Nachhaltigkeit Regierungsbeirat fordert grüne Umgestaltung der Finanzwirtschaft

Der Finanzsektor entdeckt die Klimagefahren.
Frankfurt Deutschland sollte Experten zufolge seine staatlichen Mittel viel stärker nach Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards ausrichten. Das fordert der am Donnerstag veröffentlichten Zwischenbericht des sogenannten Sustainable-Finance-Beirats. Auch könnten unter anderem neue Berichtspflichten zu einer stärkeren Ökologieorientierung der Privatwirtschaft führen.
Der Beirat berät die Bundesregierung bei der Ausarbeitung ihrer Strategie zur nachhaltigen Umgestaltung der Finanzwirtschaft. Für Ende September ist ein entsprechender Gipfel mit Vertretern der öffentlichen Hand, Finanzinstituten und Wissenschaft geplant. Seine möglichen Beschlüsse werden durch die Arbeit des Beirats vorbereitet.
„Der nun veröffentlichte Zwischenbericht gibt einen Überblick über die aktuelle Debatte“, erklärt die stellvertretende Vorsitzende des Beirats, Kristina Jeromin, zugleich Nachhaltigkeitschefin der Deutschen Börse. „Das Ziel ist, nachhaltige Finanzanlagen aus der Nische zu holen und zu einem Breitenthema zu machen.“
Hierfür schlägt der Beirat unter anderem vor, alle Förderprogramme entsprechend anzupassen. Bei staatlich geförderten Finanzprodukten wie Riester- und Rürup-Rente müssten Nachhaltigkeitskriterien verbindlich integriert werden. „Gleiches gilt für Produkte der Förderbanken“, etwa Exportfinanzierungen und Bürgschaften.
Auch die öffentliche Hand als Kapitalanleger müsse sich umstellen, lautet eine Forderung. So sollen sich Bund und Länder auf einem für Anfang 2021 terminierten Gipfel auf eine gemeinsame Strategie verständigen. Öffentliche Anlagen, etwa der Fonds zur Finanzierung der Kernkraft-Endlagerung, sollten sich konsequent an den Pariser Klimaschutzzielen orientieren.
Der Staat solle zudem mit gutem Beispiel vorangehen und grüne Bonds an den Markt bringen: „Die Ausgabe solcher Anleihen generiert einen nicht zu unterschätzenden Signaleffekt.“ Aktuell plant das Bundesfinanzministerium die erste „grüne Bundesanleihe“, die gezielt nachhaltige Projekte finanzieren soll.
Steuerliche Anreize gefordert
Um die Transparenz im Privatsektor zu erhöhen, schlägt der Beirat eine Änderung der Berichtspflichten vor. „Durch das immer noch mehrheitlich praktizierte und gesetzlich untermauerte Nebeneinander von Finanzberichterstattung und (...) Nachhaltigkeitsberichterstattung fehlt es regelmäßig an aussagekräftigen Bezügen“, lautet die Kritik. Abhilfe schaffen könnte demnach die Integration von Nachhaltigkeitskennzahlen in die reguläre Bilanzberichterstattung.
Auch Verbraucher nimmt der Beirat in den Blick: Finanzprodukte sollen mithilfe eines einheitlichen Klassifizierungssystems auf ihre Umweltauswirkungen überprüft werden. Die Experten regen zudem für Öko-Anlagen- und -Sparprodukte steuerliche Anreize an, um die Nachfrage zu erhöhen.
Im Ton bleibt der Zwischenbericht gedämpft, was auch an der großen Bandbreite der im Beirat vertretenen Experten liegen mag. Radikale Vorschläge finden sich nicht. Stattdessen wird explizit die „Umsetzung nicht-disruptiver Roadmaps“, sprich sanfter, nicht revolutionärer Maßnahmen gefordert.
Der Sustainable-Finance-Beirat will bis zum 3. April Reaktionen der Finanzbranche, der Industrie, der Politik und der Aufsichtsbehörden einholen. „Wir hoffen nun auf Input von allen interessierten Seiten“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Jeromin. Anfang September soll dann der Abschlussbericht samt Strategie veröffentlicht werden.
Die Finanzbranche betonte zuletzt, Deutschland komme mit der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 eine führende Rolle bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen zu. Anbieter nachhaltiger Finanzprodukte müssten sich auf einen europaweiten Rahmen verlassen können, zusätzliche nationale Regelungen seien nicht hilfreich. Wichtig sei eine genaue Definition, was unter den Begriffen „grün“ und „nachhaltig“ zu verstehen sei. Die Klassifizierung müsse schlank und praxistauglich sein.
Finanzstaatssekretär Jörg Kukies bekräftigte bereits, Deutschland solle zum führenden Standort für nachhaltige Investments werden. Noch in diesem Jahr würden grüne Wertpapiere vom Bund emittiert. „Klar ist aber auch, dass wir nur erfolgreich sein können, wenn Initiativen nicht nur vom Staat ausgehen. Wir sehen nun vor allem die Finanzmarktakteure am Zug“, ist Kukies überzeugt.
Mit Material von Reuters.
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