Schwammige Zielvorgaben Stimmrechtsberater kritisieren Vergütungssystem der Commerzbank

Vorstände können bei Deutschlands zweitgrößter Privatbank maximal sechs Millionen Euro im Jahr verdienen.
Frankfurt Die Commerzbank hält wegen der Coronakrise in diesem Jahr erstmals eine virtuelle Hauptversammlung ab. Doch auch ohne Protestreden von Kleinaktionären vor Ort wird es bei der Veranstaltung am 13. Mai nicht an kritischen Themen mangeln.
Angesichts der Coronakrise wachsen die Zweifel, ob das Institut seine Strategie „Commerzbank 5.0“ wie geplant umsetzen kann. Die Ratingagenturen S&P und Fitch warnen vor einer steigenden Zahl von Kreditausfällen und haben das Institut herabgestuft. Die Gespräche über den anvisierten Verkauf der polnischen M-Bank liegen auf Eis.
Hinzu kommt nun noch die Kritik am Vergütungssystem der Commerzbank. Der einflussreiche Stimmrechtsberater Glass Lewis und dessen deutsche Tochter Ivox empfehlen den Aktionären, das im März 2020 leicht angepasste System zur Vergütung von Vorstandsmitgliedern abzulehnen. Das geht aus den Empfehlungen beider Firmen für die Hauptversammlung hervor, die dem Handelsblatt vorliegen.
„Aus unserer Sicht gibt es bei der Vergütungspolitik des Unternehmens großes Verbesserungspotenzial“, heißt es in der Studie von Glass Lewis. Die Ziele, von denen die variable Vergütung des Vorstands abhängt, seien zu schwammig formuliert und zu stark auf das Abschneiden der Bank in der Vergangenheit ausgerichtet.
Gerade angelsächsische Investoren folgen bei Hauptversammlungen häufig dem Rat von Stimmrechtsberatern wie Glass Lewis und ISS. Sollten die Commerzbank-Aktionäre das Vergütungssystem am Ende nicht billigen, müsste sich der Aufsichtsrat damit erneut befassen. Deutschlands zweitgrößte Privatbank wollte sich dazu nicht äußern.
Kritik am Ämterhäufung
Ivox spricht sich in seiner Studie auch gegen die geplante Wahl von Jutta Dönges in den Commerzbank-Aufsichtsrat aus. Die Co-Chefin der Finanzagentur soll im Mai als neue Vertreterin der Bundesregierung in das Kontrollgremium gewählt werden – zusammen mit Frank Czichowski von der Förderbank KfW.
Dönges und Czichowski sollen Innenstaatssekretär Markus Kerber und Anja Mikus ersetzen, die den Staatsfonds für Atommüll-Entsorgung leitet. Der Bund ist nach der Rettung der Commerzbank in der Krise noch mit gut 15 Prozent an der Bank beteiligt – und mit der Entwicklung des Geldhauses in den vergangenen Jahren alles andere als zufrieden. In Berlin haben manche die Hoffnung, dass Dönges und Czichowski im Aufsichtsrat neue Impulse setzen können.
Doch zumindest Ivox hat Vorbehalte gegen die Personalie Dönges. Es gebe keine Zweifel an der Qualifikation der Managerin, heißt es in der Studie auf Basis von Richtlinien des Fondsverbands BVI. „Allerdings bestehen Bedenken hinsichtlich der Zahl der Mandate.“
Dönges ist nämlich bereits Mitglied in den Kontrollgremien der Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement sowie der Deutschen Pfandbriefbank. Hinzu kommt ihr Job als Geschäftsführerin der Finanzagentur, der von Ivox als „exekutive Position“ wie zwei Mandate bewertet wird.
Ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat der Commerzbank wäre nach dieser Zählweise ihr fünftes Mandat. Und das wären zwei Mandate mehr, als Ivox es für Personen in „exekutiven Position“ empfiehlt. „Daher sollte diese Wahl sehr kritisch gesehen werden“, erklärte der Stimmrechtsberater.
