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Unternehmensfinanzierung Alternativen zur Hausbank: Neue Kreditformen werden attraktiver

Die Hausbank finanziert nicht mehr alles. Immer öfter kommen deshalb für Unternehmer andere Instrumente und Kreditgeber ins Spiel. Eine Übersicht.
28.02.2021 - 09:48 Uhr Kommentieren
Der Hygienepapierhersteller finanziert das Wachstum unter anderem über den Anleihenmarkt. Quelle: Wepa
Wepa-Produktionsstätte

Der Hygienepapierhersteller finanziert das Wachstum unter anderem über den Anleihenmarkt.

(Foto: Wepa)

Frankfurt. Dem amerikanischen Ölindustriellen Jean Paul Getty wird das Zitat „Über Geld spricht man nicht, man hat es“ zugeschrieben – und daran haben sich auch die deutschen Mittelständler und Familienunternehmer über Jahrzehnte gehalten. Das Hausbankprinzip und der Kredit dominierten die Beziehungen zwischen Darlehensgeber und -nehmer im Wirtschaftswunder, doch diese Zeiten sind vorbei. Heute gibt es eine wachsende Zahl an Alternativen zum klassischen Kredit – passend zu den jeweiligen Bedürfnissen der Unternehmen.

Und immer mehr Firmen probieren Alternativen aus. Ein Beispiel ist der Hygienepapierhersteller Wepa – ein europaweit agierendes Familienunternehmen aus dem Sauerland. Das Management holte sich 2010 einen Finanzinvestor ins Boot. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise passten die langfristige Ausrichtung des Familienunternehmens und die kurzfristigere des Investors nicht zusammen.

2012 wurde der Investor dann – auch mithilfe einer Landesbürgschaft – wieder herausgekauft. Seitdem finanziert Wepa das Wachstum unter anderem über den Anleihenmarkt, aktuell ist das Unternehmen auf diese Weise bis 2027 durchfinanziert.

Martin Krengel, Vorstandschef der Wepa-Gruppe, sagt, die Finanzierungsform müsse der Strategie folgen. Sein Unternehmen befinde sich in einer kapitalintensiven Branche, in der der Markt insbesondere auch aufgrund der Rohstoffsituation sehr volatil sei. „Deshalb sind für uns Kapitalmarktanleihen, die wir in Zusammenarbeit mit den uns finanzierenden Banken emittieren, ein wichtiges Finanzierungsinstrument.“ 

Jens Gerke, Director im Bereich Strategy and Transactions bei der Beratungsgesellschaft EY, nennt mehrere Gründe, warum die Bedeutung der Banken in der Unternehmensfinanzierung tendenziell abnimmt: Erstens befinde sich die Branche in einer Konsolidierungsphase, die Bankenlandschaft sei nicht mehr so breit wie noch vor 15 Jahren. Zweitens erschwerten regulatorische Vorgaben der Aufseher die langfristige Kreditvergabe der Banken, etwa die schärferen Eigenkapitalvorschriften unter dem Stichwort Basel IV. Drittens hätten die Unternehmen vor der Coronakrise ihre Kapitalpolster gestärkt – Reserven, die durch die Pandemie aber angegriffen sind.

Das Handelsblatt stellt in einer Serie die wachsende Zahl an Alternativen zum klassischen Darlehen vor – passend zu den jeweiligen Bedürfnissen der Unternehmen.
Alternativen zum Kredit

Das Handelsblatt stellt in einer Serie die wachsende Zahl an Alternativen zum klassischen Darlehen vor – passend zu den jeweiligen Bedürfnissen der Unternehmen.

Für Nadine Kammerlander, Professorin und Lehrstuhlinhabern am Institut für Familienunternehmen und Mittelstand an der WHU – Otto Beisheim School of Management, gibt es zwei Hauptgründe, warum das Angebot an alternativen Finanzierungen zunimmt. Das ist einmal das historisch tiefe Zinsumfeld. Kammerlander beobachtet vermehrt, dass im Bereich von „klassischen“ Anlagen wie etwa Rentenpapieren eine Art Anlagenotstand herrscht. „Daher fokussieren sich Investoren vermehrt auf ‚alternative Anlagen‘ wie Private Debt, Private Equity, Venture Capital und Venture Debt.“ In diesem Zusammenhang schauten sich Private-Equity-Firmen, die das Geld der Anleger investieren müssten, vermehrt auch kleinere Firmen und Familienunternehmen an.

Wo Private Equity – also privates Beteiligungskapital für Übernahmen und Minderheitspositionen – früher unter 20 Millionen Euro in der Regel nicht aktiv wurde, sehe man heute vermehrt auch Investments im Bereich zwischen fünf und 15 Millionen.

