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Vorfälligkeitsentschädigung Was Kunden bei der Rückzahlung von Immobilienkrediten beachten müssen

Sind Verträge nicht klar formuliert, können sich Kreditnehmer gegen hohe Gebühren bei der vorzeitigen Rückzahlung von Darlehen wehren. Zum Teil ist aber Eile geboten.
15.11.2020 - 12:32 Uhr Kommentieren
In diesem Stadtteil befindet sich die Immobilie, die die Parfitts mit einem Kredit der Commerzbank ausbauen wollten. Quelle: dpa
Wohnungsbau im Berliner Stadtteil Kreuzberg

In diesem Stadtteil befindet sich die Immobilie, die die Parfitts mit einem Kredit der Commerzbank ausbauen wollten.

(Foto: dpa)

Frankfurt Ein Dachboden in bester Lage im Szenebezirk Kreuzberg, Rohbau, hölzerne Balken: 2017 kaufen Justin Parfitt und seine Frau Annabelle das oberste Stockwerk einer Wohnung in Berlin, um dort ein Loft zu bauen. Für den Erwerb und die Renovierungsarbeiten nimmt das britische Paar zwei Kredite bei der Commerzbank über insgesamt 550.000 Euro auf. Doch was als Traum-Investment beginnt, wird für die beiden Unternehmer zu einem finanziellen Desaster.

Die Schuld dafür sehen die Parfitts bei der Commerzbank. Als das Paar in eine finanzielle Notlage gerät, will es die Immobilie verkaufen und die Darlehen vorzeitig zurückzahlen. Doch die Bank verlangt hohe Gebühren: Das Ehepaar soll rund 40.000 Euro zahlen, hauptsächlich als sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung.

Die dürfen Banken in Deutschland als Entschädigung verlangen, wenn Kunden ein Immobiliendarlehen früher als geplant zurückzahlen. Wurde das Darlehen noch nicht genutzt, wie bei einem der Darlehen der Parfitts, nennt sich der Betrag Nichtabnahmeentschädigung.

Das Paar ist ratlos: Wie die hohe Summe zustande kommt, können beide nicht nachvollziehen. Doch damit nicht genug: Als das Ehepaar bereits einen Käufer für die Wohnung gefunden hat, verdoppelt die Commerzbank plötzlich die Gebühren auf rund 80.000 Euro – ein Fehler, den das Institut erst Monate später zugeben und korrigieren wird.

Der Streit zieht sich inzwischen seit Monaten hin, unter anderem haben sich die Parfitts an die Schlichtungsstelle des Privatbankenverbands BdB gewendet. Währenddessen ist die Familie zu Freunden gezogen und hat sich Geld von Bekannten geliehen, um über die Runden zu kommen. „Die Commerzbank hat mich finanziell zerstört“, klagt Justin Parfitt.

Die Commerzbank erklärt, sie stehe im „direkten Dialog“ mit Parfitt und weist auf das Schlichtungsverfahren hin: „Der dort empfohlene Vergleich wurde von uns deutlich aufgestockt. Dieses Angebot einer einvernehmlichen Lösung liegt dem Kunden vor.“

Fehlerhafte Verträge könnten Tausende Kunden betreffen

Genau wie die Parfitts sehen sich jedes Jahr viele Bankkunden in Deutschland mit hohen Gebühren konfrontiert, wenn sie einen Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlen wollen. Verbraucherschützer schätzen, dass neben Tausenden Commerzbank-Kunden auch viele Kreditnehmer anderer deutscher Geldhäuser betroffen sind.

Laut Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, handelt es sich in den meisten Fällen um Notverkäufe. Und von denen könnte es in nächster Zeit mehr geben. Denn wegen der Coronakrise sind vielen Menschen Einkünfte weggebrochen, und sie sind daher dringend auf Geld angewiesen – genau wie die Parfitts.

Verbraucherschützer und Anwälte machen betroffenen Kunden jedoch Hoffnung. Denn mit der Frage, ob Banken überhaupt einen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) geltend machen dürfen, beschäftigte sich im Juli das Oberlandesgericht Frankfurt. Dort hatten zwei Commerzbank-Kunden geklagt, von denen das Institut knapp 22.000 Euro forderte.

Die Kunden argumentierten, die Klausel zur VFE im Vertrag sei unklar gewesen. Das Gericht gab ihnen recht: Die Angaben im Vertrag müssten „klar, prägnant, verständlich und genau“ sein, heißt es im Urteil.

