Vatikan: So bekämpft ein Aufseher die Geldwäsche im Stadtstaat
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Nach jahrzehntelangen SkandalenIn heiliger Mission – So bekämpft ein Aufseher die Geldwäsche im verschwiegenen Vatikan
Jahrzehntelang blieb Geldwäsche im Vatikan ungesühnt. Jetzt nimmt der Kirchenstaat den Kampf dagegen auf. Im Mittelpunkt: René Brülhart. Der Geldwäschejäger hat einen der außergewöhnlichsten Jobs in der Finanzwelt.
Rom Der Skandal ging um die Welt: Giuseppe Profiti, Direktor der päpstlichen Kinderklinik Bambino Gesù, stand im Vatikan vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, Stiftungsgelder des Krankenhauses für die Renovierung der opulenten Privatwohnung des Kardinals Tarcisio Bertone abgezweigt zu haben. Dieser war bis 2013 Staatssekretär, also Außenminister des Vatikans. Die Summe, um die es ging: 422.000 Euro.
Am Ende des Prozesses kam das Urteil im vergangenen Oktober: Profiti wurde nicht wegen Veruntreuung, sondern wegen Amtsmissbrauchs zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre gefordert.
Es wird nicht der letzte Gerichtsprozess im Vatikan sein. Nach einer jahrzehntelangen Skandalwelle – von Mafia-Verbindungen bis zu Steuerhinterziehung – bei der Vatikanbank räumt der Klerus jetzt auf in der heiligen Finanzwelt. Auf Geheiß von Papst Benedikt wurde schon vor einigen Jahren damit begonnen, die Skandale aufzuarbeiten.
Dass es im Fall von Profiti zu einem Urteil gekommen ist, war daher auch kein Zufall. Sondern das Werk von René Brülhart. Der hat einen der außergewöhnlichsten Jobs in der Finanzwelt: Er ist Geldwäschejäger im Dienste des Heiligen Stuhls. Und in einem seiner sehr seltenen Interviews gibt er jetzt dem Handelsblatt Einblicke in die Geldwäschebekämpfung im verschwiegenen Vatikan.
„Das war die erste Verurteilung aufgrund einer Verdachtsmitteilung“, sagt Brülhart. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir erst seit relativ kurzer Zeit aktiv sind und die gesamte Geldwäsche-Gesetzgebung zuerst neu aufgesetzt werden musste.“ Der Schweizer Anwalt, der 2011 als Berater im Vatikan begann, steht seit 2014 als erster Laie, also Nichtkleriker an der Spitze der Finanzaufsicht des Vatikans (AIF). Und die ist anders als in anderen Staaten.
„Der Vatikan ist kein kommerzieller Finanzplatz, sondern ein ganz spezielles und eingeschränktes Umfeld“, sagt Brülhart beim Treffen wenige Schritte vom Vatikan entfernt. In die Büros der „Autorità di Informazione Finanziaria“ (AIF) im Palazzo di San Carlo hinter den Mauern des Vatikans lässt er Besucher nicht hinein.
„Es gibt keine kommerziell tätigen Banken, keine Börse, keine Versicherungsunternehmen, keine Treuhänder und keine Anwälte, die im Finanzbereich zuständig sind.“ Und deshalb könne man zur Bekämpfung der Geldwäsche im kleinsten Staat der Welt auch nicht einfach per Copy-and-paste etwa das deutsche Aufsichtssystem aufsetzen.
„Wir müssen ein maßgeschneidertes System haben, das funktioniert und nachhaltig ist“, sagt er. Geschaffen wurde zunächst eine Meldestelle. Brülhart hat dann die AIF ausgebaut, die heute zwei Funktionen hat: „Einmal ist sie Meldestelle entsprechend der Financial Intelligence Unit (FIU), die in Deutschland kürzlich vom Bundeskriminalamt zum Zoll gewechselt ist, und andererseits Aufsichtsbehörde, also wie die deutsche Bafin.“
Finanzaufseher René Brülhart
„Man ist Diener und versucht, die Arbeit zu unterstützen.“
(Foto: AFP/Getty Images)
Und diese „Vatikan-Bafin“ hat ein einziges Objekt zur Aufsicht: das Institut für die religiösen Werke, die Vatikanbank IOR. „Wir schauen, ob zum Beispiel Kundenprofile in Ordnung sind, ob die Liquiditätsvorschriften funktionieren oder die Bewilligungsverfahren für Dienstleistungen“, sagt der Schweizer. Nach den turbulenten Skandaljahren bemüht sich die Bank heute um Transparenz. Konten wurden geschlossen, und inzwischen wird auch die Bilanz veröffentlicht.
Doch im Mai steht der nächste Prozess an. Angeklagt sind Angelo Caloia, bis 2009 Präsident des IOR, und sein Anwalt. Die Anklage lautet auf Unterschlagung und Veruntreuung. Brülhart will sich dazu nicht äußern. Er ist mehr als diskret, wenn es um seinen Job geht.
