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Nach dem Doppelrücktritt Commerzbank plant harte Einschnitte – Strategieprozess verzögert sich

Nach den überraschenden Abgängen von Vorstands- und Aufsichtsratschef sucht das Institut eine neue Spitze und Strategie. Klar ist: Es wird schmerzhaft.
06.07.2020 - 04:00 Uhr Kommentieren
Zahlreiche Mitarbeiter und Manager finden, dass sich viele Vorschläge von BCG auf dem Papier vielleicht gut anhören, sich aber nicht umsetzen lassen. Quelle: Bloomberg
Commerzbank

Zahlreiche Mitarbeiter und Manager finden, dass sich viele Vorschläge von BCG auf dem Papier vielleicht gut anhören, sich aber nicht umsetzen lassen.

(Foto: Bloomberg)

Frankfurt, Berlin Schockstarre bei Deutschlands zweitgrößter Privatbank: Nach den überraschenden Rücktrittsankündigungen von Vorstandschef Martin Zielke und seines Aufsichtsratschefs Stefan Schmittmann steht die Commerzbank mitten in der Coronakrise ohne handlungsfähige Führung da. Die bisher für Anfang August in Aussicht gestellte Präsentation einer neuen Strategie wird sich nun aller Voraussicht nach verschieben.

Ausschlaggebend für Zielkes Rücktrittsangebot waren die jüngsten Attacken des Großaktionärs Cerberus, die inhaltlich auch von vielen anderen Investoren und der breiten Öffentlichkeit geteilt wurden. Dem Vorstandschef wurde deshalb in den vergangenen Tagen klar, dass er nicht mehr genügend Rückhalt für den anstehenden Umbau des Instituts hat. „Die Bank braucht eine tief greifende Transformation und dafür einen neuen CEO, der vom Kapitalmarkt auch die notwendige Zeit für die Umsetzung einer Strategie bekommt“, sagte er.

Zielke will spätestens Ende des Jahres ausscheiden. Da Schmittmann den Kurs des Vorstandschefs bisher stets unterstützt hatte, will auch er frühzeitig abtreten. Als sein Nachfolger ist der deutsch-britische Finanzprofi Nicholas Teller im Gespräch. Die besten Chancen auf den CEO-Posten werden Firmenkundenchef Roland Boekhout und Finanzchefin Bettina Orlopp eingeräumt.

Unabhängig von der Führungsfrage ist bereits klar, dass es harte Einschnitte geben wird. Die noch vom alten Vorstand ausgearbeitete Strategie sieht nach Informationen des Handelsblatts vor, knapp 450 der aktuell 1000 Filialen zu schließen. Insgesamt sollen rund 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden und damit etwa jede vierte Stelle. Auch im Auslandsgeschäft soll es Einschnitte geben.

Überraschender Rückzug

Zielkes Rückzug kam für Außenstehende völlig überraschend. Noch bei seinen letzten öffentlichen Auftritten versprühte er Optimismus und Tatendrang. In Berlin diskutierte er mit Politikern über staatliche Hilfspakete in der Coronakrise.

Und bei der Commerzbank arbeitete er mit seinen Vorstandskollegen an einer neuen Strategie für das 150 Jahre alte Geldhaus. „Wir werden alles dafür tun, damit wir alle möglichst gut aus dieser Krise herauskommen“, versprach er bei der Hauptversammlung Mitte Mai.

Doch nachdem Zielke dem Präsidial- und Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats am Freitag angeboten hat, seinen eigentlich noch bis November 2023 laufenden Vertrag einvernehmlich aufzuheben, werden schon bald andere die Zukunft von Deutschlands zweitgrößter Privatbank gestalten. „Ich möchte damit den Weg für einen Neuanfang frei machen“, hatte Zielke mitgeteilt. Mit seinem Rückzug übernehme er auch die Verantwortung für die unbefriedigende finanzielle Performance der Bank, betonte der Commerzbank-Chef.

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Er steht seit 2016 an der Spitze des Instituts, das seitdem viele selbst gesteckte Ziele verfehlt hat. Zielkes im September 2019 vorgelegte Strategie wurde sowohl von der Bankenaufsicht als auch von Investoren als unzureichend kritisiert. Im ersten Quartal rutschte das Geldhaus wegen drohender Kreditausfälle im Zuge der Coronakrise sogar in die roten Zahlen. Die Aktie verlor seit Jahresanfang rund ein Viertel ihres Werts.

Ausschlaggebend für Zielkes Rücktritt war Finanzkreisen zufolge am Ende jedoch, dass die Kritik des Großaktionärs Cerberus von vielen anderen Investoren, Politikern sowie der breiten Öffentlichkeit geteilt wurde. Der amerikanische Finanzinvestor, der gut fünf Prozent an der Commerzbank hält, hatte die Bankspitze zuletzt in zwei öffentlich gewordenen Briefen attackiert und härtere Einschnitte gefordert.

