Start-up-Finanzierer Silicon Valley Bank kommt nach Deutschland – Ritterschlag für deutsche Start-ups
Frankfurt Die Einladungen sind schon verschickt: Am 29. Mai steigt in Berlin die Eröffnungsparty für den Deutschland-Start der amerikanischen Silicon Valley Bank. Die Chefs innovativer Tech-Firmen stehen ebenso auf der Gästeliste wie Partner wichtiger Wagniskapitalfinanzierer.
Seit Monaten brodelt die Gerüchteküche über einen Markteintritt der Start-up-Bank aus Kalifornien, nun bestätigt Europa-Chef Phil Cox dem Handelsblatt: „Wir hoffen, dass wir in Kürze eine Banklizenz der Bafin erhalten. Das könnte noch vor unserer Eröffnungsparty Ende Mai geschehen.“ Eingemietet hat sich das Institut in einem Büro im Frankfurter Stadtteil Westend.
Das Flair des Silicon Valleys kommt nach Hessen: Das kalifornische Geldhaus ist so etwas wie die Hausbank der High-Tech- und Start-up-Branche und für viele Risikokapital-Investoren. Im legendären Silicon Valley ist das Institut mit einem Marktanteil von 25 Prozent führend. Seit 2004 ist die SVB zunehmend auch im Ausland präsent. Nach ersten Ablegern in Großbritannien, Israel und China plant die Bank in diesem Jahr den Markteintritt in Deutschland und in Kanada.

Der Europa-Chef der Bank hat bereits die Niederlassung in London aufgebaut.
Die Entscheidung für Deutschland kommt einem Ritterschlag für die heimische Start-up-Szene gleich. Schließlich nahm die SVB auch andere europäische Märkte wie Frankreich oder Nordeuropa unter die Lupe. „Wir haben uns als nächsten Schritt für einen Markteintritt in Deutschland entschieden, weil die Innovationskraft des Marktes uns überzeugt hat und wir bereits diverse deutsche Kunden betreuen“, erklärt Cox im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Hinzu komme, dass der Markteintritt für ein ausländisches Finanzinstitut in Frankreich „ungleich komplizierter“ sei als in Deutschland. Skandinavien habe den Nachteil, dass der Markt aus unterschiedlichen Ländern mit jeweils unterschiedlichen Rechtssystemen bestehe.
Entsprechend groß ist die Freude in der deutschen Gründerszene. „Der Markteintritt der SVB ist ein tolles Signal für die deutsche Start-up-Szene. Es zeigt die immer größer werdende internationale Relevanz deutscher Tech-Unternehmen“, sagt Miriam Wohlfahrth, Geschäftsführerin von Ratepay, einem Anbieter für Ratenzahlungen im Internet.
Für Ulrike Hinrichs, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, ist die SVB ein „anerkannter und etablierter Kapitalgeber“. „Es ist erfreulich, dass ein so namhafter Start-up-Investor nun auch in Deutschland aktiv wird“, sagt sie.
Auch der Chefvolkswirt der Förderbank KfW, Jörg Zeuner, spricht von einem „guten Zeichen“, „wenn sich andere Banken den Start-up-Standort Deutschland genauer ansehen“. In der Gründungsphase sei für Start-ups Eigenkapital die zentrale Säule. „Aber an irgendeinem Punkt benötigen junge Unternehmen auch einmal Fremdkapital“, so Zeuner.
In neue Märkte steigt die SVB vorsichtig ein. So eröffnet sie in Deutschland eine Zweigstelle, keine Tochter. Und es gibt auch nicht sofort die volle Produktpalette. „Wir haben eine Lizenz zur Kreditvergabe für den Anfang beantragt, aber wir streben über die Zeit eine Vollbanklizenz für Deutschland an“, sagt Europa-Chef Cox. Er rechne damit, dass die SVB innerhalb von drei Jahren eine Vollbank aufbauen werde, die zum Beispiel Einlagengeschäft, Zahlungsverkehr und Devisen-Dienstleistungen anbietet.
