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Neue Regeln für Aktienresearch Das große Pokern der Banken

Anbieter und Käufer von Börsen- und Branchenstudien stecken in schwierigen Verhandlungen. Es geht um neue EU-Regeln, die das Geschäft umkrempeln und den Markt verkleinern dürften. Kleinere Anbieter fürchten um ihre Existenz.
29.05.2017 - 11:19 Uhr Kommentieren
Die Zahl der Researchanbieter dürfte künftig schrumpfen. Kleinere Anbieter fürchten um ihre Existenz. Quelle: dpa
Frankfurter Skyline

Die Zahl der Researchanbieter dürfte künftig schrumpfen. Kleinere Anbieter fürchten um ihre Existenz.

(Foto: dpa)

Frankfurt, London Einen Teaser und ein Rating gibt es künftig noch umsonst – das war’s aber auch.“ So sieht der Manager eines namhaften Wertpapierhauses das künftige Geschäft mit Aktien- und Branchenstudien. Diese müssen Investmentbanken und Handelshäuser ihren Kunden künftig separat in Rechnung stellen. Das fordern neue EU-Regeln, die ab Januar 2018 gelten.

Bisher bezahlen Investoren mit den Gebühren, die sie Banken und Brokern für das Abwickeln von Wertpapierhandelsgeschäften überweisen. Finanzinstitute mit großen Researchabteilungen verschicken ihr Material teilweise recht freigiebig, um ihr Handelsgeschäft anzukurbeln. Nach den neuen Regeln der sogenannten MiFID-II-Richtlinie müssen sie eine Preisstrategie für ihre Produkte entwickeln.

Damit verfolgt die EU vor allem ein Ziel: mehr Preistransparenz für die Endkunden. Doch eine ganz andere Konsequenz zeichnet sich ab: Die Zahl der Researchanbieter dürfte schrumpfen. Denn Investoren wie Fondsanbieter und Family-Offices dürften deutlich wählerischer werden, wenn sie bewusst Geld für Studien ausgeben müssen.

„In der Branche findet aktuell ein großes Abtasten statt“, beschreibt Christian Waigel, Partner der Kanzlei Waigel Rechtsanwälte in München, das Verhältnis zwischen Brokern und Investoren. Investmentbanken haben neue Modelle in ihren Schubladen, die sie vorsichtig ihren Kunden vorstellen, um deren Reaktion abzuklopfen. Keiner will zum „Preisbrecher“ werden, um dann im Zweifel sein Modell anpassen zu müssen. „Alles starrt darauf, wer sich zuerst bewegt“, beschreibt Ralf Frank, Geschäftsführer der deutschen Analystenvereinigung DVFA, die Lage. Doch die Zeit wird knapp: Die Branche sollte vorankommen, mahnt er.

Aber etliche Banker pokern. Hinter vorgehaltener Hand räumt der Manager einer großen Investmentbank ein: „Wir spielen auf Zeit, weil wir erst einmal sehen wollen, was die Konkurrenz so fordert.“ Dahinter steckt ein klares Kalkül: Das Institut erschwert es seinen kleineren Wettbewerbern, Verträge mit Vermögensverwaltern und Hedgefonds abzuschließen. Denn solange diese nicht wissen, was sie für die unverzichtbaren Studien der Platzhirsche bezahlen müssen, abonnieren sie auch kein anderes Research. Kleinere Anbieter fürchten daher um ihre Existenz, je länger sich der Preispoker hinzieht.

Investoren bekommen aktuell 500 Analysen pro Tag

Konkrete Summen will bisher keiner nennen. Nach Angaben der Beratungsgesellschaft Quinlan & Associates sind die Angebotsspannen aber enorm und reichen von 50.000 Dollar pro Jahr für ein kleines Basispaket mit Studienmaterial bis zu einigen Millionen. Teilweise fordern Banken wohl allein für ein Telefongespräch mit einem ihrer Staranalysten fünfstellige Summen.

Doch nicht nur die Preise sorgen für Frust: „Wir müssen unsere Researchbudgets für 2018 eigentlich jetzt festlegen, angesichts der abwartenden Haltung der Investmentbanken ist das schwierig bis unmöglich“, klagt ein Fondsmanager.

