Vor Hauptversammlung Jeder zehnte Job fällt bei der Deutschen Bank weg

Der neue Chef greift durch.
Frankfurt Neuer Chef, neue Strategie, neues Glück. Mit dieser Gleichung wollte die Deutsche Bank eigentlich in stabilere Zeiten aufbrechen. Doch die Gleichung geht bislang nicht auf. Unmittelbar vor der Hauptversammlung an diesem Donnerstag muss das größte heimische Geldhaus mit der Ankündigung radikaler Maßnahmen versuchen, einen Aufstand wichtiger Aktionäre zu verhindern.
Normalerweise geben große Anteilseigner bereits einige Zeit vor der Hauptversammlung ihre Stimme zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und den anderen Tagesordnungspunkten ab. Doch dieses Mal haben einige der wichtigsten Aktionäre der Deutschen Bank nach Informationen des Handelsblatts ihre Wahl aufgeschoben, um abzuwarten, ob und mit welchen Details der neue Vorstandschef Christian Sewing seine umstrittene neue Strategie untermauern wird.
Sewing versucht zu liefern: Nach Informationen aus Finanzkreisen wird die Bank im Zuge ihrer Neuausrichtung bis zu 10.000 Stellen streichen, das wäre beinahe jeder zehnte Arbeitsplatz. Hinzu kommt ein Teilrückzug aus dem Handel mit Aktien, in dem die Erträge zuletzt weggebrochen waren. Hier streicht die Bank vor allem in den USA. Auch in Zentraleuropa, dem Nahen Osten und Afrika soll das Geschäft zurückgefahren werden. Bei der Postbank dürften ebenfalls zahlreiche Stellen wegfallen. Früheren Angaben aus Finanzkreisen zufolge ist in den kommenden vier Jahren ein Abbau von jeweils 1 500 Mitarbeitern im Jahr angedacht, die über freiwillige Abfindungsprogramme und natürliche Fluktuation das Unternehmen verlassen sollen.
Bis dato beschäftigt das Geldhaus weltweit rund 97 500 Menschen. Mit dem drastischen Personalabbau leitet die Bank damit jene Sanierungsschritte ein, die andere europäische Konkurrenten längst hinter sich haben. Der Aufsichtsrat der Bank wollte noch am Mittwochabend über die Einschnitte entscheiden. Ergebnisse lagen bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht vor. Über die geplanten Stellenstreichungen hatte zuerst das „Wall Street Journal“ berichtet.
Anfang April hatte der Aufsichtsrat den bisherigen Vorstandschef John Cryan durch den damaligen Privatkundenvorstand Sewing ersetzt. Unmittelbarer Auslöser waren das dritte Verlustjahr in Folge, ein verpatztes erstes Quartal und verpasste Sparziele. Chefkontrolleur Paul Achleitner und einige wichtige Großaktionäre hatten Cryan vorgeworfen, dass er zwar die Schwächen der Bank korrekt analysiert hatte, aber bei der Umsetzung der nötigen harten Sanierungsschritte zu zögerlich war. Das soll jetzt Sewing nachholen.
Bereits drei Wochen nach seiner Ernennung hat der neue Mann an der Spitze eine geänderte Strategie verkündet. Das Frankfurter Geldhaus gibt seinen Anspruch als globale Investmentbank auf und will künftig zwei Drittel der Einnahmen in stabileren Bereichen wie dem Privatkundengeschäft und dem Transaction Banking erzielen. Außerdem hatte der neue Chef bereits angekündigt, dass das Institut sein Zinsgeschäft in den USA deutlich verkleinern will. Zudem wollte die Bank ihr Aktiengeschäft weltweit überprüfen. Bei der Beratung von Unternehmen bei Wertpapierplatzierungen und Fusionen wollen sich die Frankfurter in Asien und den USA aus Bereichen zurückziehen, die nicht international relevant sind. Am Ziel, in zwei oder drei Jahren eine Eigenkapitalrendite von um die zehn Prozent zu erreichen, will der neue Chef trotz des anspruchsvollen Umbauprogramms nicht rütteln.
