Rücktritt im Aufsichtsrat Commerzbank-Führungskrise verschärft sich – Hauptversammlung wird verschoben

Die Bank sucht aktuell einen neuen Chefaufseher.
Frankfurt Es ist ein drastischer Schritt, der zeigt, welche Dimensionen das Personalchaos bei der Commerzbank mittlerweile angenommen hat. Die zweitgrößte deutsche Privatbank muss ihre diesjährige Hauptversammlung auf ein bislang unbekanntes Datum verschieben. Grund: Innerhalb weniger Tage verliert die Bank einen weiteren prominenten Kontrolleur und das just zu Beginn einer kostspieligen und schmerzhaften Umstrukturierung.
Andreas Schmitz hat am Mittwochabend bei einer Aufsichtsratssitzung sein Amt abgegeben. Die Bank bestätigte am Donnerstag in einer Mitteilung entsprechende Informationen des Handelsblatts.
Mit Schmitz kommt der Bank ein potenzieller Kandidat für die Nachfolge von Hans-Jörg Vetter abhanden, der Anfang des Monats aus gesundheitlichen Gründen als Aufsichtsratschef zurückgetreten war. Da nun kein klarer Kandidat für die Aufsichtsratsspitze zur Verfügung stehe, sei die Ratlosigkeit groß, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. „Das ist Chaos.“
Aufgrund der prominenten Abgänge im Kontrollgremium wird die Hauptversammlung der Commerzbank nicht wie geplant am 5. Mai stattfinden. Die Zeit bis dahin reiche nicht aus, um die zwei wichtigen Positionen im Kontrollgremium zu füllen. Im Idealfall sollte mindestens einer der Kandidaten das Potenzial und die Bereitschaft haben, auch den Vorsitz des Aufsichtsrats zu übernehmen, heißt es in Finanzkreisen. Ziel sei es, die Hauptversammlung „zeitnah abzuhalten“, betont die Bank.
Mit der Suche nach einem neuen Aufsichtsratschef hat das Kontrollgremium nach Informationen des Handelsblatts erneut die Frankfurter Headhunterin Christina Virzí beauftragt. Diese hatte die Bank bereits bei der Suche nach einem neuen Vorstands- und Aufsichtsratschef im Sommer 2020 unterstützt.
Schmitz sitzt erst seit Jahresanfang im Kontrollgremium der Commerzbank, an der der Bund nach der Finanzkrise noch immer mit 15 Prozent beteiligt ist. Der 61-jährige Jurist hat fast seine ganze Karriere bei HSBC Deutschland in Düsseldorf verbracht. Von 2006 bis 2015 war er Sprecher des Vorstands, anschließend fünf Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender.
In der schwierigen Zeit nach der Finanzkrise fungierte Schmitz zudem von 2009 bis 2013 als Präsident des Privatbankenverbands BdB. Über seinen Rücktritt bei der Commerzbank hatte zuerst die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet.
Verwicklung in Cum-Ex-Affäre
Hintergrund für den Rückzug von Schmitz ist nach Informationen des Handelsblatts die Tatsache, dass er bereits seit Jahren als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln wegen möglicher Cum-Ex-Geschäfte bei HSBC Deutschland geführt wird.
Schmitz hat dies nie verschwiegen und die Ermittlungen gegenüber der Commerzbank und der Finanzaufsicht offengelegt. Die Finanzaufsicht hat sich mit dem Thema im Rahmen ihres Überprüfungsprozesses („Fit and Proper“) beschäftigt und bestätigte Insidern zufolge anschließend, dass Schmitz aus ihrer Sicht trotzdem als Commerzbank-Aufsichtsrat geeignet sei.
Die Mehrheit der Kapitalseite im Kontrollgremium sah dies Finanzkreisen zufolge jedoch anders – darunter auch Jutta Dönges und Frank Czichowski, die als Vertreter der Bundesregierung in dem Kontrollgremium sitzen. Sie sprachen sich dagegen aus, dass Schmitz auf der anstehenden Hauptversammlung in das Kontrollgremium gewählt wird. Bisher ist der ehemalige HSBC-Banker nach dem Rückzug von Nicholas Teller Ende vergangenen Jahres lediglich als gerichtlich bestellter Nachrücker Mitglied des Gremiums.
Vor allem wegen der Vorbehalte der Vertreter des Bundes kündigte Schmitz daraufhin am Mittwoch seinen Rücktritt an und verließ die Sitzung des Aufsichtsrats. Schmitz selbst wollte sich zu den Gründen für seinen Rückzug nicht äußern.
