Wachsende Kreditausfallrisiken Finanzexperten warnen vor europäischer Bad Bank für faule Kredite

Nach den Plänen der Kommission soll die Einrichtung und die Zusammenarbeit sogenannter Bad Banks unterstützt werden.
Brüssel Das Centrum für Europäische Politik warnt in einer Studie vor der Einrichtung einer europaweiten Bad Bank für notleidende Kredite (NPL). „Eine solche Bad Bank würde angesichts der sehr unterschiedlichen Ausgangslagen in den Mitgliedstaaten ein erhebliches Umverteilungsrisiko in sich tragen“, sagt der Chef der Freiburger Denkfabrik, Lüder Gerken.
Wettbewerber im Finanzmarkt und Steuerzahler dürften nicht die Kosten tragen. „Beihilferegeln und Abwicklungsvorschriften für Banken dürfen nicht faktisch außer Kraft gesetzt werden, denn das würde es staatlichen Bad Banks erlauben, die Bestände fauler Kredite mit Steuermitteln abzubauen“, sagt Gerken.
Die Studie liegt dem Handelsblatt exklusiv vor. Unterstützung für die Warnung kommt aus dem Europaparlament. „Eine europaweite Bad Bank öffnet die Hintertür für die Vergemeinschaftung von Bankenrisiken und ist daher keine gute Idee“, sagte der finanzpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU), dem Handelsblatt am Montag.
Angesichts des Verlaufs der Coronakrise wächst die Sorge im Finanzmarkt über wachsende Kreditausfallrisiken, die laut dem Centrum für Europäische Politik zuletzt in Griechenland, Zypern und Italien angestiegen sind. Die EU befindet sich durch die Pandemie in ihrer schwersten Wirtschaftskrise seit ihrer Gründung.
Die Kommission hat im Dezember einen Strategieplan vorgestellt, der zum Ziel hat, Banken bei der Bewältigung und Auslagerung von NPLs zu helfen sowie die Kreditvergabe weiter zu sichern. Die EU-Exekutive hält vor diesem Hintergrund eine zentrale Datenplattform für notwendig, um die Markttransparenz in allen 27 Mitgliedsländern zu erhöhen.
Gemeinsame Informationsplattform bringt Vorteile
Die geplante europaweite Informationsplattform für NPL-Daten – von der Kommission „Data Hub“ genannt – findet Zuspruch unter Experten. „Mit dieser europäischen Vernetzung können tatsächlich Vorteile verknüpft sein“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Gerken.
In diesem neuen EU-Datenmanagementzentrum sollen künftig alle Informationen gespeichert werden, die Verkäufer und Käufer fauler Darlehen benötigen. Es soll als Datenregister für den NPL-Markt in der EU dienen.
Derzeit laufen die Konsultationen, um den besten Weg zu einer solchen Datenplattform zu finden. Das Centrum für Europäische Politik kritisiert aber die geplante Verpflichtung für Banken, bestimmte „essenzielle Daten“ zu neuen NPL in einem standardisierten Verfahren offenzulegen. „Vielmehr sollten NPL-Verkäufer selbst darüber entscheiden können, ob sie NPL-Transaktionsdaten sammeln und veröffentlichen“, fordern die Experten in ihrer Studie.
Nach den Plänen der Kommission soll die Einrichtung und die Zusammenarbeit sogenannter Bad Banks unterstützt werden, wenn dies von den Mitgliedstaaten gewünscht wird. Eine europaweite Abwicklungsbank zählt aber bislang nicht zu den Plänen der Kommission.
Der langjährige Europaabgeordnete Ferber glaubt ohnehin nicht, dass eine europaweite Bad Bank schnell einzurichten wäre. Angesichts der großen Differenzen in den nationalen Insolvenzsystemen lasse sich eine europaweit einheitliche Bewertung von ausfallgefährdeten Krediten kaum vornehmen.
