Schweizer Großbank Archegos-Pleite trifft UBS stärker als bislang bekannt – Überraschender Umbau im Vorstand

Auch die UBS muss wegen des Archegos-Kollapses einen dreistelligen Millionenbetrag abschreiben.
Zürich, Frankfurt Die Pleite des US-Vermögensverwalters Archegos Capital trifft die UBS stärker als bislang bekannt: Die Schweizer Großbank muss im Investmentbanking einen Verlust des operativen Ertrags in Höhe von 774 Millionen Dollar verkraften, wie das Unternehmen am Dienstag bekanntgab. „Wir sind darüber sehr enttäuscht“, wurde UBS-Chef Ralph Hamers in einer Mitteilung am Dienstag zitiert.
Trotz des Verlusts fällt die Bilanz für das erste Quartal positiv aus: Die Bank konnte ihren operativen Ertrag gegenüber dem Vorjahresquartal um zehn Prozent auf 8,7 Milliarden Dollar steigern. Der Vorsteuergewinn legte um 14 Prozent auf knapp 2,3 Milliarden Dollar zu.
Der Kollaps des Hedgefonds Archegos von US-Investor Bill Hwang schmälerte diese Summe unter dem Strich um 443 Millionen Dollar. Anders als etwa bei der Credit Suisse, die 4,7 Milliarden Dollar verlor, hat dies jedoch keine Auswirkungen auf das kommende zweite Quartal. Daher musste die UBS Ende März, als Archegos abgewickelt wurde, keine Gewinnwarnung ausgeben.
Zudem trifft der im vergangenen Oktober angetretene Niederländer Hamers erste wichtige Personalentscheidungen: Er ernennt Mike Dargan zum Digitalchef und ersetzt damit den Posten des Chief Operating Officers (COO) im UBS-Vorstand. Dargan arbeitete zuvor als Digitalchef unterhalb des Vorstands. Hamers lobte die „tiefe Expertise“, die Dargan bereits in seiner vorherigen Rolle unter Beweis gestellt habe. Bis Anfang Februar war Sabine Keller-Busse COO, mittlerweile ist sie für das Schweiz-Geschäft verantwortlich.
Darüber hinaus tritt der langjährige Chefjustiziar Markus Diethelm auf eigenen Wunsch zum 1. November ab. Er soll dem Konzern noch bis 2022 als Berater erhalten bleiben und insbesondere einen milliardenschweren Rechtsstreit in Paris beenden. Seine Nachfolgerin wird Barbara Levi, die vom Minenkonzern Rio Tinto kommt.
Kerngeschäft der UBS wächst
Besonders deutliche Spuren hinterließ die Archegos-Pleite im Investmentbanking: Der Vorsteuergewinn brach um 42 Prozent ein. Auch der operative Ertrag lag mit 2,27 Milliarden Dollar deutlich unter dem Vorjahreszeitraum. Ohne diesen Verlust wäre es wohl das stärkste Quartal für die Investmentbank seit Jahren geworden.
Allerdings konnte die UBS im Kerngeschäft deutlich zulegen: Sowohl in der Vermögensverwaltung (Global Wealth-Management), der wichtigsten Sparte der Bank, als auch im Geschäft mit Profianlegern (Asset-Management) stiegen operativer Ertrag und Gewinn zweistellig. Zudem konnte die Bank im Geschäft mit Schweizer Privatkunden und Firmen Rückstellungen für faule Kredite auflösen und damit einen Mehrertrag verbuchen.
Bei der Profitabilität hat UBS unter ihrem neuen Chef Hamers die selbst gesteckten Ziele deutlich übertroffen: Die Eigenkapitalrendite liegt mit 18 Prozent deutlich über dem Zielkorridor von zwölf bis 15 Prozent. Auch die Kapitalquote ist mit 14 Prozent üppig. Allein bei der Kostenquote musste der für seinen Sparkurs bekannte Hamers einen Rückschlag hinnehmen: Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag stieg um 1,5 Prozentpunkte auf 73,8 Prozent.
Allzu lange wollte sich Hamers bei der Vorstellung des Zahlenwerks am Dienstag nicht mit der Archegos-Pleite aufhalten. Stattdessen referierte er über den „Purpose“-Prozess, den er in der Bank angestoßen hat. Seit Monaten wird innerhalb der UBS über den Sinn des Bankings und die eigene Unternehmenskultur diskutiert.
Das Herzensprojekt von Hamers stößt bei manchem langjährigen Topbanker auf begrenzte Gegenliebe. Seit Monaten gehe es nur um „Purpose, Purpose, Purpose“, so eine Stimme; geschäftlich profitiere Hamers von den Arbeiten seines Vorgängers Sergio Ermotti. Nun erwarte man in der Bank klare Weichenstellungen, auch beim Personal.
Renommierter Rechtsvorstand
Mit dem Austausch des Rechtsvorstands setzt Hamers eine erste eigene Note. Barbara Levi gilt Insidern zufolge als Wunschnachfolgerin des Niederländers. Hamers sei es wichtig gewesen, eine weitere Frau für den bisher nicht übermäßig divers aufgestellten UBS-Vorstand gewinnen zu können, heißt es.
Für die UBS ist der bevorstehende Abgang von Markus Diethelm eine relevante Nachricht. Der 63-jährige Rechtsvorstand gilt in der Bank als „Problemlöser“ – auch aufgrund guter Kontakte auf internationaler Ebene, insbesondere in die USA, wo er ein Anwaltspatent in New York besitzt.
2006 hatte Diethelm in seiner alten Position als Rechtschef der Swiss Re den Schweizer Rückversicherer vor einem drohenden Milliardenschaden bewahrt. Der Pächter des World Trade Center, Larry Silverstein, hatte das Attentat vom 11. September 2001 auf die Doppeltürme als zwei Schadenereignisse interpretiert und von der Swiss Re eine Entschädigung von sieben Milliarden Dollar verlangt. Am Ende eines fünfjährigen Mammutverfahrens entschied das New Yorker Berufungsgericht auf Antrag von Diethelm, dass die Anschläge nur als ein Schadenfall zu sehen seien – was der Swiss Re 3,5 Milliarden Dollar sparte.
Bei der UBS kümmerte sich Diethelm nach seinem Antritt als Group General Councel 2008 zunächst um die hohen Strafforderungen des US-Justizministeriums, die der Bank aufgrund von Steuerbetrug und anderen Vergehen im wichtigen US-Geschäft drohten. Diethelm flog nach Washington, quartierte sich im Hotel ein und verhandelte über Monate auch persönlich mit Vertretern des US-Justizministeriums. Die UBS musste schließlich 780 Millionen Dollar bezahlen, deutlich weniger als gedacht.
In seiner verbleibenden Zeit bei der UBS soll Diethelm ein wichtiges Steuerstrafverfahren in Frankreich lösen, bei dem die Bank in erster Instanz zu einer Zahlung von 4,5 Milliarden Euro verurteilt worden war. Im vergangenen Jahr initiierte der UBS-Chefjustiziar mit Kollegen von elf weiteren Großbanken einen offenen Brief, in dem die Juristen nach den „Black Lives Matter“-Protesten mehr Einsatz der eigenen Branche bei der Förderung von nicht weißen Mitarbeitern forderten.
Finanzkreisen zufolge könnte Diethelm nach dem endgültigen Ausscheiden bei der UBS einige Aufsichtsratsmandate annehmen, auch in Deutschland.
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