NN Invest DWS geht leer aus: Goldman Sachs kauft Vermögensverwalter von Versicherer NN

Die US-Investmentbank will weniger abhängig von Handelseinnahmen und dem Beratergeschäft werden.
Frankfurt Es klang nach einem aussichtsreichen Vorhaben: Asoka Wöhrmann, seit knapp drei Jahren Chef der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS, wollte seiner Konzernmutter demnächst einen Meilenstein zum gewünschten Aufstieg in die Top Ten der globalen Vermögensverwalter präsentieren. Dies hat Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing dem ehrgeizigen Manager, der die Fondstochter unter anderem durch einen Umbau der Führungskräfteriege auf Kostenspur gebracht hat, ins Pflichtenheft geschrieben.
Doch rund eine Billion Euro Kundenvermögen trennt die DWS noch von diesem Ziel. Mit einem gemanagten Kapital von 859 Milliarden Euro ist die Fondsgesellschaft zwar führend im deutschen Geschäft mit Privatkunden, doch weit entfernt von der Nummer zehn, Amundi, und erst recht vom Marktführer Blackrock, der 9,5 Billionen Dollar Vermögen managt. Die Übernahme der gut 300 Milliarden Euro schweren NN Investment Partners aus den Niederlanden hätte die DWS jedoch schon einmal über die Billionen-Euro-Schwelle gehoben.
Die Geschäftsmodelle von NN Invest und DWS hätten sich gut ergänzt, und auch die Investmentkultur der beiden hätte gut zusammengepasst, meinen Fondsexperten. Die niederländische Versicherungstochter hat Expertise im Managen von Versicherungskapital, vor allem für die Konzernmutter NN Group. Auch hat sich NN Invest einen Namen gemacht bei nachhaltiger Geldanlage und bei alternativen Anlagen. So hätte die DWS sich Finanzkreisen zufolge gut vorstellen können, die beiden stärker miteinander zu verzahnen. Die Niederländer machten Wöhrmann jedoch einen Strich durch die Rechnung und nahmen das zweite verbindliche Angebot von Goldman Sachs an. Die US-Investmentbank bot rund 1,6 bis 1,7 Milliarden Euro für NN.
Der besondere Charme daran: Die Goldmänner legen die 1,515 Milliarden Euro Kaufpreis plus mögliche weitere Aufschläge bar auf den Tisch. Das ist viel nach Einschätzung von Branchenkennern, die mit knapp 1,5 Milliarden Euro gerechnet hatten. Und offenbar auch mehr, als Wöhrmann ausgeben kann und will. Analysten schätzen, dass die Kasse der DWS mit rund 800 Millionen Euro gefüllt ist. Der Rest hätte womöglich über einen Aktiendeal bezahlt werden sollen.
Aber NN bevorzugt offenbar Bares: Das zusätzliche Kapital wird nach eigener Aussage für „Wertsteigerungsoptionen“ genutzt, aber möglicherweise auch an Aktionäre weitergegeben. Die DWS, die für den niederländischen Vermögensverwalter Finanzkreisen zufolge ein verbindliches Angebot abgegeben hatte, äußerte sich indes verschnupft: „Wir haben immer betont, dass jede Transaktion einen langfristigen Wachstumspfad aufzeigen müsste. Stattdessen war hier offensichtlich Priorität, unmittelbar einen maximalen Verkaufspreis zu erzielen. Dafür sind wir zu diszipliniert.“
Übernahme nur unter gewissen Voraussetzungen
DWS-Chef Wöhrmann betont immer wieder, dass ein Zukauf für den Fondsanbieter nicht allein sinnvoll sei, um schiere Größe zu gewinnen. Eine Übernahme komme für ihn nur infrage, wenn ein potenzieller Kaufkandidat die DWS-Plattform bereichere, über eine lokale Kundenbasis und eine lokale Besonderheit verfüge sowie zur Kultur des Fondsanbieters passe, erklärte er erst kürzlich wieder. So kann Goldman sein Vermögen erhöhen sowie nach eigener Aussage sein Fondsmanagement und seinen Vertrieb im Geschäft mit privaten und institutionellen Kunden in Europa stärken. Die Übernahme werde die Wachstumsstrategie forcieren und die Asset-Management-Plattform erweitern, formulierte es Goldman-Chef David Solomon.
Es ist für Goldman der größte Zukauf, seit Solomon 2018 Firmenchef wurde. Die Übernahme gehört zu seiner Strategie, die Bank weniger abhängig von Handelseinnahmen und dem Beratergeschäft zu machen. Goldman gibt an, dass der Deal das betreute Vermögen für institutionelle wie auch private Anleger durch den Zukauf weltweit auf 2,6 Milliarden Dollar erhöht. In Europa steigen die „Assets Under Supervision“ demnach auf mehr als 600 Milliarden Dollar.
Die Übernahme soll im ersten Quartal 2022 erfolgen. NN Group hatte im April angekündigt, dass der Konzern strategische Optionen für seine Fondstochter prüfe, darunter eine Fusion und einen Teilverkauf. NN Group und die Goldman-Fondstochter Goldman Sachs Asset Management werden eine Zehn-Jahres-Partnerschaft eingehen, in deren Rahmen das Vermögensverwaltungsgeschäft für die NN Group fortgeführt wird und 190 Milliarden Euro Vermögen gemanagt werden.
Der Deal kann die in der Branche und von Experten viel diskutierte Konsolidierung der Vermögensverwaltung in Europa ein Stück voranbringen. Überangebot, Margendruck und Konkurrenz auch von Plattformen wie Google oder Amazon bauen Druck auf. Im Vergleich zu den USA gebe es in Europa zu viele und zu kleine Produkte, sagt Detlev Glow, Researchchef für Europa beim Datenbankanbieter Refinitiv Lipper.
So rechnet auch Christian Staub, Europachef des Fondshauses Fidelity International, mit „weiterer Konsolidierung: Mittelgroße Vermögensverwalter werden in schwieriges Fahrwasser kommen“, meint er. Allerdings federe die gute Marktlage den Konsolidierungsstress immer weiter ab, Fondsanbieter „sehen enorme Zuwächse“, sagt Staub. Investoren legten in den ersten sechs Monaten weltweit 580 Milliarden Dollar in Aktienfonds an – so viel wie nie zuvor.
Die DWS dürfte nun mit aller Kraft weiter Ausschau nach Übernahmezielen halten. Im ETF-Segment will das Fondshaus allerdings aus eigener Kraft wachsen. Die zuletzt zum Verkauf stehende Lyxor hat sich die französische Amundi gesichert. Vielleicht schaut Wöhrmann nun wieder verstärkt nach Asien, wo er vor allem wachsen will und der Anteil des DWS-Vermögens mit fünf Prozent noch recht überschaubar ist. Der Druck auf Wöhrmann dürfte zunehmen.
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