten sich aber „auf der anderen Seite an Marktgegebenheiten ausrichten und wirtschaftlich agieren“.
Die Verbraucherzentrale Sachsen hatte geklagt. Sie hat inzwischen Berufung beim Oberlandesgericht Dresden eingelegt (Az. 8 U 1389/21).
Kritik an Argumentation der Banken
2014 hatte die EZB Minuszinsen für Kurzfristeinlagen von Geschäftsbanken eingeführt. Seit Herbst 2019 liegt der Strafzins bei 0,5 Prozent. Er gilt oberhalb eines bestimmten Freibetrags, was Banken bis zu einem gewissen Grad entlastet. Zudem können Kreditinstitute auch zu Negativzinsen bei der EZB Geld leihen, was die Effekte teils ausgleicht.
Auch deshalb greift der VZBV die Finanzbranche an. „Viele Banken argumentieren, die Negativzinspolitik der EZB würde sie geradezu zwingen, die Kosten an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Das ist aber nur die halbe Wahrheit“, kritisiert VZBV-Chef Müller. Die EZB gestatte „großzügige Freibeträge“ für dort geparkte Mittel. Die Finanzbranche betrachtet den Strafzins sowie Anleihekäufe der EZB indes als große Belastung für ihr Geschäft.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Hohe Inflation, Negativzinsen oder Verwahrungsentgelt machen sichtbar, dass es mit unserem Geld allmählich den Bach runter geht, während ein abgewirtschaftetes Wohngebäude ständig nominell an Wert gewinnt. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass man die Immobilie, die man vielleicht verkaufen möchte, nicht einem neuen Eigentümer überlässt, der sie vielleicht wieder auf den neuesten Stand der Technik bringen könnte. Negativzinsen treiben die Preise von nicht oder nur schwer vermehrbaren Gütern. Sie machen die Immobilienbesitzer reicher und die, die sowas nicht haben, ärmer. Und was hat der Mensch davon, wenn das Häuschen, das er bewohnt und sein eigen nennt, wenn es (vermögens-) inflationsbedingt plötzlich das Doppelte wert ist? Würde er sich anderswo eine entsprechende Immobilie kaufen, würde er für den Erlös auch nicht mehr bekommen und müsste obendrein Grunderwerbsteuer und Maklergebühren zahlen.
Irgendwie muss diese Dienstleistung des Girokontos bezahlt werden, sei es durch Gebühren oder durch Negativzins bei hohen Beträgen. Das sollten die Banken doch bitteschön klipp und klar sagen. "Kostenfrei" geht hat nichts auf Dauer. Da sollten auch die VZBV realistisch sein.
Was anderes sind die falsch berechneten Zinsen der Sparverträge, da hat man die Leute über den Tisch gezogen, von den ach so gemeinwohlorientierten kommunalen Sparkassen....
Die Hilflosigkeit der Gerichte und Banken ist das Ergebnis der schwachsinnigen EZB-Politik. Hätten die Politiker der stabilitätsorientierten (Nord-) Länder etwas mehr Mumm, würden sie Frau Lagarde und ihrer Truppe nicht zuletzt im Interesse der sorgsam wirtschaftenden Sparer gehörig auf die Finger klopfen. Passiert leider nicht, stattdessen wächst die EU-Skepsis aller Orten und die vielbeschworene Wertegemeinschaft stellt sich aus Sicht mancher (Klein-) Sparer eher als Wertevernichtungsgemeinschaft dar.