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Wirecard-Untersuchungsausschuss Umstrittene Commerzbank-Analystin zeigt sich uneinsichtig: „Ich durfte das“

Sie nannte kritische Artikel „Fake News“, leitete E-Mails an Wirecard weiter und trommelte für die Aktie. Analystin Heike Pauls sieht dennoch nur wenig eigene Fehler.
19.03.2021 - 09:18 Uhr Kommentieren
Die Bank hat Konsequenzen gezogen und sich von der Analystin Heike Pauls getrennt. Quelle: AFP
Commerzbank-Zentrale

Die Bank hat Konsequenzen gezogen und sich von der Analystin Heike Pauls getrennt.

(Foto: AFP)

Berlin, Frankfurt Die Befragung begann mit einer Entschuldigung. Sie zolle Dan McCrum, dem Reporter der „Financial Times“ (FT), der den Bilanzbetrug bei Wirecard aufgedeckt hatte, den „allergrößten Respekt“, erklärte Heike Pauls, die ehemalige Commerzbank-Analystin, im Wirecard-Untersuchungsausschuss.

Heike Pauls hat einigen Grund, zerknirscht zu sein. Die Analystin hat traurige Berühmtheit erlangt. „FT"-Berichte tat sie im Januar 2019 in einer Studie als „Fake News“ ab und warf der britischen Wirtschaftszeitung Marktmanipulation vor. Auch über kritische Artikel anderer Medien lästerte Pauls. Zudem informierte sie das Wirecard-Management über vertrauliche Einschätzungen von Investoren.

Die Commerzbank hat Konsequenzen gezogen und sich von Pauls getrennt. Doch diese zeigte sich bei ihrem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss in der Nacht zu Freitag erstaunlich uneinsichtig.

Es sei Aufgabe von Analysten, für Aktien zu trommeln, so Pauls: „Eine objektive Kursbewertung kann es gar nicht geben.“ Auch könne sie kein Problem darin erkennen, Wirecard über externe Kritiker zu informieren.

Sogar die Weiterleitung der E-Mail eines Kunden, der über seine Sorgen wegen der Einschüchterung von Wirecard-Kritikern berichtete, sah sie nicht als verwerflich an. „Ich durfte das“, sagte sie auf die Nachfrage von FDP-Parlamentarier Florian Toncar, ob das mit den Statuten der Commerzbank übereinstimme.

Auf die Frage, ob sie bei sich selbst eine Verantwortung sehe, antwortete Pauls: „Ich sehe keine Verantwortung bei mir. Ich weiß, dass es eine schlechte Empfehlung war. Ich bin einem Betrug aufgesessen.“

„Fehlen jeder professionellen Distanz“

Mehrmals bekommen die Abgeordneten den Eindruck, Pauls könnte in ihrem Beruf nicht ganz richtig aufgehoben gewesen sein. Zum eigenen Selbstverständnis sagt sie: „Der Job eines Analysten ist es, Ideen zu vermarkten. Wirecard war eine meiner stärksten Empfehlungen.“

Mit dem insolventen Zahlungsdienstleister war Pauls in der Vergangenheit auch auf dem Oktoberfest im „Käfer-Zelt“ und einmal im bekannten Nachtclub „P1“. Sie habe aber nie Wirecard-Aktien besessen oder sonstige Vorteile angenommen, so Pauls.

Auch das Handelsblatt geriet in den Fokus von Pauls. „Hallo Iris“, schrieb sie am 21. Januar 2020 an Wirecards Investor-Relations-Chefin. „Aktie ist schwach heute, ggf. wegen dem neuen Holtermann-Artikel auf HB heute zum Thema online gambling / Haftung der Zahlungsanbieter. Hier mein Kommentar von heute Morgen. Viele Grüße und bis später!“

In der Folge zerpflückte Pauls den Bericht über die Zusammenarbeit mit illegalen Glücksspielportalen: Wirecard kooperiere nur mit lizenzierten Anbietern, halte sich an alle Geldwäschestandards – eine Information, die sich als falsch herausstellte. Obwohl man „einiges Geschäft aus der ‚Grauzone‘ nicht ausschließen“ könne, sei Wirecard „aus unserer Sicht“ aufgrund seiner „strengen Risikomanagement-Regeln“ geschützt, so Pauls.

Im Bundestag kam ihr Auftritt gar nicht gut an. „Es gab viele Analysten, die bei Wirecard falschlagen, aber keine, die sich so aggressiv auf alle Wirecard-Kritiker gestürzt hat wie Heike Pauls“, sagte FDP-Finanzexperte Toncar. „Ihre totale Identifikation mit Wirecard, das Fehlen jeder professionellen Distanz, irritiert doch sehr. Eine echte Erklärung dafür fehlt weiterhin.“

Auch Commerzbank geriet in Kritik

Doch nicht nur das Handeln ihrer Analystin wurde kritisiert, auch die Commerzbank selbst geriet im Bundestag in den Fokus. Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz kritisierte, die Commerzbank habe im Dezember 2019 noch Wirecard-Aktienanleihen an ihre Privatkunden verkauft, obwohl damals bereits seit gut zwei Monaten die Sonderprüfung der Wirecard-Bilanzen durch KPMG lief.

Konkret bezog sich Bayaz dabei auf eine von der Hypo-Vereinsbank emittierte Aktienanleihe auf Wirecard, die damals unter anderem von der Commerzbank-Tochter Comdirect beworben wurde. Auch mehrere andere Geldhäuser vertrieben damals ähnliche Papiere.

Strukturierte Produkte auf Wirecard waren bei Anlegern in dieser Zeit sehr gefragt. Auch die Mehrheit der Analysten sah die Papiere damals noch positiv. Im Dezember 2019 gab es laut Daten von Bloomberg 21 Kaufempfehlungen, sieben Analysten plädierten damals zum Halten, lediglich zwei für einen Verkauf.

Die Commerzbank erklärte, die Werthaltigkeit des Unternehmens sei zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der soliden finanziellen Kennzahlen und der positiven Testate der Wirtschaftsprüfer im Finanzmarkt nicht infrage gestellt worden. „Dies änderte sich erst mit dem fehlenden Testat des Wirtschaftsprüfers für den Jahresabschluss von Wirecard im Juni 2020.“

Der Fall Wirecard sei ein für die Wirtschaftsgeschichte historischer Betrugsfall, betont die Commerzbank. „Wir verstehen natürlich den Frust der vielen von Wirecard geschädigten Anleger.“ Wirecard sei offensichtlich mit kaum vorstellbarer krimineller Energie vorgegangen. „Das wird von vielen Instanzen und Marktteilnehmern aufbereitet, auch von der Commerzbank.“

Bayaz findet den Vertrieb von Wirecard-Produkten Ende 2019 skandalös. „Die Commerzbank-Tochter Comdirect hat auch dann noch kräftig aufs Gaspedal gedrückt, als der Bank bekannt sein musste, dass der Karren an die Wand fährt“, sagte der Grünen-Politiker. Das Institut habe Anleger bis zum bitteren Ende in hochriskante Investitionen in Aktienanleihen von Wirecard gelockt. „Derart verantwortungslose Geschäftspraktiken ziehen auch den Ruf der teilstaatlichen Commerzbank in Mitleidenschaft, die in der Finanzkrise vom Staat gerettet wurde.“

Mehr: „An Betrug haben wir nie geglaubt – leider“: Topbanker sprechen über ihre Beziehungen zu Wirecard.

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