Überschuldung Bafin leitet Insolvenz von Bremer Greensill Bank ein – Streit über die Verantwortung entbrannt

Nach der Pleite des Instituts im März 2021 haben die Privatbanken eine grundlegende Reform des Prüfungsverbands auf den Weg gebracht.
Frankfurt, Düsseldorf Neun Monate nach der Insolvenz des Zahlungsdienstleisters Wirecard sorgt die nächste Pleite für Diskussionen über die Qualität der Finanzmarktkontrolle in Deutschland. Das Amtsgericht Bremen hat am Dienstag auf Antrag der Aufsichtsbehörde Bafin das Insolvenzverfahren gegenüber der Bremer Greensill Bank eröffnet, deren britisch-australischer Mutterkonzern bereits in Schieflage geraten war. Zum Insolvenzverwalter wurde Michael Frege von CMS Hasche Sigle bestellt.
Dutzenden Kommunen, die Millionenbeträge bei Greensill angelegt haben, drohen nun empfindliche Verluste. Das Geld von Privatanlegern ist dagegen durch die Einlagensicherung der Banken geschützt.
„Für die deutschen Privatbanken, die voraussichtlich für die Verluste in Milliardenhöhe aufkommen müssen, ist dies zusätzlicher Stress in einer ohnehin angespannten Situation“, sagte die Finanzexpertin der Grünen, Lisa Paus. Der private Einlagensicherungsfonds wird wiederum versuchen, Geld bei jenem Versicherer einzutreiben, bei dem sich Greensill gegen den Ausfall von Forderungen abgesichert hatte.
Oppositionspolitiker und Kommunen monieren, die Bafin habe bei Greensill zu spät eingegriffen. Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann nimmt die Behörde dagegen in Schutz. Die Bafin habe Anleger aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht nicht über laufende Sonderprüfungen bei der Bank informieren dürfen: „Dass diese Regelung problematisch ist, wissen wir bereits vom Wirecard-Skandal.“ Der Bundestag werde den Fall alsbald genauer untersuchen.
Noch vor wenigen Monaten wurde der Lieferkettenfinanzierer Greensill Capital als Fintech-Star gefeiert. Doch dann fiel das Finanzkonglomerat innerhalb weniger Monate in sich zusammen – und löste in der Finanzbranche damit Schockwellen rund um den Globus aus. Vom Strudel erfasst wurden namhafte Unternehmen wie der Investor Softbank und die Schweizer Großbank Credit Suisse.
In Deutschland hatte die Finanzaufsicht Bafin bereits Anfang März ein Moratorium über die Greensill Bank verhängt und damit sämtliche Zahlungsein- und ausgänge gestoppt. Zudem zeigte sie den Vorstand des Geldhauses wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation an. Anfang dieser Woche stellte die Bafin beim Amtsgericht Bremen den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Im Anschluss stellte die Bafin auch den Entschädigungsfall fest. Privatanleger, die unter anderem über Plattformen wie „Weltsparen“ und „Zinspilot“ rund drei Milliarden Euro bei Greensill angelegt haben, erhalten ihr Geld dann vom Einlagensicherungsfonds des Privatbankenverbands BdB zurück.
Große heimische Geldhäuser wie die Deutsche Bank und die Commerzbank sind über die Entwicklung alles andere als erfreut. Denn sie werden den Einlagensicherungsfonds nach der Greensill-Pleite wieder auffüllen müssen. Der Einlagensicherungsfonds wiederum wird versuchen, möglichst viel Geld aus der Insolvenzmasse zu bekommen und so die eigenen Verluste zu begrenzen. Wie viel Geld am Ende fließt, ist jedoch ungewiss.
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Wie werthaltig die Forderungen sind, die das Institut von seinem britischen Mutterkonzern aufgekauft hat, ist derzeit kaum zu beurteilen. Aller Voraussicht nach werden die Gläubiger auch versuchen, Geld vom Versicherer einzutreiben, bei dem sich Greensill gegen den Ausfall der Forderungen abgesichert hat. Da die Existenz vieler Forderungen infrage steht, ist es jedoch mehr als unsicher, ob die Versicherung zahlen wird.
Darüber hinaus hat der Mitarbeiter, der die Versicherungsverträge für die Greensill Bank unterschrieben hat, nach Informationen des Handelsblatts seine Kompetenzen überschritten. „Auch deshalb ist unklar, ob der Versicherungsschutz hier am Ende greift“, sagt eine mit dem Thema vertraute Person.
Kritik von vielen Seiten
Vor und hinter den Kulissen hat die Aufarbeitung des Desasters begonnen. Banker, Politiker und Experten sehen unter anderem die Rolle der Bafin und die des Prüfverbands der Einlagensicherung kritisch. Beide hätten gegen Greensill früher und härter durchgreifen müssen, lautet der Vorwurf.
