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Streit um Sparverträge Verbraucherschützer listen 140 Banken auf, die zu wenig Zinsen auf Sparverträge zahlen

Banken berechnen nicht selten Zinsen zu Ungunsten ihrer Kunden, kritisieren die Experten. Mögliche Nachzahlungen lägen bei durchschnittlich 4000 Euro.
08.12.2019 - 08:30 Uhr Kommentieren
Immer mehr Sparkassen kündigen Sparverträge – und immer öfter monieren Verbraucherschützer, dass Kunden zu wenig Zinszahlungen erhalten hätten. Quelle: Bildquelle/SP
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Immer mehr Sparkassen kündigen Sparverträge – und immer öfter monieren Verbraucherschützer, dass Kunden zu wenig Zinszahlungen erhalten hätten.

(Foto: Bildquelle/SP)

Frankfurt Sparverträge von Banken und Sparkassen stehen seit Längerem unter besonderer Beobachtung deutscher Verbraucherschützer. Aus zwei Gründen: Zum einen beschäftigt die Experten die Frage, ob und vor allem nach wie vielen Jahren die Geldhäuser ihre attraktiv verzinsten Prämiensparverträge kündigen können.

Zum zweiten monieren Verbraucherschützer, dass viele Banken ihren Kleinsparern zu wenig Zinsen auf ihre über viele Jahre laufenden Sparverträge berechneten.

Dieser Vorwurf erhielt in der vergangenen Woche neue Nahrung. Bei der Kontrolle von Zinsberechnung in langlaufenden Sparverträgen sind Verbraucherschützer in vielen Fällen auf möglicherweise fehlerhafte Berechnungen gestoßen. Die Verbraucherzentralen listen knapp 140 Kreditinstitute – vor allem Sparkassen – auf, die „unwirksame Zinsanpassungsklauseln“ zu Ungunsten ihrer Kunden angewandt hätten. Diese könnten daher hohe Beträge nachfordern, meinen die Interessenvertreter.

Nach eigenen Angaben haben die Verbraucherzentralen mehr als 5000 langfristige Sparverträge geprüft. Das Ergebnis: Sparer erhielten im Schnitt 4000 Euro zu wenig an Zinsen, so die Verbraucherschützer in der aktuellen Übersicht. Der höchste Nachforderungsanspruch beläuft sich demnach auf 78.000 Euro.

Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rechnet mit weiteren Fällen. Die Liste mit 136 Kreditinstituten sei längst nicht vollständig, sagt er, weil sie nur Anbieter nenne, „die Gegenstand unserer Verbraucherberatung waren“. Auch bei Verträgen mit ähnlichen Bezeichnungen anderer Anbieter ist aus seiner Sicht denkbar, dass darin ebenfalls rechtswidrige Klauseln enthalten sind.

Bafin prüft Banken

Inzwischen prüft auch die Finanzaufsicht Bafin das Vorgehen der Banken, wie Ende Oktober bekannt wurde. Sie hat bei etlichen Geldhäusern falsche Zinsberechnungen festgestellt. Betroffen davon sind laut Bafin eine große Zahl an Verbrauchern. Sollte die Aufsichtsbehörde zu dem Schluss kommen, dass Geldhäuser systematisch Zinsen falsch berechnet haben, drohen der Branche hohe Nachzahlungen.

Vor allem Sparkassen haben langlaufende Sparverträge, meist vom Typ „Prämiensparen flexibel“, in großem Stil verkauft. Sie stammen in der Regel aus den 1990er- und 2000er-Jahren.

Die strittigen Sparverträge haben in der Regel eine steigende Bonuszahlung sowie einen variablen Grundzins, mit dem das jährliche Guthaben verzinst wird. Der Grundzins ist an einen Referenzzins gebunden, der die Marktentwicklung widerspiegelt.

Die Verbraucherschützer monieren, dass in vielen Verträgen nicht transparent sei, wie genau dieser Grundzins sich verändert. Aus ihrer Sicht seien die Zinsanpassungsklauseln in etlichen Fällen rechtswidrig. „Solche rechtswidrigen Klauseln ermöglichen es Banken, den Zins nach eigenem Ermessen anzupassen, was in der Regel zu Lasten der Kunden geht.“

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, der die 379 Sparkassen in Deutschland vertritt, erklärte auf Anfrage: „Schon aus Gründen der Vielgestaltigkeit der einzelnen Verträge werden Fragen zur Zinsberechnung von Prämiensparverträgen in der Regel vor Ort und fallbezogen behandelt.“ Dabei gelte, dass die Sparkassen bereits auf Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) aus den Jahren 2004 und 2010 reagiert hätten und diese berücksichtigten. So würden Zinssteigerungen wie Zinssenkungen gleichwertig an die Kunden weitergegeben.

