Negativzinsen Radikale Absenkung des Freibetrags: Sparda-Bank West erhebt Strafzinsen ab 25.000 Euro

Die Sparda-Bank West gibt den Strafzins, den sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken muss, an ihre Kunden weiter.
Düsseldorf, Berlin Für Kunden der Sparda-Bank West hätte der Start in den April freundlicher verlaufen können. Ihre Bank erhebt fortan einen Negativzins in Höhe von 0,5 Prozent für Einlagen auf dem Giro- und Tagesgeldkonto, wie das Institut nun mitteilte.
Die Sparda-Bank West aus Düsseldorf wählt dabei einen ungewöhnlich strikten Ansatz: Die neuen Regeln gelten sowohl für Bestands- als auch für Neukunden – und zwar schon ab dem 1. April. Bei Girokonten greift der negative Zins bereits ab Einlagen in Höhe von 25.000 Euro. Bislang hat keine Bank in Deutschland den Freibetrag für Bestandskunden auf ein derart geringes Niveau gesetzt. Bei Tagesgeldkonten liegt die Freigrenze bei 50.000 Euro. Wer mehrere Giro- oder Tagesgeldkonten führt, muss bei allen anderen Konten bereits ab dem ersten Euro draufzahlen.
„Wir haben lange auf einen solchen Schritt verzichtet, müssen ihn jetzt aber zum Wohle der gesamten Genossenschaft gehen“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Manfred Stevermann. Diese Maßnahme sei nicht mehr zu umgehen, da „die immer wieder prognostizierte Zinswende ausgeblieben und durch die Corona-Pandemie sogar in weite Ferne gerückt ist“. Im vergangenen Jahr erhöhten sich die Kundeneinlagen des Instituts insgesamt um 4,7 Prozent auf knapp zwölf Milliarden Euro.
Die Bank, zu der mittlerweile auch alle Sparda-Bank-Filialen im Münsterland gehören, kündigte an, ihr Preisverzeichnis entsprechend zu überarbeiten. Die Maßnahme treffe circa zehn Prozent der Kunden, also etwa 68.000, erklärte die Bank auf Anfrage.
Minuszinsen von Bestandskunden dürfen die Institute jedoch nur kassieren, wenn diese der Maßnahme auch zustimmen. Die Bank schickt aktuell entsprechende Formulare raus, die die Kunden innerhalb eines Monats unterschrieben zurücksenden müssen. Wer sich nicht zurückmeldet, wird von der Bank ein weiteres Mal kontaktiert. Anschließend folge die schriftliche Kündigung zu einem festgelegten Termin, so eine Banksprecherin. Im Anschluss habe der betroffene Kunde zwei Wochen Zeit, die Änderungen doch noch zu akzeptieren.
Immer mehr Banken erheben Strafzinsen
Vor einigen Wochen hatte die Sparkasse Düsseldorf mit einem ähnlichen Vorgehen für Aufsehen gesorgt. Sie hatte im vergangenen Jahr angekündigt, bei Bestandskunden mit mindestens 250.000 Euro an täglich fälligen Geldern ein Entgelt von 0,5 Prozent zu erheben und entsprechende Schreiben verschickt. 26 Kunden hatten sich nicht zurückgemeldet – sie wurden zu Ende März von der Bank gekündigt.
Strafzinsen für Privatkunden sind mittlerweile üblich. Allein seit Anfang 2021 haben etwa 100 Kreditinstitute Minuszinsen eingeführt, zeigt eine Auswertung des Vergleichsportals Verivox. Die Gesamtzahl der Banken liegt demzufolge bald bei 300. In der Vergangenheit wurde ein entsprechendes Entgelt nur bei sehr hohen, meist sechsstelligen Einlagen fällig.
