Wertschließfächer Begehrte Alternative: Wie Start-ups den Mangel an Schließfächern beheben wollen

Die Auslastung von Schließfächern ist bei den meisten Banken hoch.
Berlin Colin Solberg kennt die Nöte aus eigener Erfahrung. Als der Kölner vor Jahren nach Berlin zog, wollte er ein Bankschließfach mieten. Obwohl er seine Bankverbindung nicht wechselte, sollte er sein Konto zunächst sechs Monate in Berlin führen, bevor er dann auf die Warteliste für ein Bankschließfach gesetzt werden sollte.
Solberg dämmerte, dass auch andere diese Situation als unbefriedigend empfinden mussten. Er wollte das Problem mit einem Team aus Branchenexperten professionell lösen. Das war die Geburtsstunde von Asservato.
Das Start-up hat im Mai 2021 seinen ersten Standort für Wertschließfächer am Potsdamer Platz in Berlin eröffnet. „Wir haben uns Berlin ausgesucht, weil die Stadt sehr international und gegenüber neuen Entwicklungen sehr aufgeschlossen ist“, sagt Solberg. In einer ehemaligen Bankfiliale stehen 3600 Schließfächer zur Verfügung.
Der Trend ist eindeutig: Die Zahl der Bankfilialen in Deutschland ist nach Angaben der Deutschen Bundesbank in den vergangenen zehn Jahren von knapp 40.300 auf 25.800 gesunken. Die Entwicklung dürfte angesichts des Onlinebanking-Trends anhalten. Zu vermuten ist, dass die Zahl der Bankschließfächer parallel abgenommen hat – doch konkrete Zahlen gibt es nicht.
Nachfragen bei einzelnen Instituten ergeben folgendes Bild: Die Commerzbank bietet bundesweit rund 230.000 Schließfächer an. „Die Nachfrage ist gleichbleibend gut“, erklärt eine Sprecherin. Allerdings sei sie regional sehr unterschiedlich.
Weitere Standorte sollen hinzukommen
Zurückhaltender ist die Deutsche Bank. Zur Anzahl und zur Nutzung veröffentlicht die Bank keine Zahlen. Die Nachfrage sei stabil, Schließfächer seien ausreichend verfügbar, so ein Sprecher. Von einer hohen Auslastung spricht die Berliner Sparkasse. Sie bietet 34.500 Schließfächer an, die nach eigenen Angaben zu rund 90 Prozent vermietet sind.
Zu den größten Anbietern in Deutschland mit fast 200.000 Schließfächern gehört die Hamburger Sparkasse. „Wir verzeichnen eine hohe Nachfrage nach Schließfächern – die Auslastung liegt bei mehr als 80 Prozent“, erklärt eine Sprecherin. Lediglich an einzelnen Standorten gebe es Wartelisten. Nicht zu vernachlässigen sind dabei die Direktbanken, die über keine Filialen verfügen und deren Kunden auch Interesse an Schließfächern haben könnten.
Neben Asservato stößt auch das Berliner Start-up Trisor in die Marktlücke „bankenunabhängiges“ Schließfach. In Berlin-Tiergarten, im HGHI-Tower, stehen 5000 Schließfächer zur Verfügung. Beide Start-ups werben damit, dass ihre Schließfächer unabhängig von Öffnungszeiten der Banken zu jeder Uhrzeit an 365 Tagen im Jahr erreichbar sind. Erklärtes Ziel der Unternehmen ist es, weitere Standorte in Deutschland für Schließfächer in Betrieb zu nehmen.
Interessenten können sich bei den Start-ups über die Website oder per Smartphone registrieren lassen und müssen sich anschließend beispielsweise bei Asservato durch ein Postident-Verfahren identifizieren. Mit der Kundenkarte erhalten sie Zugang zu ihrem Schließfach.
Kleinstes Schließfach ab 20 Euro monatlich
Anders als bei Banken gelangt aber niemand in den Tresorraum des Standorts. Mittels Robotertechnik wird die Box in den Ausgabeterminal befördert. Zuvor läuft ein mehrstufiger Authentifizierungsprozess mit Chipkarte, PIN und Fingerabdruck. Wenn Kunden ihr Schließfach öffnen, sind sie in einem Raum, der als einziger nicht videoüberwacht ist.
Die kleinste Box-Größe ist ein DIN-A4-Format, etwa fünf Zentimeter hoch. Sie kostet ab 20 Euro im Monat, wobei ein Versicherungsschutz inklusive ist. Das Fach ist monatlich kündbar, der Versicherungsschutz kann bei Bedarf aufgestockt werden.
Eine gewisse Freude bereitet Solberg die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Immer mehr Banken verlangen von ihren Kunden Verwahrentgelte für Guthaben auf den Giro- und Sparkonten von 0,5 Prozent. Damit geben sie Kosten weiter, die ihnen die EZB auferlegt. „Die Negativzinsen spielen uns definitiv in die Hände“, sagt Solberg. Es sei für Kunden preiswerter, 100.000 Euro in ein Schließfach zu packen, als dafür ein Verwahrentgelt zu zahlen.
Doch nicht nur Verwahrorte für Bargeld sind begehrt. Die Furcht der Deutschen vor einer steigenden Inflation hat sich auch in einer verstärkten Nachfrage nach Gold niedergeschlagen. Nach Daten des World Gold Council haben Deutsche im ersten Halbjahr mit mehr als 90 Tonnen Gold so viel wie seit 2009 nicht mehr erworben.
In einer repräsentativen Umfrage wollte Asservato wissen, an welchen Orten Edelmetallbesitzer das Gold lagern. Danach sind Bankschließfächer (39 Prozent), heimischer Safe (24 Prozent) und Verstecke zu Hause (18 Prozent) die häufigsten Verwahrungsorte.
Zusammenarbeit mit traditionellen Banken möglich
Geht es nach der Berliner Volksbank, können sich Kreditinstitute und Anbieter von Wertschließfächern auch passend ergänzen. An Standorten, an denen die größte regionale Genossenschaftsbank in Deutschland keine eigenen Schließfächer mehr anbietet, werden Kunden auf das Angebot von Trisor verwiesen.
Und es könnte für Trisor sogar noch besser kommen. „Aufgrund des gestiegenen Überfallrisikos und des damit verbundenen hohen Risikos für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden wir uns zunehmend aus dem Geschäftsmodell ‚Schließfach‘ herausziehen“, kündigt Andreas Schönfeld, Vertriebsmanager bei der Berliner Volksbank, an.
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