Quartalszahlen Umbau mit Hindernissen: Commerzbank rutscht tief in die roten Zahlen

Jörg Hessenmüller ist der vierte Vorstand, der die Commerzbank innerhalb eines Jahres verlässt.
Frankfurt Manfred Knof hat sich bei seinem Amtsantritt keine Illusionen über den Zustand der Commerzbank gemacht. Doch seine ersten sieben Monate als Vorstandschef haben ihm noch einmal deutlich vor Augen geführt, was für eine gewaltige Herausforderung der Umbau von Deutschlands zweitgrößter Privatbank ist.
Im zweiten Quartal setzten dem Institut nicht nur die Kosten für den Konzernumbau zu, sondern auch Sonderabschreibungen wegen eines gescheiterten IT-Projekts sowie Belastungen durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Bankgebühren. Unter dem Strich machte die Commerzbank einen Verlust von 527 Millionen Euro nach einem Gewinn von 183 Millionen im Vorjahresquartal.
Der Fehlbetrag fiel höher aus als von Analysten erwartet. Auch bei den Erträgen, die um 18 Prozent auf 1,86 Milliarden Euro sanken, blieb das Institut hinter den Erwartungen zurück. Die Commerzbank-Aktie verlor daraufhin am Mittwoch zeitweise mehr als sechs Prozent.
Knof will sich von diesen Rückschlägen nicht vom Kurs abbringen lassen – und die Sanierung der Bank mit harter Hand vorantreiben. „Ich werde sicherstellen, dass alle Hürden schnellstmöglich aus dem Weg geräumt werden“, kündigt er an. „Wir treiben alle strategischen Initiativen entschlossen voran und sind bereit, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.“
Knof will bis Ende 2024 weltweit 10.000 Vollzeitstellen streichen und eine Eigenkapitalrendite von sieben Prozent erreichen. Analysten haben jedoch Zweifel daran, dass er dieses Ziel erreichen wird. Im Schnitt trauen sie der Bank nur eine Rendite von 5,1 Prozent zu. „Die Risikovorsorge, eine mehrjährige Restrukturierung sowie Ertragseinbußen sind einige der größten Unsicherheitsfaktoren für die nächsten Jahre“, schrieben die Analysten der Schweizer Großbank UBS kürzlich in einer Studie.

„Es wäre besser für die Profitabilität des deutschen Bankensystems, wenn wir dieses Modell hinter uns lassen.“
Ob die Commerzbank im laufenden Jahr unter dem Strich ein positives oder negatives Ergebnis ausweisen wird, ist laut Vizechefin Bettina Orlopp weiter unklar. „Es schwabbelt ziemlich um die Nulllinie rum“, sagte sie. Ausschlaggebend könnten am Ende die Wagniskapital-Tochter Commerz Ventures sowie die Entwicklung der Risikovorsorge sein.
Coronakrise trifft Banken weniger stark als befürchtet
Bisher schlugen Kreditausfälle infolge der Coronakrise bei der Commerzbank weniger stark zu Buche als befürchtet. Im zweiten Quartal ging die Risikovorsorge um über 80 Prozent auf 87 Millionen Euro zurück. Über eine ähnliche Entwicklung hatte vergangene Woche bereits die Deutsche Bank berichtet. Die Commerzbank rechnet 2021 nun mit einer Risikovorsorge von weniger als einer Milliarde Euro nach 1,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.
Entwarnung will Orlopp wegen einer möglichen vierten Welle und dem Auslaufen staatlicher Hilfsprogramme jedoch noch nicht geben. „Ein Anstieg der pandemiebedingten Ausfälle in unserem Kreditportfolio in der zweiten Jahreshälfte oder im nächsten Jahr ist nicht auszuschließen.“ Die Bank hat deshalb eine Ende 2020 gebildete vorsorgliche Rückstellung für mögliche Ausfälle von 495 Millionen Euro bisher nicht aufgelöst.
Ein weiterer Lichtblick im zweiten Quartal war die Tochter Commerz Ventures, die dem Institut einen Bewertungsgewinn von gut 100 Millionen Euro bescherte. Verantwortlich dafür waren die Beteiligungen an der britischen Tier-Versicherung Bought by Many sowie vor allem am US-Start-up Marqeta.
