Neuer Anlauf der EU Kompromissvorschlag zur Bankenunion rüttelt an deutschen Tabus

Die deutschen Geldhäuser, vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken, lehnen eine gemeinsame europäische Einlagensicherung nach wie vor ab.
Brüssel, Frankfurt Die unvollendete Bankenunion ist die Großbaustelle in der europäischen Finanzarchitektur. Seit Jahren kommen Einigungsgespräche nicht voran. Die gerade in Deutschland verbreitete Furcht, dass sorgsame Sparer aus dem Norden für marode Finanzinstitute im Süden haften müssten, lähmt die Verhandlungen.
Jetzt unternimmt Portugal, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, den Versuch, die Blockade zu überwinden. Dem Handelsblatt liegen die internen Papiere vor, über die die Mitgliedstaaten derzeit diskutieren. Sie zeigen: Was den Portugiesen vorschwebt, birgt noch erhebliches Konfliktpotenzial.
Die EU hat in den vergangenen Jahren bei der Integration des zersplitterten Finanzmarkts zwar Fortschritte erzielt, doch bis heute fehlt das zentrale Element einer Bankenunion – eine gemeinsame europäische Einlagensicherung, im EU-Jargon „European Deposit Insurance Scheme“ (Edis) genannt.
Eine der entscheidenden Fragen ist, wie die europäische Einlagensicherung finanziert werden soll. Die Portugiesen bringen nun eine Option ins Gespräch, die erheblichen Diskussionsstoff liefern dürfte.
Die Finanzexperten der Ratspräsidentschaft schlagen vor, dass sich die Einlagensicherung nicht nur aus Beiträgen der Mitgliedstaaten finanziert, sondern zusätzlich auch an den Märkten Kredite aufnehmen darf: „Externe Mittel könnten genutzt werden, um die Feuerkraft von Edis zu vergrößern“, heißt es in den internen Unterlagen.
Deutsche Banken bleiben skeptisch
Die Einlagensicherung könne ihre „Größe und Diversifikationseffekte nutzen, um einen einfachen Zugang zu privaten Mitteln zu günstigen Finanzierungsbedingungen zu erhalten“.
In der deutschen Finanzbranche wird der portugiesische Vorstoß skeptisch gesehen. Solange es zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission keine Einigkeit über das Gesamtkonzept gebe, ergebe es wenig Sinn, sich über Details wie Beitragsmodelle Gedanken zu machen, sagte eine mit den Diskussionen vertraute Person.
Der Vorschlag Portugals basiere auf den Maximalforderungen, die die EU-Kommission 2015 unterbreitet habe. Dass es hierfür im aktuellen Umfeld breite Unterstützung gebe, sei sehr unwahrscheinlich.
Die deutschen Banken stehen einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung traditionell skeptisch gegenüber. Vor allem Sparkassen und Volksbanken lehnen eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung grundsätzlich ab. Aus ihrer Sicht gibt es keinen Grund, an den aktuellen Regeln etwas zu ändern.
Leitgedanke: Viel hilft viel
Gerade jetzt in der Coronakrise wäre ein neuer Vorstoß nach Einschätzung des Bundesverbands der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kontraproduktiv. „Eine Vertiefung der Bankenunion jetzt politisch zu forcieren, ohne vorher die Risiken aus dem Anstieg notleidender Kredite und riskanter Staatsanleihen in Bankbilanzen zu reduzieren, halte ich für unverantwortlich“, betont BVR-Vorstand Gerhard Hofmann. Durch die Pandemie seien die Risiken innerhalb Europas weiter auseinandergelaufen.
Die DK, die gemeinsame Interessenvertretung der deutschen Banken, sieht es als „nicht zielführend, dass die EU-Kommission die Diskussion um eine Stärkung des Krisenmanagements mit dem unveränderten Vorschlag zur Errichtung eines europäischen Einlagensicherungssystems aus 2015 verknüpft“.
