Die Rahmenbedingungen könnten kaum schlechter sein. Die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen seit März 2016 bei null. Und wenn Geschäftsbanken über Nacht überschüssiges Geld bei der Notenbank parken, müssen sie dafür 0,4 Prozent Strafzinsen bezahlen. Alleine diese Negativzinsen haben die Commerzbank im vergangenen Jahr rund 130 Millionen Euro gekostet.
Doch Martin Zielke, der bis zu seiner Berufung zum Vorstandschef im Mai 2016 die Privatkundensparte der Commerzbank leitete, lässt sich davon nicht abschrecken. „Das beste Mittel gegen die Folgen des negativen Zinsumfelds heißt Wachstum“, lautet sein Motto. Und deshalb hat er im Herbst 2016 das Ziel ausgegeben, bis 2020 unter dem Strich zwei Millionen neue Privatkunden zu gewinnen.
Die Commerzbank kommt dabei gut voran. Bis Ende vergangenen Jahres verzeichnete sie bereits 639 000 Neukunden und liegt damit über Plan. Dafür sorgten auch aggressive Werbemaßnahmen wie ein „Begrüßungsgeld“. Diese kosten erst einmal Geld und belasten – wie die EZB-Geldpolitik – das Ergebnis. In der Folge sank der operative Gewinn des Privatkundengeschäfts im vergangenen Jahr um ein Fünftel auf 867 Millionen Euro.
Doch Zielke und Privatkundenchef Michael Mandel sind überzeugt, dass sich die Investitionen auf lange Sicht lohnen. 150 bis 250 Euro kostet die Commerzbank die Akquise eines neuen Kunden im Schnitt. Und 18 Monate dauert es nach Angaben des Instituts, bis es mit ihm dann Geld verdient. Im vergangenen Jahr haben die neuen Kunden bereits für zusätzliche Erträge von rund 150 Millionen Euro gesorgt – und so dazu beigetragen, dass die Erträge im Privatkundengeschäft insgesamt stabil geblieben sind. Im laufenden Jahr peilt die Sparte eine Ertragssteigerung an.
Laut Finanzchef Stephan Engels stehen die Investoren hinter der eingeschlagenen Strategie. „Es gibt inzwischen ein größer werdendes Grüppchen, das sagt: ‚Macht doch noch schneller noch mehr. Wenn ihr das Kundenwachstum noch mal verdoppeln könnt, was natürlich eine Ergebnisbelastung wäre – wir wären dabei‘“, sagte er im Februar. Noch stärker profitieren von den üppigen Kundeneinlagen würde das Institut allerdings erst, wenn die Zinsen steigen – und das wird in Europa wohl noch einige Zeit dauern.
Als die Commerzbank im Sommer 2012 ihren Ausstieg aus der Schiffsfinanzierung verkündet, ist die Empörung groß. Das Institut, das damals noch mit rund 17 Milliarden Euro in der Branche engagiert ist, verprelle mit dem Schritt seine norddeutsche Kundschaft, klagen Reeder. Auch die Politik ist nicht erfreut. „Das ist ein Signal zur Unzeit“, schimpfte FDP-Politiker Hans-Joachim Otto, damals parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Heute weiß man, dass die Commerzbank mit ihrer Entscheidung richtiglag. Denn die Schiffsmärkte darben immer noch vor sich hin – und Schiffsfinanzierer wie die NordLB, die damals keinen Kurswechsel vollzogen haben, ebenso. Die Commerzbank muss sich über dieses Thema inzwischen keine großen Sorgen mehr machen. Im vergangenen Jahr baute sie ihr Schiffsportfolio fast um die Hälfte auf 2,6 Milliarden Euro ab. Und im Rahmen neuer Bilanzierungsstandards hat das Geldhaus die verbliebenen Kredite nun so bewertet, dass es sie möglicherweise zeitnah ganz losschlagen kann. Bis 2020 sollen die Schiffskredite „weitgehend auf null“ gesenkt werden.
Die Commerzbank-Abwicklungseinheit Asset & Capital Recovery (ACR), in der neben den Schiffskrediten auch Staatsfinanzierungen und gewerbliche Immobilienkredite liegen, hat ihren operativen Verlust im vergangenen Jahr fast halbiert auf 269 Millionen Euro. Im laufenden Jahr geht das Institut „von einem nochmals deutlich verringerten operativen Verlust aus“.
Das Risikoprofil der Commerzbank sei inzwischen „sehr gesund“, sagt Finanzchef Stephan Engels. Der Anteil der ausfallgefährdeten Darlehn am gesamten Kreditportfolio der Bank sei im vergangenen Jahr auf 1,3 Prozent gesunken. „Das ist in Europa Benchmarkniveau.“ Die Finanzaufsicht, die sich wegen der Altlasten der Bank lange Zeit Sorgen machte, ist mit der Entwicklung ebenfalls zufrieden. „Die Commerzbank ist auf einem guten Weg“, sagt ein Bankenaufseher.
Die Bilanzsumme, die 2009 noch 844 Milliarden Euro betrug, ist inzwischen auf 452 Milliarden Euro geschrumpft. Parallel hat sich die Kapitalausstattung deutlich verbessert. Im vergangenen Jahr kletterte die harte Kernkapitalquote auf 14,1 Prozent, womit die Bank in der Branche gut dasteht.