Klare Bewertungsvorschriften erforderlich
„Stattdessen sollten wir besser auf einen einheitlichen europäischen Rahmen für nationale Bad Banks arbeiten. Dafür braucht es klare Bewertungsvorschriften und Zugangskriterien, die sicherstellen, dass sich kein EU-Mitgliedstaat einen unerlaubten Vorteil über eine Bad Bank verschafft und dass der Steuerzahler nicht zu sehr in die Haftung genommen wird“, sagte Ferber.
Der Strategieplan der EU-Kommission sieht vor, die Sekundärmärkte für faule Kredite bei gleichzeitig hohem Schuldnerschutz auszubauen. Dafür gibt es Lob seitens der Experten des Centrums für Europäische Politik. „Die von der Kommission betriebene Schaffung liquider Sekundärmärkte für NPL trägt zu einer effizienten Preisbildung bei und kann so die Anreize zur Veräußerung von NPL erhöhen“, heißt es in der Analyse.
Die EU-Exekutive erarbeitet derzeit einen Leitfaden für den Verkauf von NPL. Zudem sollen die verschiedenen Insolvenzregelungen in der EU angeglichen werden, damit Gläubiger und Schuldner schneller reagieren können.
„Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und der Kommission zum NPL-Verkauf können die Transaktionskosten kleinerer Banken ohne Erfahrung bei der Veräußerung von NPL senken. Sie müssen aber unverbindlich bleiben und dürfen Banken nicht zum NPL-Verkauf zwingen“, heißt es in der Analyse.
„Faule Kredite wirken wie ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung“
Die Ökonomen beobachten den weiteren Anstieg der faulen Kredite in den 27 Mitgliedsländern mit Sorge, denn die Bekämpfung der Pandemie verläuft aufgrund neuer Mutationen und einem Mangel an Impfdosen langsamer als erwartet. Nach Angaben des Centrums für Europäische Politik ist der NPL-Anteil der EU-Banken nach einem stetigen Rückgang seit 2016 im vergangenen Jahr im Schnitt erstmals wieder auf 2,6 Prozent gestiegen.
Beim Blick auf die einzelnen Länder betrug die Quote im vergangenen Jahr in Griechenland 30, in Zypern 15,2, in Italien 5,1, in Frankreich 2,2 und in Deutschland 1,1 Prozent. „Je nach Verlauf der Coronakrise könnten die Kreditausfallrisiken sehr schnell anwachsen. Dass Wettbewerber oder Steuerzahler in anderen Mitgliedstaaten die daraus entstehenden Kosten tragen sollten, ist abzulehnen“, sagt Experte Gerken.
„Wenn die vielen staatlichen Hilfsmaßnahmen auslaufen, werden wir die volle Wucht der Coronakrise in den Bankbilanzen spüren“, prognostiziert auch Europaabgeordneter Ferber. „Faule Kredite in den Bilanzen der Banken wirken wie ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung.“ Denn wenn faule Kredite Eigenkapital binden, können Banken weniger Geld an gesunde Unternehmen ausgeben.

„Wir werden nun präventiv und koordinierend tätig.“
Die EU-Kommission bereitet seit Ende des vergangenen Jahres den europäischen Finanzmarkt darauf vor, sich gegen eine Flut notleidender Kredite zu wappnen. „Die Erfahrung zeigt, dass notleidende Kredite frühzeitig und entschlossen angegangen werden müssen, wenn wir wollen, dass die Banken Unternehmen und private Haushalte auch weiterhin unterstützen. Aus diesem Grund werden wir nun präventiv und koordinierend tätig“, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis in Anspielung auf die Finanzkrise von 2008.
Nach dem die Kommission im vergangenen Dezember ihren detaillierten Strategieplan vorgestellt hatte ist laut Kritikern in Brüssel bislang wenig Konkretes passiert. Der Aktionsplan der Kommission habe eher die Probleme beschrieben, anstatt tatsächlich Lösungen auf den Weg zu bringen, heißt es. „Der einzige messbare Fortschritt besteht darin, dass inzwischen die interinstitutionellen Verhandlungen über einen Rahmen für Sekundärmärkte begonnen haben“, konstatiert Finanzexperte Ferber.
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