Zweitens sei die Entwicklung sicher auch teilweise von der Finanzindustrie getrieben, welche die klassischen Finanzierungen anbietet. „Nach der Finanzkrise 2008/2009 wurde besonders in Europa der Ruf nach viel sichereren Banken und Finanzinstituten sehr stark, weshalb diese auch ihre Geschäftsmodelle anpassen und sich aus risikoreicheren Bereichen verabschieden mussten“, sagt die WHU-Expertin. In diesem Zusammenhang sei es heute als Bank zum Beispiel fast unmöglich, ein Start-up zu finanzieren, weil das zu riskant sei. „In diese Lücke springen dann die genannten Akteure“, sagt die Professorin.

Die Professorin beobachtet, dass Private-Equity-Firmen vermehrt kleineren Firmen Finanzierungsmöglichkeiten bieten. Quelle: WHU
Nadine Kammerlander

Die Professorin beobachtet, dass Private-Equity-Firmen vermehrt kleineren Firmen Finanzierungsmöglichkeiten bieten.

(Foto: WHU)

Klar ist aber auch, dass die Banken das Feld nicht kampflos überlassen. „Die Finanzierung über Banken ist nach wie vor eine wesentliche Finanzierungsquelle für Familienunternehmen und Mittelständler mit einem Anteil von über 60 Prozent. Hierzulande gibt es unverändert einen signifikanten Unterschied zu angelsächsisch geprägten Ländern, in denen sich auch mittelständische Unternehmen schwerpunktmäßig über den Kapitalmarkt finanzieren“, sagt Gerke von EY.

Gleichzeitig ist aber vielen Unternehmern in der Coronakrise klar geworden, dass sie offen bleiben müssen für neue Wege. „Wir erwarten, dass Unternehmer, die in der Coronakrise eigenes Kapital verloren oder Bürgschaften unterzeichnet haben, zukünftig viel stärker auf eine Brandmauer zwischen Betriebs- und Privatvermögen achten“, meint Bernd Brunke, Managing Director bei der Beratungsfirma AlixPartners.

Nach der Coronakrise rücke die Stärkung des Eigenkapitals in den Fokus, das bei vielen Unternehmen aufgrund der Verluste angegriffen sei. Hier gebe es mehrere Lösungsmöglichkeiten, etwa Private-Equity-Investments, Venture Capital für junge Firmen oder langfristiges Unternehmerkapital. Auch Mitarbeiterbeteiligungen müssten viel stärker zum Einsatz kommen, die steuerlichen Nachteile sollte der Gesetzgeber endlich ausräumen.

Die Coronakrise hat aber auch dazu geführt, dass die Finanzierungsangebote für verschiedene Branchen höchst unterschiedlich sein können. „Zunächst gab es einen kurzen Anstieg der geforderten Margen im Frühjahr letzten Jahres, diese sind aber sehr schnell auf das Vor-Corona-Niveau zurückgegangen“, hat Thorsten Gladiator, Partner Germany bei der Capitalmind GmbH, beobachtet. Und die Banken seien bei neuen Engagements deutlich zurückhaltender geworden. Außerdem schauten alle Kreditgeber deutlich kritischer auf margenschwache oder konjunkturabhängige Branchen. Zukunftsträchtige Geschäftsmodelle wie zum Beispiel der Software- und IT-Markt sowie Unternehmen aus dem Gesundheitssektor könnten dagegen sehr attraktive Kreditkonditionen verhandeln – und gerade hier konkurrieren die Geldgeber um die besten Kunden.

Klar ist: „Die Finanzierungslandschaft befindet sich weiter in einem dramatischen Wandel. Es wird zukünftig viel mehr Kapitalmarktlösungen geben müssen, die den klassischen Bankkredit ergänzen“, sagt Brunke von AlixPartners.

Das Handelsblatt wird die Alternativen in den nächsten Wochen vorstellen, jeweils mit konkreten Beispielen aus der Unternehmenspraxis. Die Serie umfasst:

Private Debt

Private Kreditfonds gehören zu den am schnellsten wachsenden Alternativen. Sie haben in der Übernahmefinanzierung bei M&A-Transaktionen schon eine dominierende Marktposition erreicht und dringen nun in die klassische Unternehmensfinanzierung vor. Zum Teil liegen die Zinsmargen bei neuen Übernahmefinanzierungen, die durch Debt-Fonds gestellt werden, nur noch zwei Prozentpunkte über den Zinsmargen der Banken bei gleichzeitig höherer Nettoverschuldung. „Dies mag auch den Markt für Unternehmensfinanzierungen (Corporate Loans) im Sub-Investmentgrade-Bereich für Debt Funds attraktiver machen“, sagt Thomas Weitkamp, Partner bei der Kanzlei Latham & Watkins.