Wegweisend dürfte demnächst eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden sein. Die Verbraucherzentrale Sachsen hatte dort im Juni eine Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig eingereicht. Dort soll geklärt werden, ob die Zinsanpassungsklausel in Verträgen des Instituts wirksam ist.

Der BGH hat zwar bereits mehrere Entscheidungen zum Thema Zinsberechnung getroffen, doch die Konsequenzen daraus werden von Kreditinstituten und Verbraucherschützern unterschiedlich interpretiert. Vor dem OLG Dresden dürfte es daher im Wesentlichen um die Interpretation der BGH-Urteile gehen.

Streit um Kündigung von Sparverträgen

Ein Grund dafür, dass sich Verbraucherschützer seit einiger Zeit intensiv mit der Zinsberechnung auseinandersetzen, ist die Kündigungswelle von Prämiensparverträgen durch Sparkassen. Bundesweit haben mittlerweile mehr als 90 Sparkassen solche für die Kunden attraktiven, für die Banken aber inzwischen problematischen Sparverträge gekündigt. Diese Zahl beruht auf Handelsblatt-Recherchen, Angaben von Verbraucherschützern und „Stiftung Warentest“ sowie Berichten lokaler und regionaler Medien. Insgesamt dürften mehrere Hunderttausend Kunden betroffen sein.

Kunden, die sich juristisch gegen die Kündigungen wehrten, bekamen in Teilen recht. So entschied der BGH im Mai, dass bei den strittigen Sparverträgen ein ordentliches Kündigungsrecht bis zum Erreichen der höchsten Bonusstufe ausgeschlossen ist. Danach aber können Geldhäuser die Verträge per Kündigung loswerden (XI ZR 345/18).

Neben dem Grundzins auf den insgesamt angesparten Betrag erhalten Kunden nämlich eine Prämie auf die jeweils in einem Jahr eingezahlte Summe – und diese Prämie steigt im Zeitverlauf. Eine feste Laufzeit gibt es nicht. In vielen Verträgen bekommen die Kunden ab dem 15. Sparjahr die höchste Prämienstufe und damit 50 Prozent der in dem Jahr eingezahlten Sparbeträge als Bonus.

In einigen Fällen kündigen Sparkassen die Verträge direkt, nachdem Kunden einmal den höchsten Bonus kassiert haben. In anderen Fällen hatten Kunden die Zahlungen bereits über mehrere Jahre hinweg erhalten.

Verbraucherschützer kritisierten diese Woche allerdings, dass ihrer Einschätzung nach Sparkassen mitunter kündigen und sich dabei zu Unrecht auf das BGH-Urteil beziehen würden.

Beate Weiser, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, erklärt den Hintergrund: „In den Verträgen einiger Sparkassen steht, dass die höchste Prämienstaffel von 50 Prozent im 15. Sparjahr, aber auch im 16. und bis hin zum 20. Sparjahr sowie in den Folgejahren gezahlt wird. In solchen Fällen kann die Sparkasse unseres Erachtens nicht schon nach dem 15. Sparjahr kündigen und muss die höchste Prämie in diesem Fall für das 20. Sparjahr zahlen.“

Zudem ist bereits klar, dass Sparkassen keine Prämiensparverträge kündigen dürfen, die explizit vorsehen, dass der Kunde die höchste Prämie auch im 99. Sparjahr erhält. Das OLG Dresden urteilte vor zwei Wochen, dass die Sparkasse Zwickau Verträge mit einer Laufzeit von 99 Jahren nicht vorzeitig kündigen darf (Az.: 8 U 1770/18). Der Prämiensparvertrag, den die Sparkasse 2017 gekündigt hatte, besteht also fort.

Ähnlich hatte kurz zuvor das Landgericht Stendal in einem entsprechenden Fall entschieden (Az. 22 S 104/18). Weitere Urteile könnten folgen.

Mehr: Wie die Sparkassen auf die wahrscheinlich lange Phase der Minuszinsen reagieren wollen.

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