Parketthandel mit Maske New York Stock Exchange lässt die Broker zurück an die Wall Street

Der Händler arbeitet seit 35 Jahren auf dem Parkett und kehrt am Dienstag neben weiteren Tradern an die Wall Street zurück.
New York Peter Tuchman hat schon mal die Lage an der Wall Street überprüft. „Noch sieht es hier unten aus wie in einer Geisterstadt“, sagt er am Donnerstag während seines Rundgangs um die New Yorker Börse. „Aber das wird sich bald ändern. Am Dienstag geht es wieder los. Das ist immer noch die beste Finanzinstitution der Welt.“
Der Mann mit dem krausen weißen Haar ist der am meisten fotografierte Händler der New York Stock Exchange (Nyse) und hat sich als „Einstein der Wall Street“ zur Marke gemacht. Tuchman arbeitet seit 35 Jahren auf dem Parkett und ist bereit, an seinen alten Arbeitsplatz zurückzukehren.
Zwei Monate lang hatte die New Yorker Börse ihr traditionsreiches Handelsparkett geschlossen. Am Dienstag nun soll der Handelsraum wieder öffnen, wie Nyse-Chefin Stacey Cunningham ankündete. Doch die Händler werden sich an einen „neuen Normalzustand“ gewöhnen müssen, mahnt Cunningham.
Das heißt: Nur ein Teil von ihnen darf in der ersten Phase zurückkehren – und das auch nur, wenn sie nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Auf dem Parkett herrschen Maskenpflicht und strenge Abstandsregeln. Die Fiebermess-Stationen, die die Nyse bereits Anfang März eingerichtet hatte, werden erhalten bleiben. Wer Fieber hat, bekommt Zutrittsverbot.
So wie die New Yorker Börse stellt sich die Wall Street insgesamt auf tiefgreifende Veränderungen ein. Langsam wird klar, wie das Virus Amerikas Finanzmetropole verändern wird.
Die Großbanken bauen um
Großbanken bereiten ihre Gebäude darauf vor, dass künftig nur noch ein Bruchteil der Mitarbeiter dort arbeiten wird. JP Morgan Chase, Amerikas größte Bank, geht davon aus, dass die Büros bis auf Weiteres maximal zur Hälfte ausgelastet sind. Ähnlich plant auch Morgan Stanley – und alles sei auf freiwilliger Basis. „Unter keinen Umständen werden Mitarbeiter dazu gezwungen werden, in diesem Jahr zurück an ihre Schreibtische zu kommen, falls sie gesundheitliche Bedenken haben“, stellte CEO James Gorman bei der Hauptversammlung der Bank am Donnerstag klar.
Citigroup überlegt, zusätzliche Büros in New Jersey sowie in Westchester und Long Island, außerhalb von New York, anzumieten. Dort wohnen eine Reihe von Mitarbeitern, denen die lange Pendelei in die Stadt somit erspart würde.
Auch andere Finanzinstitute, aber auch Technologieunternehmen und Rechtsanwälte interessieren sich für Bürofläche außerhalb von New York City, wie Makler berichten. Barclays überlegt, bestimmte Mitarbeiter ein bis zwei Tage zurück in die Büros in London und in New York zu lassen und den Rest der Woche Heimarbeit anzuordnen.
Die bisherigen Bürolayouts sind nicht dafür geeignet, die neuen Abstandsregeln einzuhalten. Also sind Umbauten nötig. So werden JP Morgan, Morgan Stanley und viele andere die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter über größere Flächen verteilen. Das heißt auch: Die Banker müssen sich daran gewöhnen, nicht mehr ihren designierten Arbeitsplatz zu haben.
JP Morgan hat die persönlichen Gegenstände der Mitarbeiter in Kartons packen lassen. Da nur ein Teil der Mitarbeiter in den Büros arbeiten wird, ist Flexibilität wichtig. Auch die Kantinen werden anders aussehen. Sie werden weniger Sitzplätze haben, nur bargeldloses Zahlen anbieten und statt Buffets werden Speisen vor allem einzeln abgepackt angeboten, um die Ansteckungsgefahr zu verringern.
Die Nyse wird ihre übrigen Mitarbeiter zunächst weiter von zu Hause arbeiten lassen, kündete Cunningham an. Die plötzliche Umstellung hat in der stark regulierten Finanzbranche erstaunlich gut funktioniert – vor allem für Wertpapierhändler, für die der Gang an einen festen Arbeitsplatz jahrelang ohne Alternative war.
Debatte um Präsenzhandel
Die meisten nahmen ihr neues Arbeitsumfeld mit Humor. Unter dem Hashtag „Rona Rigs“ zeigen Trader ihre zu Hause eingerichteten Arbeitsstationen – mit mehreren Monitoren, Telefonen und Fernsehern. IPC, ein Spezialist für Trading-Technologie aus New York, freut sich über große Nachfrage, unter anderem für Geräte, die mehrere Telefonnummern miteinander verbinden, damit mehrere Händler sich Informationen zurufen können.
Das schürt erneut die Debatte darüber, ob Börsen überhaupt noch Präsenzhandel brauchen. Eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der New York University und der University of Illinois in Chicago zeigt, dass die Auktionen zum Handelsschluss der Nyse bei geschlossenem Parkett sogar glatter liefen. Damit widersprechen sie Cunningham, die immer dafür plädiert hat, den Präsenzhandel neben dem elektronischen aufrechtzuerhalten.
Einen ähnlichen Trend hat auch das Brokerhaus Charles Schwab bei der Optionsbörse CBOE in Chicago festgestellt. Sie schloss bereits am 16. März ihren Handelssaal und plant nun, ihn am 1. Juni wieder zu öffnen.
Cunningham und andere Befürworter des Parketthandels sagen, es entstehen Vorteile, wenn Kauf- und Verkaufsgebote zu einer zentralen Stelle geleitet werden und wichtige Entscheidungen von erfahrenen Händlern getroffen werden. Allerdings muss auch sie einräumen, dass es noch Monate dauern wird, bis das Parkett wieder voll besetzt ist.
Welche Folgen das hat, ist noch nicht absehbar. Und ein Risiko bleibt. „Wir müssen realistische Erwartungen haben. Unser Plan ist darauf ausgelegt, die Gefahr der Neuansteckungen zu vermeiden, aber nicht zu eliminieren“, gibt Cunningham zu bedenken. Und wenn mehr Menschen zurück ins Büro kommen, steige die Gefahr neuer Infektionen. Die Wall Street bereitet sich darauf vor, dass der neue Normalzustand noch eine ganze Weile anhalten wird.
Mehr: Die Chefin der New Yorker Börse kämpft um das Börsenparkett.
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