Und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einiger Mitarbeiter der Bank im Januar verweist er nur auf die Medienaufmerksamkeit für alles, was aus dem Vatikan kommt: „Wenn ein IT-Officer bei der Commerzbank nach einem Jahr geht, interessiert das die Öffentlichkeit nicht.“
Sein Draht zu Papst Franziskus sei sehr eng, sagen Mitglieder der Kurie über den 46-jährigen Mann, der zum schwarzen Anzug immer eine schwarze Krawatte trägt. Er schweigt zum Thema. Vor seiner Zeit im Vatikan hat Brülhart rund acht Jahre lang die Geldwäschebehörde in Liechtenstein geleitet, „eine bewegte Zeit“, wie er sagt.
Der Papst sei höchst interessiert an Transparenz und an der Arbeit der Behörde, sagen andere in Rom. „Man ist Diener und versucht, die Arbeit zu unterstützen“, ist sein Kommentar. Wie er an seinen Job gekommen ist? „Als ich in Liechtenstein war, gab es einen Anruf, dann hat sich das ergeben.“
Am Freitag präsentiert er seinen Jahresbericht, es ist der sechste der Behörde, rund 30 Seiten auf Büttenpapier und mit Papst-Wappen. Darin sind akribisch alle Verdachtsmomente aufgelistet. „Wir erhalten einen Hinweis, prüfen, suchen zusätzliche Informationen und leiten den Fall, wenn er sich erhärtet, an die Staatsanwaltschaft des Vatikans weiter. Die entscheiden, ob ein Verfahren eröffnet wird.“
Für 2017 würden die Zahlen ähnlich wie im Vorjahr sein, sagt er. Insgesamt habe es in den vergangenen fünf Jahren mehr als 1 200 Verdachtsmitteilungen gegeben, bis 2012 seien es nur sechs gewesen: „Da sieht man den Unterschied, wenn es ein funktionierendes System gibt.“
Die Probleme und Skandale der Vatikanbank
Die 1942 gegründete Vatikanbank heißt IOR, Istituto per le Opere di Religione, „Institut für die religiösen Werke“. An der Spitze steht seit Juli 2014 der Franzose Jean-Baptiste de Franssu, Nachfolger des deutschen Bankers Ernst Freiherr von Freyberg, der die erste Bilanz veröffentlichte. Er war nach langer Vakanz auf Ettore Gotti Tedeschi gefolgt, der 2012 wegen des Verdachts auf Geldwäsche entlassen worden war. Kontrolliert wird die Bank von fünf Laien-Bankern im Verwaltungsrat und einem sechsköpfigen Kardinalskollegium. Aufsichtsbehörde ist die Vatikan-Finanzaufsicht AIF.
Von Mafia-Verbindungen über Steuerhinterziehung bis zu Missmanagement reicht die Liste der filmreifen Skandale seit den 80er-Jahren. Es gab Selbstmorde, Verhaftungen und Entlassungen. Die Aufklärung läuft: Im Mai beginnt ein Prozess wegen Unterschlagung und Geldwäsche zwischen 2001 und 2008 gegen den früheren Bankchef Angelo Caloia. Er soll der Bank durch Immobiliengeschäfte einen Schaden von 50 Millionen Euro zugefügt haben.
Johannes Paul II. und Benedikt XVI. starteten die Öffnung. Rund 5.000 Konten wurden geschlossen. Seit fünf Jahren werden Bilanzen veröffentlicht. Aus dem Bericht 2016: Das IOR hat 15.000 Kunden, eine Bilanzsumme von 5,7 Milliarden Euro und 636,6 Millionen Euro an Eigenkapital.
Die internationale Zusammenarbeit läuft problemlos, sämtliche EU-Richtlinien sind eingeführt, bilaterale Abkommen geschlossen. Moneyval, der Expertenausschuss des Europarats, schreibt in seinem Report vom Dezember, die AIF sei auf dem richtigen Weg, eine starke Behörde zu werden. Nur eine Baustelle wird moniert: die Strafverfolgung. Da geschehe noch zu wenig. „Vieles ist aufgesetzt worden, jetzt kommt die Verfeinerung“, sagt Brülhart.
Die Arbeit des verschwiegenen Schweizers ist ein Mosaikstein im Reformwerk von Papst Franziskus. „In kurzer Zeit so viel zu erreichen wäre nicht möglich gewesen ohne klaren politischen Willen“, sagt Brülhart zu den Stimmen, die von Problemen bei der Umsetzung der Reformen sprechen. Es gebe Steine und Felsbrocken, aber die Kirche gehe den Weg kontinuierlich weiter.
Seine Bilanz ist daher positiv. „Ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, insbesondere was ein funktionierendes Frühwarnsystem angeht“, lautet sein Fazit. „Was bedeutet denn Geld“, sinniert er zum Schluss, „das ist ein Instrument für einen bestimmten Zweck. Doch sobald das eine Triebfeder wird, dreht sich die Perspektive.“
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