US-Banken Citigroup: Jane Fraser leitet als erste Frau eine Wall-Street-Bank

Die 53-Jährige übernimmt im Februar den Chefposten bei der Citigroup.
New York Der Wechsel ist gründlich vorbereitet. Schon Ende Oktober 2019 stieg Jane Fraser zur Chefin des Privatkundengeschäfts auf und wurde damit die Nummer zwei der Citigroup . Das galt schon damals als klares Signal, dass CEO Michael Corbat die gebürtige Schottin zu seiner Nachfolgerin machen will.
Im Februar wird Fraser dann die Führung übernehmen, wenn Corbat in Rente geht, wie die Bank am Donnerstag mitteilte. Der Zeitpunkt ist überraschend. Eigentlich hätte Corbat, der die Bank seit acht Jahren führt, noch bis 2022 im Amt sein sollen.
Fraser schafft damit etwas, was keiner anderen Frau bislang gelungen ist: Sie wird die erste Frau an der Spitze eines großen Wall-Street-Hauses. Der Schritt ist historisch, und die Entscheidungen der 53-Jährigen werden nicht nur an der Wall Street genau verfolgt werden.
Amerikas Finanzbranche ist nach wie vor von weißen Männern dominiert – doch der Druck aus Politik und Gesellschaft, das zu ändern, steigt. Im vergangenen April mussten die Chefs der sechs großen Banken vor dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses aussagen und wurden für ihre Schwäche bei der Diversität kritisiert. Zwar haben alle Banken Ziele, um Frauen und andere Minderheiten zu fördern. Doch bis ganz nach oben hat es bislang noch keine geschafft.
An der Wall Street gab es ein inoffizielles Wettrennen, welche Bank die erste Frau an die Spitze befördern würde. Auch Branchenprimus JP Morgan Chase hat mehrere aussichtsreiche Kandidatinnen, die CEO Jamie Dimon eines Tages ersetzten könnten. Dimon, der am längsten amtierende Vorstandschef einer US-Großbank, hat jedoch noch nicht signalisiert, wann er den Posten räumen will.
Corbat hatte der Bank schon vor einiger Zeit konkrete Vorgaben gesetzt, den Anteil von Frauen und Minderheiten in Führungspositionen zu erhöhen. Citi war auch das erste große Finanzinstitut, das 2018 seine Gehaltsunterschiede veröffentlichte und sich dazu verpflichtete, die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Hautfarbe kontinuierlich abzubauen.
Fraser: „Chanel-Kostüm gegen Jeans getauscht“
Fraser gehört zu einer neuen Managergeneration, die offener und persönlicher ist und auch Schwächen eingesteht. „Ich fühle mich unsicher, wenn ich mich nicht auf etwas zu 120 Prozent vorbereitet habe“, gestand sie 2016 auf einer Veranstaltung für Managerinnen in Miami. „Ich neige automatisch dazu zu sagen: Ich bin nicht gut genug.“ Dabei hatte sie bereits damals eine beachtliche Karriere hinter sich und leitete das Lateinamerikageschäft der Citigroup.
Gestartet hat sie ihre Karriere bei Goldman Sachs, wurde später Partnerin bei McKinsey und wechselte 2004 schließlich zur Citigroup. In London und in den USA arbeitete sie für die Wall-Street-Bank in verschiedenen leitenden Positionen.
An der Wall Street wurde die Nachricht sehr positiv aufgenommen. Gratulationen gab es unter andrem von Goldman-Sachs-CEO David Solomon. Mohamed El-Erian, der ökonomische Chefberater der Allianz, nannte Frasers Beförderung „historisch und sehr positiv.“ Die Amerika-Chefin der Deutschen Bank, Christiana Riley, sieht „die Anerkennung von Janes Kompetenz und Führung als einen Wendepunkt hin zu mehr Meritokratie und Gleichberechtigung, den alle Frauen an der Wall Street feiern.“
Frasers Vorteil: Sie hat tiefe Einblicke in verschiedene Bereiche des Instituts, für das sie seit 16 Jahren arbeitet. Während der Finanzkrise bat sie der damalige Citigroup-CEO Vikram Pandit, ihr bei der massiven Umstrukturierung zu helfen. „Wir haben damals Vermögenswerte von fast einer Billion Dollar verkauft“, erinnert sich Fraser. Sie pendelte zu dieser Zeit zwischen New York und London, wo ihr Mann und ihre zwei Söhne lebten.
Ihr Mann, gebürtiger Kubaner, war früher selbst erfolgreicher Banker. Er leitete das Europageschäft der Bank of America, gab seine Karriere jedoch in der Finanzkrise auf, damit Fraser ihre mit Nachdruck verfolgen konnte.
Nach der Finanzkrise leitete sie Citis Privatbank, die die vermögendsten Kunden betreut. Später wurde sie nach St. Louis im US-Bundesstaat Missouri versetzt, um das angeschlagene Hypothekengeschäft zu sanieren. Analysten schätzen sie als pragmatisch und vielseitig ein.
„Ich habe das Chanel-Kostüm gegen Jeans getauscht und mich an die Arbeit gemacht“, sagt sie über ihre Zeit in Missouri. Wenn sie nicht arbeite, mache sie sich über ganz alltägliche Dinge Gedanken: „Wenn ich unterwegs bin, frage ich mich, ob meine drei Jungs zu Hause auch etwas Grünes zu Abend essen – oder ob sie mit Pizza vor dem Fernseher sitzen und Football schauen.“
Sie übernimmt Amerikas drittgrößte Bank zu einer kritischen Zeit, wenige Monate nach der US-Präsidentschaftswahl und mitten in der Coronakrise, deren Auswirkungen laut Ökonomen noch lange zu spüren sein werden. Auch wird sie darüber entscheiden müssen, wann wie viele Mitarbeiter zurück in die Büros kehren und zu welchem Grad Heimarbeit künftig möglich sein wird.
Schon lange engagiert sich Fraser dafür, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen, und leitet eine entsprechende Gruppe bei der Citigroup. Ihr Rat: Frauen „müssen sich einflussreiche Mentoren suchen, die ihren Namen bei wichtigen Besetzungen ins Spiel bringen“, sagt sie. Fraser hat den Weg für andere geebnet – jetzt auch bis ganz nach oben.
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