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US-Spitzenbanker John Thain „Viele Banken sind immer noch zu groß“

Der Ex-Chef von Merrill Lynch und der NYSE fiel einst tief und versucht, sich in neuer Funktion beim Finanzkonzern CIT zu rehabilitieren. Er spricht über zu große Banken, mögliche Crash-Gefahren und den US-Wahlkampf.
12.01.2016 - 11:45 Uhr
Ehemaliger CEO von Merrill Lynch Quelle: Reuters
John Thain

Ehemaliger CEO von Merrill Lynch

(Foto: Reuters)

New York Der alte Feind sitzt gleich nebenan. Fast Wand an Wand mit der Zentrale der US-Bank CIT, die John Thain heute leitet, steht am Bryant Park mitten in Manhattan der Büroturm der Bank of America, die ihn 2009 gefeuert hat. Thain hatte Merrill Lynch in einer Rettungsaktion an die mächtige Bank of America verkauft und ihr damit keinen Gefallen getan, wie sich bald darauf in der Bilanz zeigte. Thain war damit eine der Schlüsselfiguren in der größten Finanzkrise der USA seit den 1930er-Jahren. Kaum einer hatte nach einer wechselvollen Karriere einen so tiefen Einblick in die Strukturen der Wall Street wie er. Jetzt schaut er zurück – ohne Zorn, aber auch ohne große Reue.

Herr Thain, seit Jahrzehnten sind die Märkte nicht mehr so schlecht ins neue Jahr gestartet. Die Aktienkurse in China brechen ein und ziehen die Börsen in Europa und den USA mit sich. Kommt es zum Crash?
China hat großen Einfluss auf den Rest der Welt, keine Frage. Es ist die zweitgrößte Volkswirtschaft. Was in China geschieht, wirkt sich auf Finanzmärkte und Unternehmen rund um den Globus aus. Aber ich glaube nicht, dass es in China zu einer harten Landung kommt. Die Wirtschaft wächst langsamer, aber immer noch schneller als die der meisten anderen Länder.

Schon die Entschleunigung Chinas hat ausgereicht, um den Ölpreis kollabieren zu lassen. Müssen wir uns auf eine Pleitewelle im Energiesektor einstellen? Gerade in den USA gibt es viele Ölproduzenten, die nur bei höheren Preisen überlebensfähig sind.
Das ist derzeit die große Frage, und sie betrifft nicht nur die Öl-, sondern auch die Gasbranche. Natürlich haben die Preiseinbrüche negative Auswirkungen auf Förderer und Energiedienstleister. Jetzt rechnen alle durch: Welches Finanzunternehmen ist wie stark engagiert, was wird getan, um ihre Risiken einzudämmen.

Wie tief stecken Sie da mit drin?
Das wollen auch unsere Investoren bei all unseren Telefonkonferenzen wissen. CIT ist mit etwa einer Milliarde Dollar engagiert. Wir sind ein 65-Milliarden-Dollar-Institut, relativ gesehen ist das Engagement also überschaubar. Außerdem haben wir Sicherheiten. Derzeit gehen wir jeden einzelnen Kredit durch. Wenn Öl so billig bleibt, wie es ist, wird es mehr Zahlungsausfälle geben. Ich erwarte, dass sich die Qualität unseres Kreditportfolios in diesem Fall weiter verschlechtert, und ich erwarte auch, dass sich die Kreditqualität der anderen Banken verschlechtert, die Energiefirmen Geld geliehen haben.


Zu den wirtschaftlichen kommen geopolitische Risiken, die internationale Ordnung wirkt labil wie lange nicht mehr.
Die geopolitische Lage ist ernst, schauen wir nur auf den Nahen Osten. Wir haben es mit scheiternden Staaten zu tun – Irak, Jemen, Syrien und Libyen. Dazu kommt der ungelöste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Daraus entstehen Risiken: Terrorismus zum einen, aber auch Gefahren für den Ölmarkt. Auch Europa gibt Anlass zur Sorge. Bisher hat Angela Merkel dort die Führungsrolle übernommen. Doch nun stellt sich die Frage, ob die Flüchtlingssituation diese Führungsrolle bedroht. Ihre Entscheidung, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, scheint nicht die Unterstützung der anderen europäischen Staaten zu haben.

Sie sorgen sich um den Zusammenhalt Europas, weil mit Merkel ein Stabilitätspfeiler wegbrechen könnte?
Ja, das sehe ich so.

Wenn es einen Lichtblick gibt, ist es der US-Arbeitsmarkt. Es herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Dennoch haben viele Amerikaner das Gefühl, dass ihr Land nicht vorankommt.
Die USA wachsen, aber sie wachsen langsam. Ein Plus von zwei Prozent, das ist nicht toll, aber in unserer heutigen Welt auch nicht miserabel. Der Grund, warum die Stimmung gedrückt bleibt, ist die Stagnation der Löhne, insbesondere für die Mittelschicht.

Fürchten Sie, dass die US-Notenbank mit Zinsanhebungen das zarte Wachstum ersticken könnte?
Darüber mache ich mir keine Sorgen, die Fed war bisher sehr vorsichtig. Die Zinsschritte werden langsam und moderat ausfallen.

Wie ist die Stimmung bei Ihren Kunden?
Wir verleihen vor allem an mittelgroße Unternehmen Geld. Sie bilden den Kern der US-Wirtschaft, schaffen zwei Drittel aller neuen Jobs. Aber sie sind vorsichtig und meist nicht bereit zu expandieren.

Oft hört man die Klage, Kredite seien schwer zu bekommen.
Das sehe ich nicht so. Es gab immer ein ausreichendes Kreditangebot, das Problem war die mangelnde Nachfrage. Nicht bei Großkonzernen, die verschulden sich kräftig, aber bei mittleren Unternehmen. Sie zögern, neue Schulden aufzunehmen.

Was hält die Firmen zurück?
Neben den verhaltenen Wachstumsaussichten sind es zunächst die hohen Steuern. Die Unternehmensteuern in den USA zählen zu den höchsten weltweit. Wir brauchen dringend eine Reform, aber das wird nicht geschehen, ehe ein neuer Präsident gewählt ist. Auch die steigenden Kosten für die Krankenversicherung und die Last der Regulierung schränken die Firmen ein.

„'Too big to fail' existiert weiter“
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