Bisher bekommen Investoren nach Angaben der Analysefirma BCA Research im Durchschnitt 500 Studien pro Tag. Davon werden aber nicht mehr als zwei bis fünf Prozent auch gelesen, wie Fachleute schätzen. Viele Studien seien redundant. Anbieter müssten sich stärker differenzieren, fordern Fondsmanager.

Drei von vier Investoren gehen in einer Umfrage der Research-Onlineplattform RSRCHXchange davon aus, dass sie künftig nur noch Analysen von weniger als fünf Investmentbanken nutzen werden. Der „Kuchen dürfte kleiner werden“, meint Rüdiger Sälze, Chef des Beratungshauses Fonds Consult. Investoren werden dort Studien kaufen, wo sie sich Mehrwert versprechen, erklärt er – die Treffsicherheit von Analysten als Gütesiegel dürfte wichtiger werden.

Analysten sollten die neuen Research-Preisregeln aus Brüssel daher als „Weckruf“ zu einer überfälligen Industrialisierung der Branche verstehen“, mahnt Frank von der DVFA. „Man braucht nicht für einzelne Dax-Werte 50 Analysten, die alle die gleichen Daten ausrechnen.“ Rechnen könnten Algorithmen ohnehin besser als Menschen – gefragt sei die Urteilskraft der Analysten. Die Automatisierung werde Einzug in die Branche halten und die Analyse von Daten aus dem Internet immer stärker gebraucht, meint er. 

Grundsätzlich könnte Research so billiger werden. Doch einige Banken verfolgen offenbar eine andere Strategie. Sie werben für ihre Studien mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz und „innovativer Methoden“, um höhere Preise zu rechtfertigen. „Dabei geht es meist nur um eine neue Verpackung für ein bekanntes Produkt“, moniert ein Vermögensverwalter.

Sicher ist jedoch schon, dass der Druck steigt – sowohl auf die Investmenthäuser wie auch auf die Investoren. „Geschriebenes Research wird künftig nicht an erster Stelle stehen“, sagt Frank von der DVFA. Investoren schätzten Ideen der Analysten, tiefe Einblicke in Branche und die Interpretation von Daten – „dafür sind sie am ehesten bereit zu zahlen“.

Auch der Boom quantitativer und Index-nachbildender Produkte erhöht die Nachfrage nach Daten und Algorithmen, aber weniger nach klassischen Studien. Hier entstehe Konkurrenz durch Index- und Datenlieferanten wie MSCI, Thomson Reuters und Bloomberg, erklärt Frank.

Vom Markt verdrängen

Konkurrenz passiver Anbieter und die neuen Anforderungen der EU, Kosten offenzulegen, dürfte zudem Investoren aus dem Markt drängen. Anwalt Waigel rechnet damit, dass zehn bis zwanzig Prozent der kleineren Vermögensverwalter vom deutschen Markt verschwinden. 

Große Investoren überlegen dagegen, ob sie einen Teil der Researcharbeit selbst machen, statt einzukaufen, sagt Werner Hedrich, Deutschland-Chef vom Fondsanalysehaus Morningstar. Branchenexperten würden bereits umworben. Unterm Strich werden sich laut Anwalt Waigel manche Wertpapierhäuser fragen, ob sie überhaupt noch Studien anbieten sollen.

Im Aktienresearch sind bereits im Zuge der Finanzkrise und der Niedrigzinsphase massiv Stellen abgebaut worden. Nach Daten der Marktforscher von Coalition haben die zwölf weltweit größten Banken ihre Analystenteams seit 2012 um zehn Prozent geschrumpft. Weitere Einschnitte werden erwartet. Am deutschen Markt hat sich die Zahl der Finanzanalysten seit der Jahrtausendwende laut DVFA schon um rund ein Drittel auf gut 500 verringert. Aktienanalysten gibt es aktuell noch 264, der Rest covert andere Themen wie Bonds. Weltweit wird die Zahl der Analysten auf rund 25 000 geschätzt.

Doch es dürfte auch Gewinner der Entwicklung geben – darunter unabhängige Studienanbieter wie Bernstein Research, Independent Research, Morningstar oder Value Research. Diese stehen bereit, die Lücken zu füllen, die Investmentbanken hinterlassen, wenn sie ihre Researchteams weiter verkleinern.

Neue Modelle: Pakete, Preise und Probleme
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