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Wirecard-Bilanzskandal Wambach-Bericht: EY stellt Strafanzeige

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wehrt sich gegen die Veröffentlichung des geheimen Sonderberichts zu ihrer Arbeit für Wirecard.
22.11.2021 - 19:52 Uhr 5 Kommentare
Die Rechercheergebnisse unserer Redaktion erschienen unter der Überschrift „Protokoll des Versagens“.
Cover der Handelsblatt Print-Ausgabe

Die Rechercheergebnisse unserer Redaktion erschienen unter der Überschrift „Protokoll des Versagens“.

Düsseldorf Im Skandal um den insolventen Dax-Konzern Wirecard greift die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zu juristischen Mitteln. Wie die „Financial Times“ zuerst berichtete, hat EY Strafanzeige gegen unbekannt gestellt, weil ein als geheim eingestufter Sonderbericht über die Arbeit von EY als Wirtschaftsprüfer von Wirecard öffentlich wurde.

Ein EY-Sprecher erklärte, die Strafanzeige richte sich gegen die „Weitergabe des Berichts der Ermittlungsbeauftragten („Wambach-Bericht“) und dessen Veröffentlichung“. Das Handelsblatt widmete der Arbeit der Sonderprüfer am 11. November die Titelgeschichte „Protokoll des Versagens“ und stellte parallel dazu – mit Ausnahme einzelner Schwärzungen zum Schutz von Persönlichkeitsrechten – den kompletten Wambach-Bericht auf seine Website.

Martin Wambach, Vorstand des Instituts der Wirtschaftsprüfer und geschäftsführender Partner von Rödl & Partner, war im März vom Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags damit beauftragt worden, die Arbeit von EY als Wirtschaftsprüfer von Wirecard zu untersuchen. EY hatte fast zehn Jahre lang die Bilanzen des skandalumwitterten Zahlungsdienstleisters testiert. Als 2020 milliardengroße Löcher in diesen Bilanzen nicht mehr zu verbergen waren, brach Wirecard zusammen.

Wambach übergab seinen Bericht im April dem Deutschen Bundestag. Das Dokument wurde als geheim eingestuft. Seit der Untersuchungsausschuss seine Arbeit am 25. Juni beendete, hatte niemand mehr darauf Zugriff.

Ringen um Veröffentlichung

Am 24. Juni beantragten die Anwälte des Untersuchungsausschusses beim Bundesgerichtshof die Aufhebung der Geheimhaltung. Am 6. August lehnte der Bundesgerichtshof dies ab. Die Begründung: Der Ausschuss habe sich inzwischen aufgelöst, der Antrag sei daher unzulässig.

Als das Handelsblatt den Wambach-Bericht auf seine Website stellte, begründete Chefredakteur Sebastian Matthes dies mit dem überwältigenden öffentlichen Interesse an der Aufklärung des Wirecard-Skandals. Auch Mitglieder des Untersuchungsausschusses zu Wirecard begrüßten die Entscheidung.

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Nach der Strafanzeige von EY sagte Matthes: „Das Handelsblatt steht zu der Veröffentlichung des Wambach-Berichts. Es ist die Aufgabe von Journalismus, politische wie wirtschaftliche Macht zu kontrollieren, Missstände aufzudecken und Transparenz herzustellen.“ Dies habe das Handelsblatt durch die Veröffentlichung des Wambach-Berichts getan. Abermillionen geschädigte Anleger hätten ein Recht darauf zu erfahren, wie es zu dem Skandal kommen konnte.

Nach der Veröffentlichung des Wambach-Berichts erreichten das Handelsblatt zahllose Rückmeldungen von Lesern, die den Schritt unterstützten. „Es war ein Fehler der Verantwortlichen, den Wambach-Bericht unter Verschluss zu halten“, sagte Matthes. „Das Handelsblatt hat durch die Veröffentlichung Transparenz hergestellt, sodass sich jede Leserin und jeder Leser ein eigenes Bild von der Arbeit der Wirtschaftsprüfer machen kann.“

Desaströses Zeugnis für EY

Das Wambach-Team stellte EY für seine Arbeit bei Wirecard ein schlechtes Zeugnis aus. Demnach habe EY schon 2015 „wesentliche Defizite in der Buchhaltung“ gefunden, die als sogenannte „Fraud-Indikatoren“ einzuschätzen gewesen seien und „von einem Abschlussprüfer als solche hätten gewürdigt werden können“.

Laut Wambach-Bericht hätten die EY-Prüfer zahlreiche Warnsignale übersehen. Wenn sie Auffälligkeiten entdeckt hätten, seien sie diesen oft nicht nachgegangen. Immer wieder notierten die Sonderprüfer: „Von EY war keine Diskussion und Plausibilisierung dieser Auffälligkeiten erkennbar.“ Oder: „Ausweislich der Arbeitspapiere des Abschlussprüfers wurde diesen Inkonsistenzen jedoch nicht nachgegangen.“

In den Arbeitspapieren von EY sei weder „die notwendige kritische Grundhaltung“ erkennbar gewesen noch die aus der speziellen Situation resultierende „höhere Risikoeinschätzung eines Abschlussprüfers“, steht im Sonderbericht. Bei der als besonders kritisch einzustufenden Übernahme der indischen Hermes-Gruppe habe sich EY „im Wesentlichen auf mündliche und schriftliche Erklärungen der möglicherweise unter Verdacht stehenden Personen“ verlassen.

