Prämiensparverträge Streit um Sparverträge eskaliert: Mehr als 1000 Kreditinstitute legen Widerspruch gegen Bafin-Entscheidung ein

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin will die deutschen Kreditinstitute per Allgemeinverfügung zu Zinsnachzahlungen zwingen. Die Geldhäuser wehren sich.
Frankfurt Im Streit um Sparverträge laufen die deutschen Kreditinstitute Sturm gegen die Finanzaufsicht Bafin. Mehr als zwei Drittel der Geldhäuser in Deutschland hat Widerspruch gegen eine Allgemeinverfügung eingelegt. Es seien 1100 Widersprüche eingegangen, teilte die Bafin am Freitag auf Handelsblatt-Anfrage mit.
Die Zahl könnte letztlich sogar noch etwas höher liegen, weil vermutlich noch nicht alle Posteingänge erfasst sind. Die Widerspruchsfrist lief in der Nacht auf Freitag aus. Das verdeutlicht, wie verärgert die deutsche Finanzbranche über die Allgemeinverfügung ist, die sie zu hohen Zinsnachzahlungen zwingen könnte. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), die gemeinsame Interessenvertretung der deutschen Bankenverbände, hatte bereits deutlich gemacht, dass sie die Bafin-Sichtweise nicht teilt.
Sollte die Bafin nach eigener Prüfung die Widersprüche ablehnen, können die Banken und Sparkassen vor Verwaltungsgerichten klagen. Angesichts der Flut an Widersprüchen ist auch von etlichen Klagen auszugehen.
Die Finanzaufsicht hatte die Allgemeinverfügung Ende Juni veröffentlicht. Sie will die deutschen Kreditinstitute dazu zwingen, Inhaberinnen und Inhaber lang laufender Prämiensparverträge über unwirksame Zinsklauseln zu informieren. Falls Banken und Sparkassen falsche Zinsklauseln verwendet haben, sollen sie die Vertragslücke schließen und Verbrauchern Nachzahlungen zusagen.
Die betroffenen Prämiensparverträge dürften vor allem von Sparkassen stammen. Hintergrund des Streits, der seit Längerem schwelt, ist die korrekte Berechnung variabler Grundzinsen in Sparverträgen, die in den Jahren 1990 bis 2010 abgeschlossen wurden. Bei Prämiensparverträgen erhalten Kunden neben einer variablen Grundverzinsung einen mit der Zeit steigenden Bonus.
Kunden steht Nachzahlung zu
Die Verbraucherzentrale Bayern hat berechnet, dass Kunden verschiedener Geldhäuser im Durchschnitt rund 4600 Euro an Nachzahlungen zustehen. Auf dieselbe Summe kam die Verbraucherzentrale Brandenburg. Da die Sparkassen bereits Tausende Prämiensparverträge gekündigt haben, geht es der Bafin auch darum, die Verjährung weiterer Verbraucheransprüche zu verhindern.
Nun sollen die Kreditinstitute, so der Wille der Bafin, ihren Kunden entweder eine Nachberechnung garantieren oder einen individuellen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten, die die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2010 berücksichtigt.
Nachzahlungen dürften vor allem Verbraucher betreffen, deren Verträge bereits gekündigt wurden oder ausgelaufen sind. Die Anpassung der Zinsklausel wiederum spielt eine Rolle bei noch laufenden Verträgen und hätte sowohl eine Nachzahlung als auch künftig höhere Zinszahlungen zur Folge.
Es drohen Zusatzkosten in Milliardenhöhe
Für die Kreditinstitute besteht die Gefahr von Zusatzkosten in Milliardenhöhe. Aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler geht hervor, dass es weit über eine Million Prämiensparverträge geben dürfte. Demnach hat die Aufsicht Kenntnis von 255 Kreditinstituten mit 1,12 Millionen Verträgen, die Zahlen stammten aus Bafin-Erhebung seit dem Jahr 2018.
Die DK verwies im Juni darauf, dass der BGH in Kürze konkret über die Kriterien bei Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen entscheidet. Es sei „erstaunlich“, dass die Aufsicht „dieser Klärung, für die die Zivilgerichte zuständig sind, vorgreift“.
Mehrere Klagen der Verbraucherzentrale Sachsen zur korrekten Zinsberechnung sind beim BGH anhängig. Es geht um so genannte Musterfeststellungsklagen.
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