Nach Informationen aus Finanzkreisen hat Schmitz als Chef der deutschen HSBC-Tochter die Steuererklärung unterschrieben, die im Fall Cum Ex zum Problem für das Institut geworden ist. Das sei der Grund, dass auch gegen ihn ermittelt wurde, erfuhr das Handelsblatt von mehreren Insidern.
Ein HSBC-Sprecher sagt dazu: „Der Vorstand von HSBC Deutschland hat sich stets gegen eine Beteiligung der Bank an sogenannten Cum-Ex-Geschäfte ausgesprochen.“ Die Bank habe sich nicht bewusst an solchen Geschäfte beteiligt, bei denen eine mehrfache Erstattung der Kapitalertragsteuer erfolgt ist. Dennoch laufe gegen HSBC Deutschland, wie gegen zahlreiche andere deutsche Banken, seit 2016 ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften. Die Bank betont, dass sie vollumfänglich mit den Behörden zusammenarbeite. Zum Stand der laufenden Ermittlungen will sich HSBC nicht äußern.
Schmitz sollte die Hauptversammlung der Commerzbank leiten
Eigentlich wollte die Commerzbank, an der der Staat nach der Finanzkrise noch immer mit 15 Prozent beteiligt ist, wegen des anstehenden Konzernumbaus schnellstmöglich einen Nachfolger für Vetter finden. Schmitz galt als der aussichtsreichste interne Kandidat. Nach Informationen des Handelsblatts hatte man sich bereits darauf geeinigt, dass er die anstehende Hauptversammlung leiten soll.
Als Interimskandidat steht nun Vetters Stellvertreter Uwe Tschäge an der Spitze des Aufsichtsrats. Der Betriebsratschef hat jedoch deutlich gemacht, dass er den Posten nicht dauerhaft ausfüllen wird, sondern nur so lange, bis die Anteilseigner einen neuen Vorsitzenden gefunden haben.
Nach Informationen aus Finanzkreisen hat das Finanzministerium zwei externe Kandidaten für den Posten des Chefkontrolleurs der Bank ins Spiel gebracht: den Chef der staatlichen Förderbank KfW Günther Bräunig sowie dessen Vorstandskollegin Ingrid Hengster. Bräunig hat allerdings bereits abgesagt: „Das habe ich schon vor einem Jahr abgelehnt, und ich habe noch mal abgelehnt“, sagte er am Donnerstag. Hengster gilt in Finanzkreisen weiter als potenzielle Kandidatin. Allerdings sei keineswegs sicher, dass sie den Posten am Ende auch übernehmen werde, heißt es.
Die Arbeitnehmervertreter zeigen sich besorgt über die Entwicklungen im Aufsichtsrat. „Das Verhalten der Anteilseignerseite ist wenig professionell. Der Weggang von Herrn Andreas Schmitz wäre vermeidbar gewesen“, meint Christoph Schmitz, der im Verdi-Vorstand für Finanzdienstleister zuständig ist.
Knof verfolgt einen strikten Sanierungskurs
Die Commerzbank steckt seit dem vergangenen Sommer in der Führungskrise, als damals Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann überraschend ihren Abschied verkündeten. Grund war ein Zerwürfnis mit dem Großaktionär Cerberus.
Der neue Vorstandschef Manfred Knof hat dem Institut einen harten Sanierungskurs verordnet, der voraussichtlich 10.000 Stellen kosten wird. Im vergangenen Jahr machte die Bank wegen bereits verbuchter Aufwendungen für die Restrukturierung und der erhöhten Risikovorsorge wegen der Coronakrise unter dem Strich einen Verlust von rund 2,9 Milliarden Euro. Es war das größte Minus seit der Finanzkrise 2009 mit damals mehr als 4,5 Milliarden Euro.
Zumindest im Tagesgeschäft will die Bank in diesem Jahr wieder in die Gewinnzone zurückkehren – das operative Ergebnis soll im niedrigen dreistelligen Millionenbereich liegen. Die Bank erklärte am Donnerstag, der Vorstand arbeite „unverändert weiter an der Umsetzung der neuen Strategie“.
Mitarbeit: Yasmin Osman, Martin Murphy
Mehr: Commerzbank-Chefaufseher Hans-Jörg Vetter legt überraschend Mandat nieder.
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Der Bund als Großaktionär - ein Zeichen mangelnder Problemlösungskompetenz.
Der größte Fachkräftemangel zeigt sich in der Politik. Der Staat sollte sich auf seine Kernaufgaben zurückziehen.