Für Deutschland sind aber schon die Kredite eine Rarität. Die SVB leiht auch Wagniskapitalfirmen und Finanzinvestoren Geld, doch ihre Spezialität sind Kredite für Start-ups, also für junge Technologiefirmen, die meist noch Verluste schreiben. „Die Kreditvergabe ist für uns ein Schlüsselprodukt. Es bietet uns die größte Marktchance, denn es gibt nicht viele Banken, die darauf spezialisiert sind, diesem Segment Geld zu leihen“, sagt Cox.
Tatsächlich sind Start-up-Kredite ein Nischenprodukt. „Fremdkapitalfinanzierungen sind bei Start-ups in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung“, sagt Peter Barkow, Gründer der Unternehmensberatung Barkow Consulting. „Was man noch am häufigsten sieht, sind Venture-Debt-Finanzierungen, bei denen ein Investor einem jungen Unternehmen Geld gegen Sicherheiten leiht“, sagt er.
Von den insgesamt 397 Wagniskapital-Transaktionen bei deutschen Fintechs seit 2015 ging es nur in vier Prozent der Fälle um rückzahlbares Fremdkapital, zeigen Daten von Barkow Consulting.
„Europa braucht mehr Start-up-Kredite, und bisher war es hierzulande sehr schwierig, dafür Geld zu mobilisieren“, sagt Oliver Schimek, Gründer der Kreditplattform Crosslend. Auch Wohlfahrth bedauert, „dass es bisher keine deutsche Bank gibt, die sich wirklich traut, Kredite an junge Digitalfirmen zu geben“. Die deutsche Technologieszene brauche das. „Für größere Start-ups, die gut wachsen, kann ein Kredit eventuell die bessere Liquiditätsbeschaffung sein, da weniger Anteile abgegeben werden müssen“, sagt sie.
Am ehesten bieten Förderbanken solche Finanzierungen. Die staatliche Förderbank KfW etwa investiert künftig nicht mehr nur in Wagniskapitalfonds, die Eigenkapital vergeben, sondern plant auch Investitionen in Venture-Debt-Fonds.
Normale Banken lassen von Kunden, die noch Verluste schreiben, lieber die Finger. „Der Markt für Fremdkapital für Start-ups ist noch jung. Start-ups passen nur schwer in die Standard-Kreditprozesse von Banken“, sagt KfW-Chefvolkswirt Zeuner. Deshalb sei es gut, wenn neue Anbieter dazustoßen. „Wenn die Zahl der Start-ups wächst, kann der Bedarf in Deutschland außerdem noch zunehmen“, sagt er.
Schon jetzt schätzt er die hiesige „Angebotslücke“ in der Start-up- und Wachstumsphase junger Firmen auf 500 bis 600 Millionen Euro im Jahr. Die Summe umfasst klassische Eigenkapital- wie Fremdkapitalmittel.
Da die Silicon Valley Bank nicht nur Start-ups, sondern auch Wagniskapitalfinanzierern Geld leiht, hilft das der Branche. Gerade in der kapitalintensiven Wachstumsphase sei der Kapitalbedarf deutscher Start-ups „sehr groß“, betont BVK-Vorständin Hinrichs. „Hier kann Venture-Debt eine sinnvolle Ergänzung sein.“
Rote Zahlen schrecken die SVB nicht ab. „Wir unterscheiden uns von traditionellen Banken, weil wir nicht so sehr darauf achten, wie profitabel ein Unternehmen ist oder wie viel Cash es erwirtschaftet“, erklärt Cox.
Stattdessen achte die Bank etwa darauf, wer im Management-Team sitze, welche Investoren ein Start-up unterstützten, warum diese Investoren investiert hätten und wie groß ihre Bereitschaft sei, auch künftig zu investieren. „Wir verstehen außerdem etwas von der Technologie und den Märkten, die die Firmen mit ihren Innovationen umkrempeln wollen“, sagt er.
