Versicherer Allianz muss im Streit mit Gastwirten Niederlagen fürchten

Die Allianz und die Gastwirte streiten seit Monaten über die Versicherungsklauseln.
München Die Corona-Pandemie hat bei vielen Versicherern bereits hohe Schäden verursacht. Nach einer mündlichen Verhandlung am Donnerstag vor dem Landgericht München I könnte es für viele von ihnen noch teurer werden. Das gilt besonders für die Allianz.
Denn die Vorsitzende Richterin Susanne Laufenberg hat klar gemacht, dass dem Münchener Versicherungsriesen in der gerichtlichen Auseinandersetzung mit zahlreichen Gastwirten und Hoteliers eine Niederlage drohen dürfte.
In dem Streit zwischen den Versicherern und ihren Kunden geht es um die Frage, ob ihnen eine finanzielle Entschädigung aus ihrer Betriebsschließungsversicherung zusteht, nachdem die Behörden im Frühjahr einen generellen Lockdown anordneten und Geschäfte, Hotels und Gaststätten geschlossen werden mussten. Viele Betriebe gerieten so ohne eigenes Verschulden plötzlich in Existenznot. Die Betriebsschließungsversicherung sollte für den Schaden aufkommen, so ihr Argument.
Die Versicherer bezogen dagegen den Standpunkt, dass kein spezieller Einzelfall im Unternehmen des Kunden aufgetreten ist, der durch eine Betriebsschließungsversicherung abgesichert sei. Als Beispiel gelten aus ihrer Sicht Krankheitserreger oder Infektionen im Betrieb, die eine Schließung nötig machen.
In der Vergangenheit gehörten dazu ein Salmonellenbefall in einer Eisdiele, eine Norovirus-Erkrankung bei Hotelangelstellten und Coli-Bakterien in einer Metzgerei. Zudem waren Pandemien in manchen Policen bisher nicht abgedeckt. Weder Versicherer noch Kunden maßen dem Thema in der Vergangenheit eine allzu große Gefahr bei.
Richterin zeigt klare Tendenz
Am Donnerstag wurde nun zwar kein Urteil gefällt, die Vorsitzende Richterin Laufenberg ließ in ihren Worten jedoch eine klare Tendenz durchblicken. Demnach müsse die Betriebsschließungsversicherung der Allianz möglicherweise auch dann an die Kunden für die von den Behörden angeordnete Schließung von Betrieben zahlen, wenn der Hinweis auf Covid-19 nicht explizit in den Vertragsunterlagen benannt wird.
„Wir sehen im vorliegenden Fall nichts, was dem Anspruch der Klägerin entgegensteht“, sagte Laufenberg wörtlich. Verhandelt wurde die Klage des traditionsreichen Wirtshauses am Nockherberg. Das ist bundesweit bekannt. Wird von dort doch in Corona-freien Jahren zur Fastenzeit der traditionelle Starkbieranstich bundesweit im Fernsehen übertragen. Zahlreiche Polit-Prominenz aus allen Parteien versammelt sich dabei.
Gerade Gastronomen zogen zuletzt in großer Zahl gegen ihre Versicherer vor Gericht. Allein in München sind inzwischen 71 Klagen am Landgericht eingegangen. Zwar gab es bereits im Frühsommer eine Vereinbarung der bayerischen Staatsregierung und dem Hotel- und Gaststättenverband mit den Versicherern, die dem Gastgewerbe 15 Prozent der vertraglich vereinbarten Tagesentschädigung zusicherte. Vielen Wirten war das allerdings nicht genug.
Nach Schätzungen des Branchenverbandes GDV haben knapp ein Viertel der Hotels und Gaststätten in Deutschland eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Von 73.000 Policen ist bundesweit die Rede.
Schon im Juli hatte Richterin Laufenberg bei einer Verhandlung klar gemacht, dass eine pauschale Beurteilung der unterschiedlichen Verträge nicht möglich sei. Vielmehr komme es auf die individuellen Vertragsklauseln an, die im Einzelfall betrachtet werden müssen.
Deutliche Kritik äußerte die Kammer da bereits am Marktführer Allianz, dem sie Intransparenz vorwarf. Ein Kunde müsse auch verstehen können, für welche Fälle der Versicherungsschutz gelte und für welche nicht, hieß es damals.
Ähnliche Probleme im europäischen Ausland
Ähnliche Auseinandersetzungen zwischen Gastronomen und ihren Versicherern gibt es seit Wochen schon in Österreich und der Schweiz. Auch hier gab es Urteile zu Gunsten der Wirte. In manchen Fällen hatten die Assekuranzen einen Vergleich angeboten, den die betroffenen Wirte aber nicht annahmen und weiter klagten.
In Großbritannien gab es zu dem Thema Anfang der Woche eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Demnach können manche Kunden auf eine Entschädigung hoffen, aber nicht alle. Auch dort wiesen die Richter auf die individuelle Ausgestaltung des jeweiligen Vertragswerks hin, die stets einzeln geprüft werden müsse.
Mehr: Block House klagt gegen zehn Bundesländer und verlangt Entschädigung für den Corona-Lockdown.
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