Mittelstandskredite Online-Kreditmarktplätze wollen Banken Marktanteile abnehmen

Kreditplattformen automatisieren und beschleunigen die Kreditvergabe.
Berlin Als sich die Kreditverhandlungen mit seiner Hausbank zu lange hinzogen, zog Pascal Schiefer Konsequenzen. Der geschäftsführende Gesellschafter der Carl Leipold GmbH, die Drehteile für Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen herstellt, sicherte sich eine Zwischenfinanzierung über den Online-Kreditmarktplatz Creditshelf.
Mittlerweile sei Creditshelf ein Baustein in der Finanzierungsstrategie, sagte Schiefer dem Handelsblatt. Später schloss das Familienunternehmen aus dem Schwarzwald, das 340 Mitarbeiter beschäftigt und auf einen Umsatz von rund 58 Millionen Euro kommt, noch einen weiteren Kredit über 2,5 Millionen Euro ab.
Digitale Kreditmarktplätze wie Creditshelf agieren aktuell noch in einer Nische. In einer repräsentativen Untersuchung von Mitte dieses Jahres bezifferte die KfW den Anteil des Kreditvolumens, der zwischen 2018 und 2019 über digitale Kreditplattformen durch den Mittelstand abgerufen wurde, auf zwei Prozent. Das entsprach einer absoluten Summe von rund 3,4 Milliarden Euro. In einer Analyse schätzen die Solarisbank und Barkow Consulting, dass digitale Kredite mittelfristig einen Marktanteil von sieben Prozent erzielen können.
Derzeit gibt es rund 20 digitale Kreditanbieter, die je nach Charakter als Marktplatz, Vergleichs- oder Vertriebsplattform agieren. Der Markt ist in Bewegung. Anbieter wie Funding Circle haben die Segel gestrichen, Bitbond hat seine Bafin-Lizenz für Anlagevermittlung, mit der Darlehen an Selbstständige und Kleinunternehmer vermittelt wurden, zurückgegeben.
Digitale Kreditmarktplätze haben einen Vorteil gegenüber Banken und Sparkassen, von denen viele aufgrund der zunehmenden Regulierung zudem vorsichtiger bei der Kreditvergabe werden: Sie treffen schnelle Entscheidungen. Creditshelf kann damit offenbar punkten: Das Neugeschäftsvolumen der digitalen Finanzierungsplattform für Unternehmen, das seit 2018 im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse notiert ist, stieg in den ersten neun Monaten um 58 Prozent auf rund 111 Millionen Euro.
Creditshelf will signifikant zweistellig wachsen
Branchenkreise halten über das gesamte Jahr ein Volumen von rund 150 Millionen Euro für realistisch. Daniel Bartsch, Marktvorstand von Creditshelf, hält mittelfristig signifikant zweistellige jährliche Wachstumsraten für gut möglich.
Für Schwung in der digitalen Mittelstandsfinanzierung dürfte nach Auffassung von Constantin Fabricius, Geschäftsführer des Verbands deutscher Kreditplattformen, die neue EU-Schwarmfinanzierungsverordnung (ESCPR) sorgen. Sie trat kürzlich in Kraft und ermöglicht die direkte Vergabe von Unternehmenskrediten über Kreditplattformen bis zu einer Höhe von fünf Millionen Euro.
Die jüngsten Basel-Vorschläge der Europäischen Kommission werden dazu führen, dass sich immer mehr Banken aus dem Segment zurückziehen werden, prognostiziert Fabricius. „Die Institute können sich die Mittelstandsfinanzierung durch die zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen schlicht nicht mehr leisten.“ Kreditplattformen könnten diese Lücke füllen.
Für viele Banken sind Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bereits jetzt unattraktiv. Die Eigenkapitalrendite von KMU-Krediten liege im langfristigen Durchschnitt bei 3,7 Prozent und damit unter den Eigenkapitalkosten der Banken von schätzungsweise acht Prozent, heißt es in einer Analyse von Barkow Consulting und Schweizer Teylor AG.
Daher sieht Bartsch von Creditshelf Banken und Online-Kreditmarktplätze nicht unbedingt im Clinch um Kunden. „Wir haben mittlerweile Vertriebsallianzen mit verschiedenen Sparkassen, Volksbanken und Großbanken, insbesondere der Commerzbank, geschlossen“, so der Marktvorstand. Diese Institute würden Kunden an Creditshelf verweisen, die von den Instituten aus unterschiedlichen Gründen selbst nicht oder nur teilweise bedient werden können.
Gewinn ab vermitteltem Kreditvolumen von 200 Millionen Euro
Alternativ kann Creditshelf Banken helfen, die ein digitales Produkt lancieren wollen. „Dabei könnte ich mir ein Co-Branding vorstellen. Wir stehen mit unserer Infrastruktur dann hinter dem Produkt.“ Spruchreif sei hier allerdings noch nichts.
Die Refinanzierung der Kredite bei Creditshelf erfolgt zu einem Drittel über Investoren direkt über die Plattform, zu einem Drittel durch die FIBR Bank und zu einem Drittel durch den eigenen Kreditfonds, in dem der Europäische Investitionsfonds als Ankerinvestor agiert. Das börsennotierte Unternehmen selbst hat schwarze Zahlen bereits im Visier. „Bei einem vermittelten Kreditvolumen von 200 Millionen Euro rückt der Break-even in greifbare Nähe“, sagt Bartsch. In den kommenden zwei Jahren stehen die Chancen gut.
Für die Risikoprüfung von KMU-Krediten ist Creditshelf zuständig, die Partner übernehmen die Kreditrisiken aber in ihre eigenen Bücher. Die Bruttoverzinsung vor Kreditausfällen und dem Servicing liegt bei neun Prozent, netto können die Investoren nach Angaben von Bartsch mit „stabil vier bis sechs Prozent“ rechnen.
Der Kreditfinanzierungspartner FIBR Bank (ehemals Amsterdam Trade Bank) ist von dem Geschäftsmodell offensichtlich überzeugt. Vor wenigen Wochen verdoppelte das Institut das Volumen seiner Investition in die von Creditshelf gemanagte Plattform auf 120 Millionen Euro.
Mehr: Bundesbank sieht keine Probleme bei Mittelstandsfinanzierung durch Basel-Reform.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.