Schulz verdankt seinen Aufstieg in Brüssel Eigenschaften, die ihm Freunde und Gegner gleichermaßen zuschreiben: Ehrgeiz, Arbeitseifer, klare Sprache, Machtbewusstsein. Vor allem als EU-Parlamentspräsident und als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl 2014 schärfte er nicht nur sein eigenes Profil, sondern gab Europa eine starke Stimme. Der Christsoziale Manfred Weber würdigte Schulz zum Abschied aus Brüssel als kraftvollen und durchsetzungsstarken Europäer.
Der designierte SPD-Kanzlerkandidat gilt als Politiker, der Streit nicht aus dem Weg geht. Zuletzt übte er zum Beispiel heftige Kritik am EU-Mitgliedsland Ungarn und dessen Referendum zur Flüchtlingspolitik. Wachsenden Nationalismus und Rechtspopulismus verurteilte er scharf und verlangte Einsatz für das europäische Gesellschaftsmodell gegen die „Feinde der Freiheit“. Seine eigene Partei mahnt er, normalen Menschen zuzuhören und auf ihre Nöte einzugehen. Die Krise der EU trieb ihn um – wobei er gerne die Brüsseler Perspektive einnahm und vor allem den Streit der Mitgliedsstaaten kritisierte.
Obwohl das Amt als EU-Parlamentspräsident eher zeremoniell angelegt ist, präsentierte sich Schulz als Macher. Ein Beispiel: der Handelspakt Ceta mit Kanada. Im Herbst überzeugte er die vom Streit mit der Wallonie völlig entnervte kanadische Ministerin Chrystia Freeland, ihre Abreise zu verschieben und sich noch ein letztes Mal mit ihm zu treffen. Fernsehkameras standen bereit, das Überraschungsgespräch im Morgengrauen zu dokumentieren. Letztlich wartete Kanada die europäischen Kapriolen dann geduldig ab, und das Abkommen kam doch noch zustande.
In Brüssel und Straßburg stand Schulz für die informelle große Koalition mit der Europäischen Volkspartei und deren Vorsitzendem Weber. 2014 unterzeichneten beide einen Pakt, der Schulz bei der Wiederwahl zum Parlamentspräsidenten EVP-Stimmen sicherte. Dafür sollte er im Januar 2017 seinen Posten für einen EVP-Kandidaten räumen. Es ging aber nicht nur um Personal: Die beiden größten Fraktionen sahen den Pakt als Mittel, in Europa stabil und effizient Politik zu machen und der EU-Kommission zu Mehrheiten zu verhelfen.
Kleinere Parlamentsfraktionen wie die Grünen oder Linken fühlten sich in der Ära Schulz an den Rand gedrängt und ignoriert. Auch wurden Schulz Eigenmächtigkeiten vorgeworfen – sowohl inhaltlich, wenn er für das Parlament sprach, als auch bei der Besetzung von Spitzenposten im Haus. Etliche Abgeordnete zeigen sich nun erleichtert, dass neue Zeiten anbrechen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Nachdem es mit dem Bankgeschäft bei der DB nun aber auch wirklich nichts wird, versuchen die sich als politische Kaffeesatzleser ? Nicht unbedingt ein überzeugendes neues Geschäftsmodell ….
Immer wieder lustig als ob es wichtig wäre, ob Schulz oder Merkel regieren.
Gewählt werden kann keiner von Beiden und regieren werden wie immer die Selben. Die EU wird ohnehin zerstört oder warum sollten die Engländer sonst austeten.
Ob als Kanzler oder als Vizekanzler, Schulz wird automatisch zu noch mehr EU in Deutschland führen. Deutschland wird noch mehr seiner Eigenständigkeit an die EU abgeben!
Ob die Deutsche Bank für Schulz kaum Chancen sieht, ist doch so interessant, als ob ich keine Chancen für einen schönen Sommer sehe. Ein paar Prozent mehr für die SPD, 1 - 2 % jeweils für die Linke und für die Grünen, dann kann er doch eine rot-rot-grüne Regierung bilden. Er hat doch schon kundgetan, dass ihm das auch recht wäre. Also warten wir's ab.
@Herr Clemens Keil01.02.2017, 09:36 Uhr
Papstwahlen mögen geräuschlos ablaufen, sind Sie sicher, dass die auch friedlich verlaufen?
Die Deutsche Bank sollte sich mal besser auf ihr Geschäft konzentrieren und sich endlich davon verabschieden, sich in die Politik einzumischen. Das würde einerseits ihrem siechen Geschäft gut tun, andererseits verspielt sie nicht weiterhin ihren Ruf.
Im übrigen kann man nach dem fulminanten Auftritt von Schulz bei Anne Will auch zu einer anderen Einschätzung kommen:
Klebt Anne Will machtgierig an ihrem Sessel? Leidet Sie an Selbstüberschätzung?
Wenn, wie manche Medien bemerkten, nichts überraschendes in Anne Wills Sendung zutage trat, dann lag das wohl an Frau Will's merkwürdigen, teilweise provozierenden Fragen, mit denen sie offensichtlich Schwachstellen von Schulz offenlegen wollte. Das gelang ihr nicht, insofern keine Überraschungen!
Frau Will war Herrn Schulz nicht gewachsen.
Hätte Frau Will doch nur mal bei ihren Fragen zur Abgrenzung von Merkel z.B. auf den Findungsprozess des Kanzlerkandidaten aufmerksam gemacht:
sie hätte bemerkt, dass die Union ja noch gar keinen Kanzlerkandidaten gekürt hat!
Aus Sicht der darüber fast sprachlosen Union: gemeines Drehbuch der SPD!
Und im übrigen: nach der Wahl ist vor der Wahl:
http://youtu.be/0zSclA_zqK4
Viel Spaß beim Anhören!
Nebenbei bemerkt: Die Medien scheinen nicht nur über den peinlichen Kanzlerkandidatenfindungsprozess der Union gütig hinweg zu sehen, sondern auch über den Prozess der Nachfolgeregelung von Seehofer in der CSU. Dagegen war das bei der SPD fast so friedlich und geräuschlos wie eine Papstwahl. Und noch dazu für 5 Führungspositionen auf einmal! Chapeau, SPD!
Und da möge nochmal jemand behaupten, die Medien stünden mehrheitlich links. Das Gegenteil ist der Fall, wie auch diese Beispiele wieder zeigen!