Projekt „Citiplex“ Google streicht gemeinsames Bankkonto mit der Citigroup

Der Tech-Konzern wollte zusammen mit der Citigroup ein Girokonto starten. Nun wurde das Vorhaben gestoppt.
New York, Frankfurt Es hätte der erste große Coup von Jane Fraser werden sollen. Die neue Citigroup-Chefin wollte in diesem Jahr gemeinsam mit Google ein gemeinsames Bankkonto herausgeben. Nutzer sollten das „Citiplex“ genannte Konto über die Google-Pay-App eröffnen. Dabei wäre Google für die Interaktion mit den Kunden zuständig gewesen. Das Geld sollte jedoch bei der Citigroup geparkt werden, um die nötige regulatorische Sicherheit zu bieten.
Doch die erste Kooperation dieser Art zwischen der Wall Street und dem Silicon Valley wurde nun nach mehreren Verzögerungen abgesagt. Darüber hatte zunächst das „Wall Street Journal“ berichtet.
Dem Tech-Konzern fehlen offenbar wichtige Mitarbeiter. Der Leiter des Projekts, Caesar Sengupta, hat Google im April verlassen, um ein eigenes Fintech zu gründen – und dabei Medienberichten zufolge eine Reihe weiterer Mitarbeiter abgeworben. Google wolle sich nun auf „Dienstleistungen für Banken und Finanzdienstleister konzentrieren, statt diese Dienste selbst anzubieten“, teilte der Konzern mit.
Seit der Finanzkrise interessieren sich Tech-Unternehmen verstärkt für die Bankenwelt und sind in den vergangenen Jahren immer weiter in das Geschäft mit Bezahldienstleistungen und Kreditvergabe vorgedrungen – auch in Europa. Seitdem hat sich eine komplexe Landschaft entwickelt, in der Banken und „Big Tech“ teils kooperieren und teils konkurrieren.
Google ist nicht der einzige Konzern, der Rückschläge in diesem Bereich hinnehmen muss. Amazon überlegte Medienberichten zufolge schon 2018, eigene Girokonten anzubieten, hat das Projekt jedoch noch immer nicht durchgezogen. Immerhin gibt es Amazon-Kreditkarten, auch hier sind Banken als Partner dabei. Auch Apple bietet gemeinsam mit Goldman Sachs eine eigene Kreditkarte an.
Facebooks Kryptovorhaben verzögert sich
Facebook wollte eigentlich längst eine eigene Kryptowährung auf den Markt gebracht haben. Doch nach massivem Widerstand von Regulierern und Notenbankern weltweit musste das Projekt deutlich verändert und umbenannt werden. Der „Diem Coin“ soll nun in den kommenden Monaten starten.
Im Zahlungsgeschäft sind die Tech-Konzerne gleichwohl aktiver, vor allem Apple und Google über ihre Bezahldienste. Kundinnen und Kunden können Apple Pay und Google Pay zwar nur mit einer Bank- oder Kreditkarte nutzen, doch die Tech-Konzerne und die Funktion ihrer Smartphone-Apps stehen hier im Vordergrund. Auch Amazon hat mit Amazon Pay eine eigene Bezahlmarke geschaffen.
Boris Strucken, der den IT-Dienstleister FIS in Deutschland führt, betrachtet das Bankgeschäft aber als deutlich anspruchsvoller als den Zahlungsverkehr – „nicht nur mit Blick auf die regulatorischen Vorgaben, sondern auch, was Prozesse und Abwicklung angeht“. Google, so Strucken, habe „vermutlich bisher nicht genug Expertise für Bankgeschäfte“.
Allerdings sollte der Stillstand bei Tech-Konzernen nicht den Eindruck erwecken, dass sich die Konkurrenz für die Banken abschwächt, warnen Analysten von S&P Global. Es gebe eine Reihe von Initiativen, die darauf aus seien, dass Kunden mehr Geld in Apps wie Paypal und Square halten als auf ihrem Bankkonto, gibt Fintech-Analyst Nimayi Dixit zu bedenken. So würde man den Banken Konkurrenz machen. „Transaktionen von Mitteln, die sich in der App befinden, sind einfacher durchzuführen und dadurch profitabler als Kartenzahlungen, was die Umsätze weiter ankurbelt.“
Paypal mit Sparkonto in den USA
So hat der Bezahldienst Paypal in den USA in Zusammenarbeit mit der Synchrony Bank ein Bankkonto angekündigt, das mit 0,4 Prozent vergleichsweise hoch verzinst ist. Konkurrent Square arbeitet ebenfalls mit einer Bank zusammen, um seinen Geschäftskunden Giro- und Sparkonten sowie Kredite aus einer Hand anzubieten.
FIS-Experte Strucken meint, dass Newcomer wahrscheinlich selbst eine Bank gründen und Bankmanager einstellen müssten, wenn sie in dem Geschäft eine Rolle spielen wollten. „In Deutschland sehe ich Check24 und Klarna mit ihren Bankangeboten durchaus als Gefahr für etablierte Geldhäuser.“
Das Vergleichsportal Check24 bietet seit einiger Zeit ein eigenes Girokonto an. Der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna, der sich immer mehr zu einer Shopping-App entwickelt, hat dieses Jahr ebenfalls ein Girokonto für deutsche Kundinnen und Kunden auf den Markt gebracht.
Auch impliziert die Absage des gemeinsamen Kontos von Google und Citigroup noch nicht, dass solche Initiativen nicht später wieder an Schwung gewinnen können. Laut einer Erhebung der Beratungsfirma Bain zeigen sich fast 40 Prozent der Befragten in Deutschland offen dafür, Finanzprodukte bei Apple, Amazon, Facebook und Google auszuprobieren. Unter Jüngeren ist der Anteil noch größer.
Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling warnte Banken am Dienstag vor der zunehmenden Konkurrenz der Tech-Konzerne. Nach wie vor würden Geldhäuser andere Geldhäuser als ihre Hauptwettbewerber betrachten, sagte Wuermeling auf einem Finanzkongress der „Börsen-Zeitung“. Das könnte sich mittelfristig als Irrtum erweisen.
„Wer weiß schon, wann die ersten Verbraucher ihr Gehalt nicht mehr auf ein Bankkonto, sondern auf ihr Amazon-Konto überweisen lassen?“, gab Wuermeling zu bedenken, der im Vorstand der Bundesbank für die Bankenaufsicht zuständig ist. Die Entscheidung darüber, wo in Zukunft das Privatkundengeschäft stattfinden werde – in der Bank oder auf einer Plattform –, sei noch nicht getroffen. „Aber das Rennen ist eröffnet.“
Tech-Konzerne werden Zusammenarbeit mit Banken weiter suchen
Boris Strucken geht davon aus, dass Tech-Konzerne neue Anläufe unternehmen werden, gemeinsam mit Banken weitere Finanzdienstleistungen anzubieten. Geldhäuser müssen seiner Einschätzung zufolge ihre Rolle aber genau abwägen, „weil die Tech-Konzerne letztlich dominant in einer solchen Partnerschaft sein werden“.
Auch Citigroup will nun nach anderen Wegen suchen, um mit Google zu kooperieren. Denn das Interesse der Kunden an einem Gemeinschaftskonto war überraschend groß. Gut 10.000 Menschen pro Woche ließen sich auf die Warteliste setzen, die am Ende gut 400.000 Interessenten umfasst haben soll.
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