Die Finanzagentur wollte sich zu der Kritik von Ivox nicht äußern. Eine Sprecherin wies jedoch darauf hin, dass Dönges ihr Aufsichtsratsmandat bei Eurex Clearing niedergelegt habe, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Der Mutterkonzern Glass Lewis hat im Gegensatz zu Ivox keine Einwände gegen die Wahl von Dönges. Auch andere mit der Personalie vertraute Personen halten die Berufung für sinnvoll, schließlich verwaltet die Finanzagentur die Beteiligung des Bundes an der Commerzbank und ist mit dem Institut ohnehin in engem Austausch.
In Berlin wird Dönges auch deshalb sehr geschätzt, weil sie die Überprüfung Commerzbank-Strategie eng begleitet hat. Manche sind zudem der Ansicht, dass die Arbeit von Dönges bei der FMS Wertmanagement nicht als vollwertiges Aufsichtsmandat angesehen werden kann.
Konkretere Ziele für 2020
Das Vergütungssystem für Commerzbank-Vorstände besteht in seiner heutigen Form im Kern bereits seit einigen Jahren. Im März wurde es leicht angepasst, um die neuen Anforderungen der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) und die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex zu berücksichtigen. Die wichtigste Neuerung ist, dass nun eine Maximalvergütung für jedes Vorstandsmitglied von sechs Millionen Euro pro Geschäftsjahr festgeschrieben ist.
Die variable Vergütung des Vorstands hängt zu 70 Prozent von der Erreichung der Konzernziele ab und zu 30 Prozent von der Entwicklung des Ressorts, für welches das jeweilige Vorstandsmitglied verantwortlich ist. Darüber hinaus haben individuelle Ziele noch Einfluss auf die Höhe der Bonuszahlungen.
Bei der Berechnung der variablen Vergütung für 2019 wird die Entwicklung der Bank und des jeweiligen Ressorts in den Jahren 2017, 2018 und 2019 berücksichtigt. Glass Lewis kritisiert diese Vorgehensweise als rückwärtsgewandt und spricht sich für „nach vorne orientierte“ Ziele aus. Dies hätte allerdings zur Folge, dass die Commerzbank die Bonuszahlungen für 2019 erst 2021 festlegen könnte – und dass sich die tatsächliche Auszahlung an die Vorstände dann noch weiter nach hinten verschieben würde.
Kritisch sehen es Stimmrechtsberater zudem, dass die Erwartungen an die Vorstände nicht klar genug beschrieben sind. Die Leistungsziele seine „nur deskriptiv dargestellt, jedoch nicht klar offengelegt“, moniert Ivox. Für Aktionäre sei es folglich nicht nachvollziehbar, ob die Ziele für den Vorstand ambitioniert genug seien, betont Glass Lewis.
Diese Anmerkungen beziehen sich streng genommen nicht auf das Vergütungssystem, sondern auf den Vergütungsbericht, über den die Hauptversammlung in diesem Jahr gar nicht abstimmt. Nichtsdestotrotz gibt es auch innerhalb der Commerzbank Mitarbeiter, die diese Kritik gerechtfertigt finden. Die Ziele für den Vorstand im Geschäftsjahr 2020 sind deshalb Finanzkreisen zufolge bereits konkreter formuliert worden.
Ob es angesichts der Coronakrise 2020 überhaupt Bonuszahlungen in nennenswertem Umfang geben wird, steht freilich auf einem anderen Blatt. Darüber hinaus ist die Bezahlung des Commerzbank-Managements im Vergleich zu anderen Instituten grundsätzlich eher unterdurchschnittlich. Im vergangenen Jahr belief sich die Gesamtvergütung des Vorstands auf 12,1 Millionen Euro. Beim Nachbarn Deutsche Bank erhielt das Führungsgremium trotz eines Milliardenverlustes fast drei Mal so viel.
Mitarbeit: Jakob Blume
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