Die Commerzbank hatte sich an mehreren Finanzierungsrunden des amerikanischen Zahlungsdienstleisters beteiligt und hält noch einen sehr geringen Prozentsatz an dem Unternehmen. Nach dem Börsengang von Marqeta im Juni hat dieser Anteil deutlich an Wert gewonnen. Insgesamt ist das Unternehmen aktuell rund 15 Milliarden Dollar wert – und damit in etwa doppelt so viel wie die Commerzbank.
Angesichts der guten Entwicklung von Commerz Ventures will das Frankfurter Geldhaus seiner Wagniskapitalsparte weitere Mittel für neue Investitionen zur Verfügung zu stellen. Die Planungen für die Auflage eines dritten Fonds liefen, sagte Orlopp.
Freibetrag bei Negativzinsen sinkt auf 50.000 Euro
Das Privatkundensegment baute sein operatives Ergebnis im zweiten Quartal vor allem dank der gesunkenen Risikovorsorge um gut ein Viertel auf 138 Millionen Euro aus. Das Institut will in der Sparte in den kommenden Jahren 340 Filialen schließen – 240 davon noch im laufenden Jahr.
Zudem planen die Commerzbank und ihre Onlinetochter Comdirect, das bedingungslos kostenlose Girokonto abzuschaffen und die Negativzinsen der EZB in größerem Stil an ihre Privatkunden weiterzugeben.
Die geplante Einführung neuer Kontomodelle verzögert sich jedoch wegen eines BGH-Urteils. Die Richter hatten entschieden, dass Klauseln, laut denen Kunden Änderungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht ausdrücklich zustimmen müssen, unwirksam sind.
Die Commerzbank will die neuen Preismodelle, bei denen in vielen Fällen erstmals Gebühren erhoben werden, nun schrittweise einführen und Kunden dazu um ihre Zustimmung bitten. Dies solle entweder online oder bei einem Gespräch in der Filiale geschehen, sagte Vizechefin Orlopp. „Das hat auch was mit Nachhaltigkeit zu tun, dass wir nicht zu viel Papier in der Weltgeschichte rumschicken.“ Wenn die Bank Kunden weder online noch in der Filiale erreiche, werde sie zu einem späteren Zeitpunkt aber auch Briefe verschicken.
Für Gebührenrückforderungen wegen des BGH-Urteils hat die Commerzbank 66 Millionen Euro zurückgestellt. Alle Gebühren, die seit dem Urteil im April erhoben wurden, sollen in den nächsten Wochen automatisch zurückgebucht werden. Wenn Kunden für die Zeit davor Ansprüche geltend machen wollen, müssen sie selbst auf die Bank zugehen.
Darüber hinaus kündigte Orlopp an, dass Kunden mit hohen Einlagen künftig in größerem Umfang Negativzinsen bezahlen sollen. Für Neukunden wurde der Freibetrag bereits im August von 100.000 auf 50.000 Euro herabgesetzt. Auch einige Bestandskunden haben einer entsprechenden Regelung bereits zugestimmt. Der Rest soll laut Orlopp nun „in den kommenden Wochen und Monaten“ neue Verträge unterschreiben, in denen ein Freibetrag von 50.000 Euro verankert ist.
100.000 Privatkunden kehren dem Institut den Rücken
Wegen Filialschließungen und der neuen Preispolitik haben der Commerzbank im zweiten Quartal unter dem Strich 100.000 Privatkunden den Rücken gekehrt. Finanzchefin Orlopp kann mit den Abhängen jedoch leben, da diese in der Vergangenheit nicht viel zu den Erträgen des Instituts beigesteuert haben. „Bisher haben wir die richtigen Kunden verloren“, sagte die Finanzchefin.
Wegen des Umbaus des Privatkundengeschäfts hat die Commerzbank bis Ende 2024 mit dem Abgang von 1,7 Millionen Kunden kalkuliert. Bisher sind laut Orlopp sowohl die Zahl der Abgänge als auch die damit verbundenen Ertragseinbußen geringer als erwartet.
Hauptverantwortlich für den hohen Verlust im zweiten Quartal waren eine Reihe von Sondereffekten. Für die Sanierung des Geldhauses fielen weitere Restrukturierungsaufwendungen in Höhe von 511 Millionen Euro an. Von den Gesamtkosten für den Konzernumbau von gut zwei Milliarden Euro hat die Commerzbank damit mittlerweile 1,9 Milliarden Euro verbucht.
