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Stuart Graham Kritischer Analyst entschuldigt sich bei Investoren für harte Deutsche-Bank-Analyse

Der renommierte Bankenanalyst Stuart Graham sieht die Deutsche Bank mittlerweile in etwas milderem Licht. Sein extrem niedriges Kursziel erhöht er aber nur minimal.
30.11.2020 - 15:00 Uhr Kommentieren
Ein kritischer Analyst beurteilt die Deutsche Bank ein klein wenig positiver als bisher. Quelle: dpa
Deutsche Bank

Ein kritischer Analyst beurteilt die Deutsche Bank ein klein wenig positiver als bisher.

(Foto: dpa)

Frankfurt Stuart Graham, der Co-Gründer und Partner des renommierten Londoner Analysehauses Autonomous, ist berühmt-berüchtigt für seine kritischen Studien. Vor drei Jahren brachte er seine Zweifel an der Deutschen Bank mit der Überschrift „Deutsche Bank: Beyond repair“ auf den Punkt, übersetzt: „Deutsche Bank: nicht mehr zu reparieren“. Und noch zu Beginn dieses Jahres riet er Investoren davon ab, Aktien des Instituts zu kaufen. „Im Rückblick war unsere Underperform-Einschätzung für die Deutsche Bank ein sehr schlechter Ratschlag“, heißt es nun in einer Analyse vom 30. November.

Denn seit Jahresbeginn hat sich die Aktie des Instituts besser entwickelt als die Anteilsscheine der meisten Konkurrenten. Die aktuelle Analyse trägt deshalb den Titel „Mea culpa“, also „mein Fehler“. Eine Entschuldigung an die Investoren, verknüpft mit einer Erklärung, warum er falsch lag. Er habe sich in den Einzelheiten verzettelt und dadurch das größere Bild nicht erkannt, so Graham.

Das bedeutet allerdings nicht, dass er die Deutsche Bank plötzlich für eine potenzielle Kursrakete hält: Sein Urteil Underperform, also unterdurchschnittlich, hält er aufrecht. Nur das Kursziel hat er ein wenig von 5,34 Euro auf 5,70 Euro angehoben. Damit liegt er nach wie vor deutlich unter dem aktuellen Kurs, der bei rund 9,50 Euro liegt.

„Meine Sicht auf die Deutsche Bank ist insgesamt weniger negativ, was aber nicht bedeutet, dass ich positiv gestimmt bin“, erklärt Graham gegenüber dem Handelsblatt den scheinbaren Spagat. „Das liegt daran, dass ich mit Blick auf die Erträge und die Risikovorsorge skeptischer bin als der Konsens.“

In seiner Analyse listet Graham fünf Punkte auf, von der die Deutsche Bank profitierte.

1. „Wieder wie eine normale Bank“

Ein wichtiger Punkt war die Ertragsentwicklung im Vergleich zum Vorjahr. Autonomous hatte befürchtet, dass der Umbau der Bank so spät im Konjunkturzyklus – und dann inmitten in der Corona-Pandemie – zu einem großen Problem werden könnte. Diese Annahme sei aber nicht eingetreten.

Die Ertragsdynamik – also die Ertragsentwicklung im Vergleich zum Vorjahr – sei sogar besser gewesen als bei der US-Großbank JP Morgan. Die Bank habe in allen wichtigen Geschäftsfeldern geliefert. „Die Deutsche Bank sieht wieder wie eine normale Bank aus“, heißt es in der Analyse dazu.

2. Anleihehandel ist nicht zusammengebrochen

Darüber hinaus hebt Graham den für das Institut so wichtigen Anleihehandel hervor. Darin habe sich die Deutsche Bank „gut, wenn nicht besser als ihre Wettbewerber“ geschlagen, und das in einem sehr herausfordernden Jahr. „Das ist für sich schon ein großer Sieg, wenn man die schwache Ausgangsposition der Deutschen Bank bedenkt“, so Graham.

Lange hat die Deutsche Bank im Investmentbanking Marktanteile verloren. Das änderte sich erst im dritten Quartal 2020. Autonomous konzentrierte sich lange auf die schwindenden Marktanteile. Im Nachhinein meint das Analysehaus nun aber, dass es im Grunde schon ein Sieg gewesen sei, dass die Marktstellung der Deutschen Bank in dieser Zeit nicht „implodierte“. Da die Ertragsmöglichkeiten im Anleihehandel insgesamt aber mehr und mehr wuchsen, fielen geringere Marktanteile aber gar nicht so sehr ins Gewicht.