Das Deutschland-Team besteht deshalb aus einem Mix erfahrener SVB-Veteranen sowie deutschen Bankern, die die Gründerszene und die regulatorischen Besonderheiten des Marktes gut kennen. Deutschland-Chefs werden Oscar Jazdowski, der unter anderem das China-Geschäft der Bank aufgebaut hat, sowie John Peck, ebenfalls ein Veteran des Instituts. Jazdowski ist für das Kundengeschäft zuständig, Peck für Risikomanagement und Organisation. Mittelfristig soll Iris Liliana Bleck, eine frühere Deutschbankerin, Co-Chefin in Deutschland werden und Peck in dieser Rolle ersetzen.
Kredite im Milliardenbereich
Der in der deutschen Fintech-Szene wohl bekannteste SVB-Manager ist Christian Hoppe, der einst den Fintech-Investor Mainincubator, eine Commerzbank-Tochter, aufgebaut hat. Hoppe wird im Kundengeschäft die Nummer zwei hinter Jazdowski sein.
Alles in allem zählt das Deutschland-Team der Bank sieben bis zehn Mitarbeiter. Das soll nur der Anfang sein. Auch in Großbritannien hat die Bank mit einem Team in ähnlicher Größenordnung angefangen, heute sind es etwa 200 Beschäftigte. „In dieser Zeit haben wir Kredite im Umfang von drei Milliarden Dollar vergeben. Wir rechnen mit einer ähnlichen Entwicklung in Deutschland innerhalb von drei bis fünf Jahren“, betont Cox.
Eine reine Start-up-Bank wird die SVB nicht sein. „Wir konzentrieren uns in Deutschland auf vier Säulen“, erklärt Deutschland-Co-Chef Jazdowski. Neben der Finanzierung junger und etwas reiferer Start-ups zählen dazu schuldenfinanzierte Übernahmen innovativer Tech-Firmen. „Das ist heutzutage ein großer Teil des Geschäfts der SVB Bank“, sagt er.
Daneben werde die SVB Wagniskapitalfirmen und Finanzinvestoren Geld leihen, etwa als Brückenfinanzierung für ihre Investitionen in Tech-Firmen. Der vierte Schwerpunkt sollen innovative Mittelständler sein, etwa aus dem Bereich Life-Science oder Medizintechnik.
Start-up-Kredite mögen in Deutschland eine Rarität sein – Kredite für schuldenfinanzierte Übernahmen und Mittelständler sind es nicht. Der SVB ist klar, dass der Wettbewerb dort „sehr intensiv“ ist. Bei Leveraged Buy-outs sei die Bank „dank unserer guten Beziehungen zu Private-Equity-Firmen“ aber auch in den USA und Großbritannien sehr erfolgreich.
Bei Mittelständlern will Jazdowski auf die internationale Karte setzen: „Der wahre Unterschied zwischen uns und anderen Banken in wettbewerbsintensiven Geschäftsfeldern sind nicht unsere Kreditprodukte, sondern unser tiefes, globales Netzwerk“, lockt der Deutschland-Chef. Das Institut habe schon Zehntausende Tech-Firmen mit Bankdienstleistungen versorgt.
Die Bank könne den Unternehmen helfen, wenn sie ins Ausland expandieren wollten, sie könne Firmen miteinander bekannt machen oder zusammenbringen, so Jazdowski. „Das gibt uns häufig einen Vorsprung gegenüber unseren Konkurrenten.“
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Wow...toller Hype, geniales Marketing. Wirklich guter Rückwind. Man könnte geradezu den Eindruck bekommen, die SVB "verschenkt" ab sofort Geld an deutsche Start-Ups.
However, the sober conclusion: SVB is nothing more than a California-headquartered financial player with a fantastic sounding name and dedication to lending/finance and all aspects of PE/VC. No miracles, no magic "for-free" money. --- Page 12 tells most of it: http://files.shareholder.com/downloads/SIVB/6243237979x0x978444/0DC23A0E-C82A-4A40-9FB6-BA9605FB15A9/Q1_18_Earnings_Release_Exhibit_99.1_r208.pdf