Wenn sich Finanzinstitute nicht an die Vorgaben von Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden halten, kann es teuer werden. Das weiß die Commerzbank aus eigener Erfahrung. Vor drei Jahren brummten die US-Behörden dem Institut wegen Sanktionsverstößen und laxer Geldwäschekontrollen eine Strafe von 1,45 Milliarden Dollar auf. Das Geldhaus war damals unter anderem wegen Geschäften mit der staatlichen iranischen Reederei IRISL in den Fokus der Behörden geraten.
Und auch heute hat die Commerzbank – wie andere Geldhäuser – mit der Einhaltung aller Regeln (Compliance) so ihre Probleme. Die britische FCA monierte zuletzt, dass die Maßnahmen der Londoner Commerzbank-Dependance zur Verhinderung von Finanzkriminalität mangelhaft seien, wie das Handelsblatt vergangenes Jahr exklusiv berichtete. Auch in Singapur hat die Bank Kunden Finanzkreisen zufolge nicht gründlich genug überprüft.
Im Rahmen der US-Strafe wurde bei der Commerzbank ein sogenannter Monitor installiert, der überprüft, ob die Bank wie versprochen ihre Abwehrmaßnahmen gegen illegale Geschäfte verstärkt. Und auch die britische Aufsicht überwacht das Institut genau. Bereits im Juni 2016 hat die Bank eine Beratungsfirma als sogenannte „Skilled Person“ mandatiert, heißt es im Geschäftsbericht. „Das Beratungsunternehmen hat eine Überprüfung bestehender Strukturen und Prozesse (insbesondere bezüglich Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung sowie Sanktionen/Embargos) vorgenommen.“ Mittlerweile habe das Institut einen Maßnahmenplan erarbeitet, über dessen Umsetzung das Beratungsunternehmen halbjährlich an die FCA berichte. „Es ist nicht auszuschließen, dass sich daraus gegebenenfalls Aufwendungen (zum Beispiel für Personal oder andere Ressourcen) ergeben könnten.“
Vorstandschef Martin Zielke erklärte, das Thema Compliance habe für die Bank hohe Priorität: „Deswegen haben wir einen sehr großen Fokus darauf, diese Themen zu adressieren.“ Die Investitionen in den Bereich hätten sich 2017 nochmals deutlich erhöht. Finanzchef Stephan Engels betonte jedoch, das Institut habe wegen der Verfehlungen in London und Singapur bisher kein Geld für mögliche Strafzahlungen zurückgelegt.
Als Stephen Feinberg, Chef des Großaktionärs Cerberus, Ende 2017 in Deutschland weilte, hatte er für die Commerzbank Finanzkreisen zufolge eine klare Botschaft: Das Institut muss effizienter werden. Aus seiner Sicht ist das Geldhaus noch zu komplex aufgestellt und bietet zu viele Dinge an. Die Zahlen des abgelaufenen Jahres geben Feinberg recht. Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag, die sogenannte Aufwandsquote, kletterte um 1,8 Prozentpunkte auf 77,3 Prozent.
Die Kennzahl wird maßgeblich von den Erträgen beeinflusst – und die sind in Deutschland wegen der EZB-Zinspolitik und des harten Wettbewerbs geringer als in anderen Ländern. Doch andere deutsche Geldhäuser weisen trotz dieser Rahmenbedingungen eine deutlich bessere Cost-Income-Ratio auf. Bei der DZ Bank lag sie im vergangenen Jahr bei 59 Prozent, bei der BayernLB bei 60 Prozent. Die Sparkassen kamen – vor Bewertungseffekten – auf 65 Prozent.
Bei der Commerzbank gibt es hier also noch großen Verbesserungsbedarf. Vorstandschef Martin Zielke hat das Ziel ausgegeben, die Quote bei einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld bis 2020 auf unter 66 Prozent zu drücken, bei einer Normalisierung des Zinsumfelds soll sie auf rund 60 Prozent sinken.
Auch die Online-Tochter Comdirect, an der die Commerzbank 82 Prozent hält, steht wegen ihrer Cost-Income-Ratio in der Kritik. „Kleinanleger, die seit dem Comdirect-Börsengang an Bord sind, ersticken in Commerzbank-Kostenstrukturen“, schrieb der Londoner Comdirect-Aktionär Petrus Advisers in einem Brief an Zielke. Comdirect musste im vergangenen Jahr 75 Cent aufwenden, um einen Euro zu verdienen. Bei anderen Onlinebanken wie der ING-Diba waren es lediglich 44 Cent, bei Fineco aus Italien sogar nur knapp 40 Prozent.
Comdirect-Chef Arno Walter hat die Kritik daran wiederholt zurückgewiesen. „Unser primärer Fokus liegt auf Wachstum, nicht auf den Kosten“, sagte er dem Handelsblatt. „Für mich ist klar, dass wir nicht auf Wachstum verzichten, nur um die Cost-Income-Ratio zu drücken.“ Zielke argumentiert ähnlich. Die Commerzbank nehme aktuell viel Geld in die Hand, um neue Kunden zu gewinnen. Dabei gehe es nicht um kurzfristige Erfolge, „sondern um die strategische Ausrichtung für die Zukunft“.
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