Bei einem wichtigen Kaufvertrag mit der Al-Alam-Gruppe aus Dubai sei den Prüfern nicht einmal aufgefallen, dass im Vertrag anstelle von Al Alam sechsmal der Name eines anderen Unternehmens stand.

EY weist Vorwürfe zurück

EY wies den Vorwurf des Fehlverhaltens zurück. „Entsprechend den IDW-Prüfungsstandards lässt eine Beurteilung in Rückschau gerade keinen Rückschluss auf Fehlverhalten des Abschlussprüfers zu“, sagte ein EY-Sprecher.

„Hinzu kommt, dass die Ermittlungsbeauftragten bei ihrer Arbeit – ebenfalls entsprechend der konkreten Ausgestaltung ihres Ermittlungsauftrags und in Anbetracht des engen Zeitrahmens – nur einzelne Aspekte der Prüfungshandlungen von EY betrachten konnten und ihre Durchsicht demnach auf einen Ausschnitt der zu den Jahres- und Konzernabschlussprüfungen verfügbaren Dokumente beschränkt haben. Dessen ungeachtet möchten wir betonen, dass die Prüfer von EY ihre Prüfungshandlungen nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt haben. Das Prüfungsteam hat sämtliche Hinweise und Vorwürfe jederzeit ernst genommen und ist diesen jeweils gezielt nachgegangen.“

Trotzdem hatte die Wirecard-Affäre für EY bereits Konsequenzen auf hoher Ebene. Am 19. März erschien Hubert Barth vor dem Untersuchungsausschuss. Er hatte EY Deutschland seit Juli 2016 geführt. „Selbst wenn ich mir persönlich nichts vorzuwerfen habe, ist zuvorderst vielen Investoren und nicht zuletzt dem Finanzplatz Deutschland durch den Fall Wirecard Schaden entstanden, sogar immenser Schaden“, sagte Barth.

„In der Politik gibt es dafür den Begriff der politischen Verantwortung. Was EY angeht, habe ich diese zu tragen. … Daher trete ich bereits mit Wirkung zum 1. April 2021 von meinem Posten als Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland zurück, und meinen Nachfolgern wünsche ich alles erdenklich Gute.“

Diese Nachfolger haben nun offenbar entschieden, gegen diejenigen vorzugehen, die Transparenz in den Wirecard-Skandal bringen wollen. Vor dem Schritt des Handelsblatts hatte ein EY-Sprecher gesagt: „Generell gilt: Wir stellen uns dem öffentlichen Interesse, den Betrugsfall Wirecard auch in Bezug auf unsere Rolle als Abschlussprüfer aufzuklären.“ Nun verwies der Sprecher darauf, dass der Bundesgerichtshof den Antrag auf Veröffentlichung des Wambach-Berichts abgelehnt habe.

„Aus Sicht von EY stellt die Weitergabe des Berichts eine Umgehung dieses rechtsstaatlich vorgesehenen Verfahrens dar, verletzt die höchstrichterliche Entscheidungshoheit und schafft eigenmächtig Fakten“, sagte der EY-Sprecher.

„Unser Strafantrag betrifft ausdrücklich nicht die Frage, ob der Wambach-Bericht veröffentlicht werden darf. … Vielmehr geht es uns um die klare Missachtung des für die Veröffentlichung des Berichts vorgesehenen rechtsstaatlichen Verfahrens und die damit verbundene Verletzung persönlicher Schutzrechte.“

Mehr: Nach der Veröffentlichung des Geheimreports: „Nun kann sich keiner mehr rausreden“

  • HB
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5 Kommentare zu "Wirecard-Bilanzskandal: Wambach-Bericht: EY stellt Strafanzeige"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Danke Handelsblatt!

  • Noch unverschämter seitens Ernest & Young geht es kaum.

    Da wird betrogen und gelogen durch Wirecard und die vermutlich neutrale Prüfungsgesellschaft stellt falsche Zeugnisse aus. Also auch LUG UND BETRUG.

    Man sollte EY Berufsverbot innerhalb Deutschlands erteilen. Noch sind wir nicht
    in den USA .

  • Irgendwie scheinen die Gerichte nicht im berechtigten Interesse der Öffentlichkeit zu urteilen.
    Formaljuristisch mögen Geheimhaltungen möglich sein. Doch dem widerspricht das gesunde Rechtsgefühl eines jeden "braven Bürgers".
    Dass EY jetzt wegen der Veröffentlichung stresst, zeigt deren Unverfrorenheit und auch deren Ungeschick.
    Reden ist Silber, schweigen ist Gold.
    Das Vertrauen gerade in die neue Führung wird dadurch zunichte gemacht, EY hat damit keine zweite Chance verdient. Diese wurde mit dieser Agitation leichtfertig verspielt!

  • Strafanzeige gegen Veröffentlichung statt vorher saubere Arbeit. Ist sicher vertrauensfördend in EY

  • Danke an das Handelsblatt Team, den Mut aufzubringen den Untersuchungsbericht an´s Licht zu bringen.
    Gut gemacht!
    Schlecht ist, dass sogar unser höchstes Gericht der Öffentlichkeit die Erkenntnisse bewusst verweigern wollte.
    Das wirft ein schlechtes Licht auf diese Instanz.

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