3. Bislang keine bösen Überraschungen

Der dritte wichtige Punkt ist die Entwicklung der Risikovorsorge. Graham hat das Kreditwachstum im Investmentbanking der Deutschen Bank lange kritisch beäugt. Einige Indikatoren, wie etwa das Absicherungsniveau dieser Kredite oder auch die Rückstellungen für potenzielle Kreditausfälle, waren ihm zu niedrig. Außerdem stieg die Zahl an Moratorien für Kreditkunden. „Dabei haben wir aber übersehen, dass die Deutsche Bank an ihrer Richtschnur, dass die Risikovorsorge bei 0,35 bis 0,45 Prozentpunkten des Kreditvolumens bleiben werde, geliefert hat“, heißt es in der Analyse.

Ganz überzeugt ist Graham noch nicht. Er hält „einige Enttäuschungen“ auf diesem Gebiet im kommenden Jahr für möglich, wenn die Unternehmensinsolvenzen und damit auch die Kreditausfälle der Banken nach Einschätzung vieler Experten ihren Höhepunkt erreichen werden.

Aus seiner Sicht verdient die Deutsche Bank aber Anerkennung dafür, dass sie anders als viele Wettbewerber im Sommer tiefe Einblicke in die Zusammensetzung ihres Kreditbuchs gewährte. „Diesen Schritt haben nur wenige andere Banken gewagt“, lobt Graham.

4. Kosten im Griff

Als vierten Faktor, der aus Sicht von Graham die vergleichsweise gute Kursentwicklung der Deutsche-Bank-Aktie begünstigt hat, nennt er das Dividendenverbot der Europäischen Zentralbank (EZB). Dadurch fiel nicht mehr so stark ins Gewicht, dass die Deutsche Bank in diesem Jahr wegen ihres Umbaus ohnehin keine Dividende hätte zahlen wollen. Außerdem habe die Deutsche Bank ihre Kosten im Griff behalten. Das sei für Analysten zwar nicht so überraschend gewesen, wäre bei vielen Investoren aber wohl gut angekommen.

5. Konjunkturelle Entwicklung in Deutschland

Der fünfte Punkt ist die robustere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Da habe die Deutsche Bank „die richtige Postleitzahl“ gehabt.

Allerdings: Nicht all diese unterstützenden Faktoren werden der Deutschen Bank aus Sicht von Autonomous noch im kommenden Jahr weiterhelfen. Das Dividendenverbot dürfte bis zum Frühjahr aufgehoben werden, meint Graham. Außerdem dürfte sich das Investoreninteresse im kommenden Jahr wieder stärker auf Volkswirtschaften richten, die unter der Coronakrise besonders stark gelitten haben und nun das größere Erholungspotenzial haben.

Dafür dürfte die Bank weiterhin davon profitieren, dass sie von Investoren nicht mehr als Krisenkandidat, sondern eher als „normale Bank“ betrachtet wird. Autonomous traut der Bank außerdem zu, weiterhin bei den Kostensenkungen zu liefern – und böse Überraschungen im Kreditbuch zu vermeiden.

Ein besonders wichtiger Punkt dürfte die Entwicklung im Anleihehandel sein. Dessen Ertragsboom im Corona-Jahr dürfte sich nicht ohne Weiteres wiederholen, auch wenn 2021 ein zumindest ordentliches Jahr werden könnte. Die Bank argumentiert damit, dass verstärkt Kunden wieder zu ihr zurückkehren und sie deshalb auch gegen den Trend Marktanteile zurückgewinnen kann. Wie nachhaltig das gelingen kann, dürfte auch am Investorentag des Instituts am 9. Dezember ein wichtiges Thema sein.

Fokus auf den Anleihehandel

Eine kritische Betrachtung darüber, dass die Deutsche Bank ihren Erfolg ausgerechnet dem schwankungsanfälligen Anleihehandel verdankt, obwohl die Strategie von Vorstandschef Christian Sewing eigentlich stärker auf stabile Geschäftsfelder setzen wollte, schenkt sich Autonomous. Das würde nach Einschätzung des Researchhauses wohl zu sehr nach Nachtreterei klingen. „Es ist, was es ist, und die Investoren haben die vom Anleihehandel getriebenen Ergebnisse in diesem Jahr bislang ganz klar gemocht“, heißt es in der Analyse dazu.

„Da wir uns bewusst sind, dass wir mit Blick auf den Anleihehandel während des größten Teils des Jahres falsch lagen, werden wir unvoreingenommen zuhören“, verspricht Autonomous seinen Kunden. Ein Punkt steht für Stuart Graham allerdings bereits jetzt schon fest: „Ich würde die Aussage, dass die Deutsche Bank irreparabel beschädigt ist, heute nicht mehr unterschreiben“, sagte er dem Handelsblatt.

Mehr: Deutsche-Bank-Aktie: Was Anleger wissen sollten.

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