Schuldscheine

Sie sind von der Rechtsform her Kredite, aber letztlich eine Mischform zwischen Krediten und Anleihen. Die Unternehmen beauftragen eine oder mehrere Banken. Die verkaufen den Schuldschein dann an eine Handvoll ausgewählter institutioneller Investoren wie andere Banken oder Versicherer weiter. Das Ganze läuft diskret ab, es gibt keine öffentlichen Prospekte und der Dokumentationsaufwand ist gering. Das ist ein Grund, weshalb auch viele Mittelständler den Schuldschein schätzen. Außerdem lassen sich Schuldscheine auch schon im Volumen von 20 Millionen Euro platzieren. 2020 hielten sich Unternehmen jedoch mit Schuldscheinplatzierungen zurück. Nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) finanzierten sich 100 Unternehmen über neue Schuldscheine und sammelten insgesamt 19,5 Milliarden Euro ein. Das waren 30 Prozent weniger als im Vorjahr.

Anleihen

Der Markt boomte im vergangenen Jahr. Mehr als 440 internationale Unternehmen begaben neue auf Euro lautende Anleihen im Rekordwert von 500 Milliarden Euro. Das waren noch einmal 13 Prozent mehr als im Rekordjahr 2019. Der Großteil der Unternehmen hatte laut LBBW-Berechnungen eine gute Bonität. Anleihen kommen vor allem für größere mittelständische Unternehmen infrage. Unter 200 Millionen Euro sind Anleihen nach Einschätzung von Bankern nur schwer zu platzieren. Die meisten Unternehmen, die Anleihen begeben, haben ein Rating von einer der großen Agenturen. Die Zinskosten sind für Unternehmen bei Anleihen ebenso wie bei Schuldscheinen günstig. Bei Anleihen lagen die jährlichen Zinszahlungen nach Berechnungen der LBBW für Unternehmen mit guter Bonität im Schnitt bei 1,125 Prozent. Unternehmen mit einer schwächeren Bonität mussten im Schnitt 3,5 Prozent zahlen. Die Bandbreite ist aber in beiden Bereichen groß.

Venture Capital

Die Wagnisfinanzierer für junge Technologieunternehmen haben den Corona-Schock überwunden. Das Geschäftsklima für Venture Capital verbessert sich zum Jahresende 2020 deutlich und hat dadurch den drastischen Einbruch vom Frühjahr des vergangenen Jahres gänzlich wettgemacht. Das geht aus dem neusten Investorenbarometer des Branchenverbands BVK und der Förderbank KfW hervor. Für Jungunternehmer bedeutet das: Es gibt weiterhin Eigenkapital für Start-ups und junge Technologieunternehmen. Allerdings sind zunehmend B2B-Geschäftsmodelle gefragt: „Im vierten Quartal 2020 haben sich die Finanzierungsrunden wieder auf Vorkrisenniveau bewegt. Das heißt, Runden über 100 Millionen Euro hat man vermehrt gesehen“, sagt Thomas Prüver, Partner bei EY.

Private Equity

Das Angebot der Beteiligungshäuser ist mittlerweile sehr breit und deckt jede Unternehmenssituation ab. In frühen Phasen stellen die Fonds Wachstumskapital für Mittelständler bereit, und es gibt heute auch sehr lang laufende Beteiligungen über zehn Jahre hinaus. Die Private-Equity-Manager machen Minderheits- und Mehrheitsbeteiligungen wie etwa beim Prothesenhersteller Ottobock oder dem Hygienespezialisten Schülke. Zuletzt hatten die gut 300 Beteiligungsgesellschaften mehr als 1100 Unternehmen in Deutschland jährlich finanziert, die Zahl der Beschäftigten in den Portfoliounternehmen der Finanzinvestoren beträgt geschätzt 1,1 Millionen.

Digitale Plattformen

Bei den Kreditmarktplätzen im Internet kann man nicht von einem Hype sprechen – es gibt eine Handvoll, die zusammengenommen 500 Millionen Euro im Jahr stemmen können. Die Wachstumsraten waren im Pandemiejahr 2020 eher niedrig, weil die Unternehmen stark auf KfW-Kredite zurückgegriffen haben. Aber: Die Unternehmenschefs der kleinen und mittelgroßen Unternehmen sind jetzt digitaler unterwegs, trauen sich in Zoom-Konferenzen und die Bereitschaft, sich den neuen, digitalen Kanälen anzuvertrauen, steigt.

Crowdfunding

Vor allem ökologisch ausgerichtete Familienunternehmen nutzen zunehmend diese Finanzierungsform. Denn viele ihrer Kunden würden gern in diese Firmen investieren, da sie aber oft familiengeführt sind, können Sie sich nicht über Aktien an ihnen beteiligen. Der Saft- und Smoothie-Hersteller Voelkel hat es gemacht. Das Unternehmen hatte bei Finnest das Crowdfunding gestartet. Voelkel finanzierte damit eine neue Mehrwegabfüllanlage. Damit habe man die enorme Nachfrage nach einem Haferdrink befriedigen können. Der Aufwand für ein Crowdfunding-Projekt ist aber wegen der Betreuung einiger Hundert Investoren nicht unerheblich und sollte nicht unterschätzt werden.

Mehr: Banken sollten Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Kredite besser erfassen

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