Zielke wurde daraufhin klar, dass er nicht mehr genug Rückhalt besitzt, um die neue Strategie der Bank umzusetzen, an der das Management seit Monaten arbeitet.

Dass sich der Aufsichtsrat bei seiner nächsten Sitzung am Mittwoch intensiver mit der Strategie beschäftigt, ist jedoch unwahrscheinlich. Zuvor muss das Gremium nicht nur einen neuen CEO suchen, sondern auch einen Nachfolger für Aufsichtsratschef Schmittmann, der sein Amt zum 3. August niederlegen wird.

Wenn der Trainer einer Mannschaft wechselt, dann muss man sich auch als Vereinspräsident hinterfragen, findet Chefkontrolleur Schmittmann. Quelle: Reuters
Commerzbank-Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann (links) und CEO Zielke

Wenn der Trainer einer Mannschaft wechselt, dann muss man sich auch als Vereinspräsident hinterfragen, findet Chefkontrolleur Schmittmann.

(Foto: Reuters)

Wenn der Trainer einer Mannschaft wechsele, dann müsse man sich auch als Vereinspräsident hinterfragen, schrieb Schmittmann in einem Beitrag im Intranet der Commerzbank, der dem Handelsblatt vorliegt. „Jetzt kann man es sich leicht machen und sagen, es reicht der Trainerwechsel. Ich bin für mich aber zu dem Schluss gekommen, dass auch ich hier in der Verantwortung stehe und sie auch übernehmen sollte.“ Die Arbeit des Vorstandsteams solle nicht „von immer wieder aufflammenden Personaldebatten oder Diskussionen“ überlagert werden.

„Es ist ein großer Schaden entstanden“

Der Finanzinvestor Cerberus, der das Beben mit seinen Briefen ausgelöst hatte, äußerte sich nicht zu den angekündigten Rücktritten. Grundsätzlich sei der Rückzug von Zielke richtig, hieß es im Umfeld von Cerberus. Nicht gut sei dagegen, dass Schmittmann ebenfalls hinschmeiße und somit ein Führungsvakuum entstehe.

Auch Experten sehen es kritisch, dass Vorstands- und Aufsichtsratschef gleichzeitig abtreten. „Beide hätten aus Verantwortung gegenüber den Kunden und Mitarbeitern abwarten müssen, bis ein Nachfolger präsentiert wird“, sagt Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität. „So ist ein großer Schaden für die Bank entstanden.“

Die Bundesregierung bedauerte den Rücktritt von Schmittmann und Zielke. Beide hätten bei der Commerzbank in schwierigen Zeiten außerordentliches Engagement gezeigt, erklärte das Finanzministerium. „Herr Zielke und Herr Dr. Schmittmann haben sich große Verdienste um den Finanzstandort Deutschland erworben.“ Der Bund hält nach der staatlichen Rettung des Instituts in der Finanzkrise noch 15,6 Prozent an der Bank – und steht nach eigenen Angaben voll hinter seinem Engagement beim Frankfurter Geldhaus. Es ist jedoch auch kein Geheimnisse, dass viele in Berlin mit der Entwicklung der Bank in den vergangenen Jahren unzufrieden waren.

Um für neue Impulse zu sorgen, hat der Bund mit Jutta Dönges und Frank Czichowski im Mai bereits zwei neue Aufsichtsräte in das Kontrollgremium der Bank wählen lassen. Zudem hat die Finanzagentur, die den Anteil des Bundes verwaltet, die Commerzbank von der Beratungsgesellschaft BCG durchleuchten lassen.

Auf einen Rücktritt von Zielke und Schmittmann habe die Bundesregierung jedoch nicht gedrängt, sagten mehrere mit dem Thema vertraute Personen. Klaus Nieding, der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), findet das gut. „Der Staat war noch nie der bessere Unternehmer“, sagt der Aktionärsschützer.

FDP-Finanzexperte Frank Schäffler sieht die Rolle der Bundesregierung kritischer. „Anscheinend will sich das Bundesfinanzministerium nicht selbst die Finger schmutzig machen, sondern schickt den Finanzinvestor Cerberus vor“, urteilt der Bundestagsabgeordnete. Der Doppelwechsel sei aber grundsätzlich richtig. Bei der Commerzbank müsse es vorangehen, sagt Schäffler. „Dies scheint nicht der Fall gewesen zu sein, daher ist eine Veränderung in der Führung und damit die Möglichkeit für einen Strategiewechsel sinnvoll.“

Orlopp und Boekhout haben die besten Karten

Bevor die Bank über ihre neue Ausrichtung entscheidet, muss sie nun zunächst jedoch ihre Führungsspitze neu besetzen. Als Nachfolger von Chefkontrolleur Schmittmann wird Nicholas Teller gehandelt, der seit 2014 im Aufsichtsrat des Instituts sitzt.