Um die Kompromissfindung zu erleichtern und das Risiko von Fehlanreizen zu minimieren, schlagen die Portugiesen ein sogenanntes Hybridmodell vor, das ursprünglich von Österreich ins Gespräch gebracht wurde. Demnach müssten die nationalen Einlagensicherungen, die Geld aus dem gemeinsamen europäischen Fonds erhalten, die Mittel peu à peu mit Zinsen zurückzahlen.
Der Leitgedanke des portugiesischen Papiers lautet indes: Viel hilft viel. Grundsätzlich sei die „Glaubwürdigkeit, Effektivität und Feuerkraft der Edis von überragender Bedeutung, um das Vertrauen der Sparer zu garantieren“, schreiben die Portugiesen.
Ihr Ziel ist eine Lösung, die allen Sparern in der EU ein „hohes und gleichmäßiges“ Schutzniveau bietet, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat eine Bank beheimatet ist. Dies diene dazu, „die Finanzstabilität durch das Vertrauen der Sparer in das System und die Sicherheit ihrer Einlagen zu erhalten“.
Denn: Je glaubwürdiger die staatliche Garantie für Bankkonten, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass die Sparer in Panik verfallen und die Einlagensicherung überhaupt in Anspruch genommen werden muss.
Grünen-Finanzexperte Sven Giegold warnt daher, dass „ideologische Debatten zu schlechten Ergebnissen führen“. Es sei sinnvoll, der EU-Einlagensicherung eine Kreditermächtigung zu erteilen. Ansonsten müsste sich der europäische Fonds inmitten einer Krise neues Geld von den abgesicherten Banken beschaffen – was deren finanziellen Spielraum noch stärker einengen und die Krise verstärken würde.
Auch aus Sicht der Verbraucherschützer könnte eine Finanzierung eines Kapitalbedarfs durch eine große Bankpleite über Kredite grundsätzlich sinnvoll sein: „Es schadet nicht, die Kosten für die Liquiditätsbereitstellung durch eine Finanzierung von Krediten im Rahmen zu halten“, meint Niels Nauhauser, Experte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Wie wichtig eine gemeinsame Einlagensicherung wäre, lehrt die Erfahrung der Euro-Krise. Zweifel an der Zahlungsfähigkeit von Banken in Südeuropa nährten damals auch Zweifel an der Zahlungsfähigkeit ihrer Heimatländer und damit an der Verlässlichkeit der nationalen Einlagengarantie – eine Sorge, die dazu führte, dass viele Südeuropäer ihre Konten vorsorglich leer räumten und damit die Nöte ihrer Banken noch verstärkten.
Eine europäische Einlagensicherung könnte einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, diesen Teufelskreis zu brechen – wenn sie Sparern die Gewissheit gäbe, dass ihr Geld auch in finanziell angeschlagenen Ländern wie Griechenland oder Italien sicher ist.
Einigungsdruck vonseiten der Großbanken
Europas Großbanken drängen die EU-Staaten daher zu einer Einigung. UBS-Chef Axel Weber warb kürzlich in einem Gastbeitrag im Handelsblatt für einen „Paukenschlag“ zur Vollendung der Bankenunion. Er beklagte, Europa sei „kein einheitlicher Wirtschaftsraum, sondern ein Konglomerat aus 27 unterschiedlich regulierten Märkten, mit einem 28. EU-Regulator an der Spitze“.
Folge seien ein „eingeschränktes Angebot an Bankdienstleistungen“, eine „suboptimale Versorgung“ der Unternehmen mit Kapital und „unterschiedliche regulatorische Anforderungen“, die Banken daran hindere, „Größenvorteile durch Anwendung neuer Technologien zu nutzen und so mit der amerikanischen Konkurrenz mitzuhalten“.
Mehr: EZB-Bankenaufseher erwartet keine rasche Umsetzung einer gemeinsamen Einlagensicherung
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Die deutschen Tabus, an denen gerüttelt wird, ist der Zugriff auf den Wert unseres Vermögen - sorry, aber hier bin ich für Einlagennationalismus. Erst muss es finanzpolitische Wohlverhaltensregeln geben, bei denen Verstöße auch ernsthaft geahndet werden.