Nach Wirecard-Skandal Finanzaufsicht Bafin nimmt deutsche Zahlungsdienstleister ins Visier

Die Behörde hat neben einer Sonderprüfung bei Unzer inzwischen auch intensive Untersuchungen bei den Zahlungsdienstleistern Payone und Concardis gestartet.
Frankfurt Die Finanzaufsicht Bafin nimmt nach dem Wirecard-Skandal mehrere große Zahlungsdienstleister unter die Lupe. Neben einer Sonderprüfung bei Unzer habe die Behörde auch intensive Untersuchungen bei Payone und Concardis gestartet, sagten mehrere mit dem Thema vertraute Personen dem Handelsblatt.
Die Bafin prüfe unter anderem, ob die Vorkehrungen gegen Geldwäsche und andere illegale Geschäfte ausreichend seien – und habe dabei teilweise schon Mängel entdeckt. Die Untersuchungen seien sehr intensiv und dauerten noch an.
Die Bafin analysiert dabei Finanzkreisen zufolge auch, ob die Unternehmen in manchen Geschäftsbereichen Margen erzielen, die vom Üblichen abweichen. Das ist eine direkte Lehre aus dem Fall Wirecard, wo genau dies der Fall und der Bafin nicht aufgefallen war.
Darüber hinaus stellt die Bafin den Unternehmen Insidern zufolge kritische Fragen zu Geschäften und Verbindungen mit dem deutschen Geschäftsmann Ruben Weigand, der im Sommer in den USA wegen bandenmäßigen Betrugs verurteilt wurde. Weigand und ein Komplize hatten aus Sicht der Justiz geholfen, Kartenzahlungen für Käufe von Marihuanaprodukten in den USA zu verschleiern. Kontakte zu Weigand waren bereits einer der Auslöser für die Bafin-Sonderprüfung bei Unzer.
Bafin hat Wirecard zu wenig verstanden
Die Bafin wollte zu dem Thema keine Stellungnahme abgeben. Concardis und Payone äußerten sich zu den Untersuchungen nicht konkret, sondern nur grundsätzlich zu ihrem Austausch mit der Finanzaufsicht. Concardis stehe als Anbieter von regulierten digitalen Zahlungsdiensten „naturgemäß in engem und kontinuierlichem Austausch mit der Bafin, um Compliance- und Geldwäsche-Themen zu begegnen, die eine ständige Herausforderung für die Branche darstellen“, erklärte ein Unternehmenssprecher.
Eine Payone-Sprecherin sagte, die Bekämpfung von Vergehen im Bereich Geldwäsche und Steuerumgehung sei ein wichtiges öffentliches Anliegen. „Hierzu werden auch immer wieder Zahlungsdienstleister durch die Regulatoren befragt und angehört.“ Payone verfüge über „ein striktes internes Regelwerk in Bezug auf Dienstleister und Kooperationspartner“ und sei mit der Bafin in engem Austausch, „um hier Unterstützung und Know-how-Transfer“ bei der Bekämpfung von Geldwäsche und der Identifizierung von Kunden zu leisten.
Der Zahlungsdienstleister Unzer, der früher Heidelpay hieß, hatte Anfang Juli, als die Sonderprüfung durch die Finanzaufsicht bekannt wurde, erklärt: „Wir sind in einem konstruktiven Dialog mit der Bafin.“ Jetzt ergänzte die Firma, dass sie sich nicht zu den Einzelheiten oder dem Zeitplan der Prüfung äußern könne.
Die Branche der Zahlungsdienstleister erlebt derzeit einen Boom. Da immer mehr Menschen an der Ladenkasse mit Karte oder Smartphone bezahlen und online einkaufen, wickeln die Payment-Firmen zusehends mehr Zahlungen ab. Dabei sorgen die Dienstleister nicht nur für die technische Abwicklung der Zahlungen von Verbraucher zu Händler. Sie bieten oftmals auch die Kartenlesegeräte an der Ladekasse an, binden verschiedene Zahlarten in Onlineshops ein und garantieren als Händlerbank, im Fachjargon „Acquirer“, Zahlungen.
Auch Wirecard gab vor, von diesen Trends zu profitieren. Tatsächlich aber beruhten die Wachstumszahlen, die der Pleitekonzern verkündete, zum Teil auf erfundenen Geschäften. Aus Sicht von Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé steht fest, dass es das Drittpartnergeschäft mit Milliardenbeträgen bei Wirecard gar nicht gab.
Bei der Bafin traten nach dem Auffliegen des Wirecard-Skandals Präsident Felix Hufeld und dessen Stellvertreterin Elisabeth Roegele vorzeitig ab. Zudem wurde die Behörde umgebaut und hat unter anderem mehr Befugnisse bei der Kontrolle komplexer Finanzkonzerne erhalten. Der neue Bafin-Chef Mark Branson hat angekündigt, dass die Finanzaufsicht bei Missständen künftig härter und schneller durchgreifen wird.
Umkämpfter Markt mit Start-ups als Konkurrenz
Concardis und Payone zählen zu den großen Anbietern auf dem deutschen Markt. Beide sind inzwischen Teil internationaler Konzerne. Concardis gehört zum dänischen Zahlungsdienstleister Nets, der wiederum mit dem italienischen Anbieter Nexi verschmilzt.
Die Firma mit Hauptsitz in Eschborn bei Frankfurt war lange in Händen der deutschen Kreditinstitute. Anfang 2017 verkauften die Sparkassen-Finanzgruppe, die privaten Banken sowie die genossenschaftliche DZ Bank Concardis an die Finanzinvestoren Advent und Bain. Diese veräußerten den Zahlungsdienstleister ein Jahr später teils an Nets, das in Besitz von Hellman & Friedman war.
An Payone aus Frankfurt sind die deutschen Sparkassen mit noch 40 Prozent beteiligt. 60 Prozent gehören dem französischen Zahlungskonzern Worldline.
Der Markt für Zahlungsdienstleister boomt nicht nur, sondern er ist auch hart umkämpft. Konkurrenten vor allem im Online-Payment sind relativ junge Firmen wie der Anbieter Adyen aus den Niederlanden, der auch in Deutschland stark vertreten ist. Das US-Unternehmen Stripe, das wertvollste nicht börsennotierte Start-up der westlichen Welt, kann ebenfalls einige größere deutsche Kunden aufweisen. Auch Checkout.com aus Großbritannien versucht, mehr deutsche Händler zu gewinnen. Diese Unternehmen betrachten sich selbst mehr als Technologieanbieter denn als Finanzdienstleister.
Zu den deutschen Wettbewerbern gehört zudem Computop aus Bamberg, das sich mit der DZ-Bank-Tochter VR Payment verbündet hat. Zudem hat die Deutsche Bank dieses Zahlungsgeschäft wieder für sich entdeckt.
Die Sonderprüfung bei Unzer hat in der Branche für Aufsehen gesorgt. Im Juni hatte Unzer, das mehrheitlich dem US-Finanzinvestor KKR gehört, überraschend bekannt gegeben, dass sich Unternehmenschef Axel Rebien zurückzieht. Rebien, lange Co-Chef, war erst vier Monate zuvor alleiniger CEO geworden.
Unzer-Chef ist seitdem Robert Bueninck, der zuvor mehrere Jahre Deutschlandchef von Klarna war. Auch Klarna, das wertvollste europäische Start-up, ist ein Zahlungsdienstleister, es richtet sich mit seiner Shopping-App aber mehr an Verbraucher.
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