Darüber hinaus schrieb das Institut 200 Millionen Euro für die gescheiterte Auslagerung der Wertpapierabwicklung an die HSBC ab. Zudem bildete das Institut weitere Rückstellungen für sogenannte Cum-Cum-Geschäfte. Mit diesen hatten Anleger bis Ende 2015 ihre Steuerlast bei Dividendengeschäften gedrückt.
Polnische Tochter wartet auf wegweisendes Gerichtsurteil
Sorgen bereitet der Commerzbank weiterhin ihre polnische Tochter mBank. Im zweiten Quartal stockte das Institut die Risikovorsorge für ein Kreditportfolio in Schweizer Franken um 55 Millionen Euro auf. Aufgrund niedriger Zinsen in der Schweiz hatten viele Polen einst Franken-Kredite aufgenommen, um ihr Haus zu finanzieren. Dann verlor die Landeswährung Zloty gegenüber dem Franken jedoch stark an Wert, wodurch die Belastungen für die Häuslebauer stiegen.
Viele Kreditnehmer gingen daraufhin wegen möglicherweise unrechtmäßiger Klauseln gegen polnische Geldhäuser vor. Allein gegen die mBank gibt es mittlerweile mehr als 10.000 Klagen. mBank-Chef Cezary Stypulkowski kündigte diese Woche an, er wolle den betroffenen Kunden in den kommenden Monaten außergerichtliche Vergleiche anbieten.
Mit Spannung blicken alle Beteiligten nun jedoch zunächst auf ein Urteil des polnischen Obersten Gerichtshofs zu dem Thema, das am 2. September erwartet wird. Abhängig von dem Richterspruch könnte die mBank dann entweder die Risikovorsorge auflösen oder sie müsste weitere Belastungen schultern.
Der schwierige Umbau der Commerzbank spiegelt sich auch im Aktienkurs des Instituts wieder. Das Papier hat sich seit Jahresanfang kaum bewegt, während der Branchenindex in diesem Zeitraum um 27 Prozent zulegte. Die Aktie der Deutschen Bank legte 17 Prozent zu.
Viele Investoren haben wegen der Aussicht auf eine wieder anziehende Konjunktur seit Jahresanfang verstärkt zu konjunktursensiblen Werten gegriffen. Die Commerzbank konnte von dem Trend hin zu zyklischen Aktien bisher jedoch nicht profitieren.
Mehr: Deutsche Bank und Commerzbank hinken beim Stresstest hinterher
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Die staatlichen Anteilseigner haben sehr lange Reformen verhindert - nun ist die Misere klar und wird hoffentlich behoben: In Zeiten des online bankings sind viele Filialen einfach obsolet und behindern den Übergang in moderne online Strukturen, die gegen die FinTechs konkurrieren müssen.
Aktienkultur
Bei der Commerzbank und der Deutschen Bank gibt es auffallende Gemeinsamkeiten seit dem Krisenbeginn 2008.
- Das Aufbringen immenser Summen für Kapitalerhöhungen durch die Aktionäre.
- Verzehr dieser Summen durch Strafzahlungen, Rechtskosten, Bonuszahlungen und sozial gepolsterten Personalabbau.
- 80 bis 90% Kursverluste für die Aktionäre.
- Inkompetente, teils „verlogene“ Prognosen der Vorgänger – CEOs
- Marode Performance im Vergleich zu anderen Instituten in der EU und USA.
Hr. Knof und Hr. Sewing sind die ersten CEOs die vermutlich aufräumen, wieder Anschluss an erfolgreiche Institute finden und klare Ziele gesetzt haben. Auch zur Ehre der Aktionäre. Trotzdem, es bleibt eine Herkulesaufgabe, diese sehr betagten Unternehmen zu erneuern.
Wenn der Staat die Hände im Spiel hat in der Wirtschaft und als Mitunternehmer dann kann man immer Niedergang und Misswirtschaft beobachten. Natürlich wird das immer anders bezeichnet, etwa "REstrukturierung". Aber es ist eben ganz einfach das was der Staat immer macht - Misswirtschaft! Die erbracht Leistung, egal in welchem Bereich, wird in aller Regel teurer UND schlechter :-|