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Private Equity in der Kritik Bitte keine neue Heuschreckenplage

Vor Jahren geißelte der damalige SPD-Chef Müntefering die Exzesse privater Großinvestoren als gefräßige Heuschrecken. Nun fällt Private Equity in alte Muster zurück. Das Problem ist das viele Geld. Eine Analyse.
12.04.2017 - 11:56 Uhr Kommentieren
Franz Müntefering verglich Private-Equity-Fonds mit dem Insekt. Quelle: ap

Franz Müntefering verglich Private-Equity-Fonds mit dem Insekt.

(Foto: ap)

Um fünf Uhr früh war es am vergangenen Montag so weit: Alle rechtlichen Hürden für den zweitgrößten Deal von Finanzinvestoren in Deutschland waren überwunden. Vorstand und Aufsichtsrat des Arzneimittelherstellers Stada empfahlen den Aktionären, das Angebot der Beteiligungsgesellschaften Bain und Cinven anzunehmen. 5,3 Milliarden Euro ist den Private-Equity-Häusern der Konzern wert. Das entspricht gut dem 13-Fachen des bereinigten Betriebsgewinns vor Abschreibungen, auch Ebitda genannt. Ein teurer Preis. Erinnerungen an die Zeit vor der Finanzkrise werden wach, als es bei Preisen und der Verschuldung hoch hergegangen war, bis die Realität Private Equity einholte. Aus der Zeit vor der Krise stammen auch die Mega-Übernahmen, die für Aufsehen sorgten. Den gewagtesten Deal aller Zeiten erlaubte sich eine Einkaufsgemeinschaft um die Branchengrößen KKR und TPG im Februar 2007. Die Bieter übernahmen in der damals vorherrschenden Euphorie den Stromversorger TXU aus Texas für 45 Milliarden Dollar. Die Übernahme endete sieben Jahre später in einer Insolvenz. Übrig blieben ein Schuldenberg von 40 Milliarden Dollar und die bittere Erfahrung, die Finger von solchen Transaktionen zu lassen.

In die Jahre des Überschwangs fällt auch die Heuschrecken-Debatte, die der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering angezettelt hatte. Er sprach von verantwortungslosen Heuschreckenschwärmen, die die Substanz absaugten und Unternehmen kaputtgehen ließen, sobald sie sie abgefressen hätten. Mit seinen plakativen Worten sorgte er im Bundestagswahlkampf 2005 für Aufsehen. Viel wichtiger: Der Ruf der damals ziemlich undurchsichtigen Branche war dahin. Nur mehr Offenheit sowie ein Umdenken in der Branche selbst konnten Abhilfe schaffen. Das benötigte Zeit und Überzeugungsarbeit. Denn in der Hochphase vor der Finanzkrise agierten die Finanzinvestoren tatsächlich teilweise wie Heuschrecken. Geld wurde vor allem durch „Financial Engineering“ gemacht. Einfach ausgedrückt: Mit wenig Eigenkapital wurden Unternehmen gekauft, mit Schulden aus der Finanzierung der Übernahme vollgeladen und dann wieder teuer verkauft. Renditen von 25 Prozent waren damals üblich.

Müntefering selbst hatte das abschreckende Beispiel des Armaturenherstellers Grohe im Kopf, der von einem Finanzinvestor zum nächsten weitergereicht wurde und lange unter großer Schuldenlast litt. Viele Arbeitsplätze waren gestrichen worden, bevor das Unternehmen wieder gesundete. Heute gehört Grohe zur japanischen Lixil Group. Es gibt aber auch jüngere Beispiele, die schiefgingen. Der vom Finanzinvestor Blackstone gekaufte Sportausrüster Jack Wolfskin etwa kämpft mit den Schulden, die dem Unternehmen aufgebürdet wurden. Gleichzeitig läuft das Geschäft schlechter als erhofft. Auch bei der ursprünglich vom Private-Equity-Haus KKR gekauften Autowerkstattkette ATU ging es lange Zeit nicht um Strategie und Schrauben. Der Konzern musste saniert werden. Hunderte Arbeitsplätze gingen verloren. Die Werkstattkette gehört nun dem französischen Konkurrenten Mobivia.

Heute ist „Financial Engineering“ kaum ein Topthema mehr. Wichtig ist der Auf- und Umbau der Firmen. Gerade beim Kauf von Mittelständlern bieten sich hier für Private Equity viele Möglichkeiten. Nur ziehen die Mittelständler nicht so recht, auch wenn der Ruf der Finanzinvestoren sich gebessert hat. Fest steht nach einer Untersuchung des Dachfondsanbieters von Private Equity, Advaq, dass in elf Jahren nach dem Jahr 2000 in Europa 142.000 Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Aber machen wir uns nichts vor. Auch heute noch wollen Finanzinvestoren eine zweistellige jährliche Rendite von gut zehn Prozent erzielen. Wenn Unternehmen umgebaut und in die Gewinnzone geführt werden sollen, sind Entlassungen schwer zu vermeiden.

Geschickt ist es deshalb, wenn Unternehmen wie im Fall Stada weitreichende Schutzzusagen für ihre Mitarbeiter aushandeln. Der Erwerb des Konzerns ragt aber auch wegen des hohen Kaufpreises heraus. Bis zur letzten Stunde war der Konkurrenzkampf um das Unternehmen hart, da ein anderes Bieterkonsortium ebenfalls unbedingt zum Zuge kommen wollte. In diesem Umfeld fiel es Vorstand und Aufsichtsrat leichter, den Investoren Zugeständnisse abzutrotzen und den Preis zu treiben. Berücksichtigt wurde auch der Umgang mit Mitarbeitern in anderen Portfoliounternehmen von Bain und Cinven.

Branchenweit bereiten allerdings aktuelle Entwicklungen Sorgen, die stark an alte Zeiten erinnern. Auf Private Equity lastet ein enormer Druck, da zu viel Geld in die Branche fließt, das investiert werden muss. Nur, es mangelt an Möglichkeiten in Deutschland. In der Folge schaukeln sich Finanzinvestoren gegenseitig hoch und bezahlen überhöhte Preise für Unternehmen. Es fühlt sich an wie bei den Übertreibungen im Jahr 2007, bevor die Welt in die Finanzkrise abrutschte. So weit darf es nicht kommen. Wir brauchen keine Heuschreckenplage.

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