Analysten und Investoren hatten allerdings schwere Zweifel an der neuen Strategie angemeldet. Die Kritiker fürchten, dass durch den Umbau die Erträge schneller wegbrechen, als die Kosten sinken. „Zu wenig, zu spät“, hatte der prominente Bankenexperte Stuart Graham von Autonomous Research seine Analyse der Sanierungspläne überschrieben. Auch die Ratingagenturen reagierten skeptisch auf den Strategieschwenk. Standard & Poor’s prüft eine Herabstufung der Bonitätsnote, Moody’s und DBRS haben die Einstufung mit einem negativen Ausblick versehen.
Analyst Amit Goel von Barclays fürchtet, dass eine Verschlechterung des Ratings der Katalysator für eine weitere Abwärtsspirale sein könnte. Steve Eisman, Star-Stratege des US-Vermögensverwalters Neuberger Berman, fürchtet, dass die Frankfurter trotz sechs Kapitalerhöhungen seit der Finanzkrise bereits 2019 noch einmal ihre Aktionäre anpumpen müssen, um frische Mittel einzusammeln. Allen Experten gemeinsam ist, dass sie mehr Details zum Umbau der Bank fordern.
Dem versucht die Bank nun offenbar vor der Hauptversammlung gerecht zu werden. Bereits seit Wochen ist klar, dass das Frankfurter Geldhaus wieder einmal vor einem äußerst turbulenten Aktionärstreffen steht. Vor allem der umstrittene Aufsichtsratschef Paul Achleitner muss sich auf den Unmut der Aktionäre einstellen.
Einflussreiche Stimmrechtsberater hatten den Österreicher scharf kritisiert und für die ausbleibenden Fortschritte der Bank verantwortlich gemacht. Die Stimmrechtsberater Glass Lewis und Ivox Glass Lewis hatten sich gegen die Entlastung Achleitners auf der Hauptversammlung ausgesprochen. Der wesentlich einflussreichere Stimmrechtsberater ISS votierte zwar für Achleitners Entlastung, begründete das aber vor allem mit einem Mangel an Alternativen und sprach von einer letzten Chance für den ehemaligen Deutschlandchef von Goldman Sachs. Der Aktionärsberater Hermes hatte deshalb angemahnt, die Bank möge zeitnah die Suche nach einem Nachfolger Achleitners beginnen.
Vor diesem Hintergrund wird mit Spannung auf das Abstimmungsergebnis für den Aufsichtsratschef gewartet, dessen Vertrag noch bis 2022 läuft. Ob die aktuellen Ankündigungen ausreichen werden, um die Aktionäre gnädiger zu stimmen, ist fraglich. „Natürlich muss die Bank auf die Kosten achten, aber der angekündigte Personalabbau wird erst einmal für finanzielle Belastungen sorgen, die das Geldhaus im Moment gar nicht brauchen kann“, warnt Ingo Speich von Union Investment.
Ihren größten Problemen will die Bank in Zukunft auch im Aufsichtsrat mehr Aufmerksamkeit widmen. Nach Informationen des Handelsblatts will das Kontrollgremium zwei neue Ausschüsse gründen, einen zur Strategie sowie einen für die Themen Innovation und Technologie. Für die Leitung des Strategie-Ausschusses soll der frühere Merrill-Lynch-Chef John Thain vorgeschlagen werden, für den Innovationsausschuss die Ex-UBS-Managerin Michele Trogni. Beide müssen noch von der Hauptversammlung gewählt werden. Auch der von den katarischen Großaktionären entsandte Aufsichtsrat Stefan Simon könnte eine neue Aufgabe bekommen. Er soll Mitglied im wichtigen Präsidialausschuss werden. Mit der neuen Rolle würde die Position von Simon deutlich aufgewertet.
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