Branchenweit gehen die Freibeträge jedoch zusehends zurück. Die größte deutsche Sparkasse etwa, die Hamburger Sparkasse, hat die Freigrenze für Neu- und Bestandskunden just auf 50.000 Euro abgesenkt. Der radikale Schritt der Sparda-Bank West mit einer Grenze bei 25.000 Euro markiert jedoch einen neuen Meilenstein. Auch die Höhe der Strafzinsen steigt tendenziell: Als erste Bank verlangt die genossenschaftliche PSD Bank Rhein-Ruhr aus Düsseldorf nun ein Prozent für neues Tagesgeld oberhalb von 500.000 Euro.
Die Geldhäuser reagieren mit diesen Maßnahmen auf die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Banken müssen aktuell für überschüssige Einlagen, die sie bei der Notenbank parken, einen Strafzins in Höhe von 0,5 Prozent zahlen. Die EZB erhofft sich so, Kreditvergabe und Konjunktur zu stärken. Über die als „Verwahrentgelt“ bezeichnete Gebühr geben die Banken diese Belastung teilweise oder gänzlich an ihre Kunden weiter.
Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei Termineinlagen, bei denen die Einleger für eine bestimmte Zeit auf ihr Verfügungsrecht verzichten, zu beobachten. Daten der Bundesbank weisen erstmals auch für diese Anlage negative Zinsen aus.
Dem Analysehaus Barkow Consulting zufolge lag der Zinssatz für alle neu abgeschlossenen privaten Termineinlagen mit einer Laufzeit von unter einem Jahr im Dezember bei minus 0,01 Prozent. Bei kurzfristigen Termineinlagen von Unternehmen ist die Schwelle von null erstmals Anfang 2016 unterschritten worden.
Die zeitliche Differenz von rund fünf Jahren bei den statistisch erfassten Negativzinsen von Betrieben und Verbrauchern dürfte damit zusammenhängen, dass Unternehmen weniger Ausgleichsmöglichkeiten haben als private Haushalte, ihr Geld umzuschichten.
Eine zusätzliche Belastung: Inflation
Nicht nur Verwahrentgelte reduzieren die Einlagen der Privatkunden. Zum Wertverlust trägt auch die Inflation bei. Deutsche Sparer haben im ersten Quartal 2021 einen Wertverlust von fast neun Milliarden Euro erlitten. Wegen der steigenden Inflation sank der Realzins auf minus 1,37 Prozent. Das sind die Ergebnisse des Comdirect-Realzins-Radars, der gemeinsam mit Barkow Consulting ermittelt wird.
Insgesamt legten private Haushalte in den vergangenen zwölf Monaten zusätzlich 174 Milliarden Euro in Form von Spareinlagen zurück. Insgesamt haben Sparer 2,6 Billionen Euro in liquiden Mitteln auf die hohe Kante gelegt. Comdirect-Marktexperte Andreas Lipkow rechnet im laufenden Jahr sogar mit einem Rekordverlust auf Einlagen. „Während Zinserhöhungen noch lange nicht in Sicht sind, könnte die Inflation in den nächsten Monaten deutlich an Fahrt aufnehmen.“
Bereits zuletzt war zu bemerken, dass die Coronakrise drastische Auswirkungen auf das Sparverhalten der Menschen in Deutschland hat. Die Sparquote sei im zweiten Quartal 2020 mit 21,1 Prozent doppelt so hoch gewesen wie im Durchschnitt der vergangenen Jahre, bemerkte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Helmut Schleweis.
Als geeignete Anlageformen nannten Sparer in Umfragen Edelmetalle, Immobilien und Investmentfonds. Doch tatsächlich haben Sparkassenkunden seit Ende März des vergangenen Jahres 36 Milliarden Euro zusätzlich auf Girokonten geparkt, statt die Summe anzulegen. Es scheint, als sei Verfügbarkeit wichtiger als Rendite. Mit dieser Einstellung dürften die Sparer angesichts der doppelten Belastung durch Negativzinsen und Inflation schlecht fahren.
Mehr: Zu viel Geld auf dem Konto: Warum Banken Kunden mit sehr hohen Einlagen kündigen können.
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