Sie hat gute Chancen, die erste Vorstandsvorsitzende in der 150-jährigen Geschichte der Commerzbank zu werden. Quelle: obs
Commerzbank-Finanzchefin Bettina Orlopp

Sie hat gute Chancen, die erste Vorstandsvorsitzende in der 150-jährigen Geschichte der Commerzbank zu werden.

(Foto: obs)

Der 61-Jährige hat von 1982 bis 2008 selbst für die Commerzbank gearbeitet. Seitdem ist Teller, der die deutsche und britische Staatsbürgerschaft besitzt, für die Finanzholding E.R. Capital tätig – mittlerweile allerdings nur noch als Vorsitzender des Beirats.

Alternativ könnte fürs Erste auch der stellvertretende Aufsichtsratschef Uwe Tschäge übernehmen. Er ist Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats und hatte im Gespräch mit dem Handelsblatt zuletzt gefordert, dass der anstehende Stellenabbau sozial verträglich vonstattengehen muss.

„Betriebsbedingte Kündigungen darf es nicht geben, dafür werden wir kämpfen“, sagte Tschäge. „Hier erwarte ich auch vom Bund als Großaktionär Unterstützung. Gerade die SPD muss sich in der Bundesregierung dafür einsetzen, dass mit den Mitarbeitern der Commerzbank anständig umgegangen wird.“

Bei der Suche nach einem neuen Vorstandschef werden intern Firmenkundenchef Roland Boekhout und Finanzchefin Bettina Orlopp die besten Chancen eingeräumt. Orlopp wechselte 2014 vom Beratungsunternehmen McKinsey zur Commerzbank und stieg 2017 als erste Frau überhaupt in den Vorstand des Geldhauses auf.

Im März trat sie die Nachfolge von Finanzchef Stephan Engels an. Orlopp genießt innerhalb der Bank und bei Investoren einen exzellenten Ruf. Manche Aktionäre bemängeln allerdings, sie habe für einen CEO möglicherweise zu wenig Erfahrung im Kundengeschäft.

Das trifft auf Boekhout nicht zu. Er war lange Zeit Chef der Direktbank ING-Diba in Deutschland und wechselte Anfang des Jahres vom niederländischen Mutterkonzern ING nach Frankfurt. Dass der Niederländer kein Commerzbank-Urgestein ist und beim Umbau des Instituts keine Rücksicht auf alte Seilschaften nehmen müsste, wäre aus Sicht von Investoren ein Vorteil.

Der Niederländer kam Anfang 2020 vom Konkurrenten ING zur Commerzbank. Quelle: U. Baumgarten via Getty Images
Roland Boekhout

Der Niederländer kam Anfang 2020 vom Konkurrenten ING zur Commerzbank.

(Foto: U. Baumgarten via Getty Images)

DSW-Vizepräsident Nieding fände es noch besser, wenn die Bank einen Vorstandschef von außen verpflichtet. Allerdings räumt Nieding ein, dass es schwer werden dürfte, extern kurzfristig einen geeigneten Vorstandschef zu finden. Auch innerhalb der Commerzbank gehen die meisten deshalb davon aus, dass es wieder auf eine interne Lösung hinauslaufen wird.

Dass sich die Lage des Instituts nach dem Doppelrücktritt grundlegend ändert, erwartet Nieding nicht. „Bei der Commerzbank werden jetzt keine blühenden Landschaften ausbrechen, nur weil Zielke und Schmittmann weg sind“, sagte der DSW-Vizepräsident. „Das ist nicht an zwei Personen gebunden.“

Auch mit einem neuen Anlauf für Fusionsgespräche mit der Deutschen Bank rechnen Experten und Insider kurzfristig nicht. Es müsse endlich eine Strategie für den Ausstieg des Bundes bei der Commerzbank entwickelt werden, fordert FDP-Politiker Schäffler. „Dabei sollte das Risiko für den Steuerzahler nicht durch eine Fusion mit der Deutschen Bank vergrößert werden, sondern es sollte ein Investor gesucht werden, der Interesse am deutschen Markt hat.“ Dies würde auch am ehesten die Arbeitsplätze bei der Commerzbank sichern.

Mehr: Das Commerzbank-Beben ist ein Desaster für den Finanzplatz Deutschland – ein Kommentar.

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