Commerzbank verweist auf ausstehendes BGH-Urteil

Banken haben also rechtlich keinen Anspruch auf die VFE, wenn die Laufzeit, das Kündigungsrecht des Kunden oder die Berechnung der VFE unzureichend erklärt sind – zumindest wenn der Vertrag nach dem 21. März 2016 abgeschlossen wurde. Nach Schätzungen der Berliner Kanzlei Gansel, die das Urteil in Frankfurt erstritt, dürften davon etwa 95.000 Verträge der Commerzbank betroffen sein.

Auch die Parfitts, die sich mit der Commerzbank auch wegen anderer Themen streiten, könnten davon profitieren. Für das Handelsblatt prüften zwei Kanzleien unabhängig voneinander ihre Unterlagen. Beide kommen zum selben Ergebnis: Die Darlehensverträge des Ehepaars würden in Sachen VFE unter das Urteil des OLG Frankfurt fallen.

Alexander Knorr, der bei Gansel das Team Immobiliendarlehen leitet, sagt: „Aus unserer Sicht schulden die Kunden der Commerzbank keine Entschädigungszahlung, da die Vertragsunterlagen keine zureichenden Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten.“

Die Commerzbank betont, das Urteil des OLG Frankfurt sei noch nicht rechtskräftig, da das Institut eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt hat. Der muss nun entscheiden, ob das Geldhaus in Revision gehen darf. Bis zu einer finalen Entscheidung könnten Jahre vergehen.

Verbraucher sollten nicht zu lange warten

Dennoch sollten betroffene Kunden aus Sicht von Christian Rugen, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Hahn Rechtsanwälte, keine Zeit verlieren. Er rät Betroffenen, deren Verträge ab März 2016 geschlossen wurden, schon jetzt zu einer Klage gegen die Commerzbank: „Kunden sollten die VFE unter Vorbehalt zahlen und sie nach der Abwicklung ihres Immobilienverkaufs zurückfordern.“ In Frankfurt könne jeder Commerzbank-Kunde klagen, dort sehe es für Verbraucher momentan „sehr gut“ aus.

Laut Immobilienexperte Knorr schließen sich zudem immer mehr Gerichte dem Urteil des OLG Frankfurt an, zuletzt das Landgericht Dortmund im September. Er erwartet in den kommenden Wochen „zahlreiche weitere positive Entscheidungen anderer Landgerichte gegen die Commerzbank und andere Kreditinstitute“.

Neben der Commerzbank habe man auch bei zahlreichen anderen Geldhäusern fehlerhafte oder unvollständige Vertragstexte zu Immobilienkrediten entdeckt, sagt Verbraucherschützer Nauhauser. Er rät allen Kreditnehmern, ihre Verträge zu überprüfen. Weil er so viele Anfragen zu dem Thema bekommt, ist Nauhauser gerade dabei, einen VFE-Podcast aufzunehmen.

Wer rechtliche Schritte einleiten will, muss sich unter Umständen beeilen, denn es gilt eine dreijährige Verjährungsfrist ab dem 31. Dezember des Jahres der VFE-Zahlung. Wer also 2017 eine Entschädigung an die Bank überwiesen hat, kann diese nur noch bis Ende Dezember zurückfordern.

Schlichtungsspruch nur bis zu 10.000 Euro bindend

Sich wie die Parfitts an Schlichtungsstellen wie den Ombudsmann des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) zu wenden hält Anwalt Knorr nicht immer für den besten Weg. Der Ombudsmann sei „nicht in jedem Fall der beste Ansprechpartner“.

Ein Schlichtungsspruch von ihm sei für Finanzinstitute nämlich nur bis zu 10.000 Euro bindend. Zudem haben Verbraucheranwälte den Eindruck, dass die Ombudsleute des Verbands tendenziell zu bankenfreundlich agieren.

Justin und Annabelle Parfitt wollen sich nun mit einer Verbraucherschutz-Kanzlei in Verbindung setzen. Experte Knorr ist überzeugt, dass die beiden am Ende recht bekommen. „Würden die Eheleute Parfitt klagen, wären die Erfolgsaussichten Stand jetzt gut, insbesondere in Frankfurt am Main.“

Mehr: Teurer Ausstieg aus der Hausfinanzierung – Urteil stärkt Bankkunden

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