„Pleiten, Pech und Pannen – das umschreibt den Zustand der Finanzaufsicht in Deutschland“, sagt Michael Peters von der Bürgerbewegung Finanzwende. „Nach Wirecard haben wir den nächsten Milliardenskandal – und das unter den Augen der Aufsicht.“
Die Grünen-Finanzexpertin Paus sieht das ähnlich. „Wer sich in Deutschland auf die Finanzaufsicht verlässt, der ist verlassen“, sagt die Abgeordnete. „Auch der Prüfverband der privaten Banken hat sich hier nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert, indem er Auflagen im April 2020 wieder zurückgenommen hat.“ Greensill hat mit vergleichsweise hohen Zinsen um Kunden geworben und seine Bilanzsumme von 2017 bis 2019 mehr als verzehnfacht.
Dass auch viele Kommunen Millionen bei dem Institut angelegt haben, war aus Sicht von Experten unverantwortlich. „Sie haben das Geld ihrer Einwohner wegen ein paar Promille höherer Zinsen einer Bank anvertraut, die bereits seit einiger Zeit von kritischer Berichterstattung begleitet wurde“, sagt Finanzwende-Referent Peters. „Die Kämmerer müssen nun zu ihrer Verantwortung stehen.“
Die Stadt Monheim, die bei Greensill 38 Millionen Euro angelegt hat, will alle rechtlichen Schritte prüfen, wie sie ihr Geld ganz oder teilweise zurückbekommen kann, und dazu mit anderen betroffenen Kommunen zusammenarbeiten. Daneben wird das Rechnungsprüfungsamt zusammen mit externen Wirtschaftsprüfern untersuchen, ob die Verwaltung überhaupt Geld bei Greensill hätte anlegen dürfen.
Die Anlagerichtlinien vieler Städte sehen vor, dass freie Mittel nur bei Banken geparkt werden dürfen, bei denen diese von der Einlagensicherung geschützt sind. Wollen Kommunen ganz sichergehen, bleiben ihnen somit eigentlich nur Anlagen bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Städte wie Gießen und Osnabrück begründen ihr Investment bei Greensill mit dem guten Rating der Bank. Osnabrück hatte im November noch 11,5 Millionen Euro bei Greensill angelegt. „Aufgrund des sehr guten Ratings dieser Bank mussten wir von einer sehr sicheren Anlageform ausgehen“, sagt Thomas Fillep, der Finanzvorstand der Stadt.
Er fühlt sich von der Bafin im Stich gelassen, die bei Greensill im Sommer 2020 eine Sonderprüfung eingeleitet hatte. „Ein Hinweis an die Kommunen, etwa über die kommunalen Spitzenverbände, hätte genügt, dass wir mit dieser Bank zunächst keine Geschäfte mehr gemacht hätten.“
Die Finanzaufsicht weist die Vorwürfe zurück: „Die Bafin darf aufgrund ihrer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht Kommunen und andere Anleger nicht über eine Sonderprüfung oder aufsichtliche Maßnahmen informieren“, sagte ein Sprecher.
Das Bundesfinanzministerium erklärte in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Politikerin Paus, die Bafin habe sich von der Greensill Bank ab Januar 2019 monatlich über ihre Bilanzdaten unterrichten lassen.
Das Bilanzwachstum habe den Planzahlen entsprochen, die das Institut gegenüber der Bundesbank und der Bafin „im Zuge der von ihr verfolgten Wachstumsstrategie im Zusammenhang mit signifikanten Kapitalerhöhungen“ kommuniziert hatte.
Bafin gründet „Taskforce“
Im April 2019 startete der Prüfverband der Einlagensicherung eine Untersuchung der Bank. Dabei fand er heraus, dass es Klumpenrisiken gibt, weil das Institut sehr viele Forderungen des indisch-britischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta aufgekauft hatte. Der Prüfverband und auch die Bafin forderten vom Bremer Geldhaus deshalb eine Reduzierung des Gupta-Portfolios.
Seit Januar 2020 habe die Bafin die Aufsicht über die Greensill Bank dann intensiviert, schreibt das Finanzministerium – unter anderem wegen Ermittlungen der britischen Finanzaufsicht zu Geschäftsbeziehungen zwischen Greensill und Gupta sowie Greensill-Fonds des Schweizer Vermögensverwalters GAM.
Im Juli 2020 setzte die Bafin eine interne „Taskforce“ zu Greensill ein, zwei Monate später startete eine forensische Sonderprüfung durch KPMG. Dabei kam dann heraus, dass es keine Belege für viele Forderungen gab, die Greensill von Gupta aufgekauft hatte.
Daraufhin entsandte die Finanzaufsicht im Januar 2021 Sonderbeauftragte in die Greensill Bank „und erließ ein partielles Einlagen- und Kreditverbot sowie ein partielles Zahlungsverbot“. Seit Dienstag ist das Institut nun endgültig Geschichte.
Mehr: Greensill-Rettung ist gescheitert – Aufstieg und Fall eines Fintech-Stars.
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